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»Und worauf warte ich jetzt?« - Ruth Schweikert erzählt von der eigenen Brustkrebserkrankung Am 9. Februar 2016, einem Dienstag, erhält Ruth Schweikert die Diagnose, dass sie an einer besonders aggressiven Form von Brustkrebs erkrankt ist. Aus Ahnung und Angst wird Wirklichkeit. Was aber ist das für eine Wirklichkeit? In welchen Käfig aus Vorstellungen und Gedanken, aus Technik und Terminen gerät jemand, der Krebs hat? Was passiert mit dem eigenen Körper? Was glaube ich zu wissen über Krebs? Und worauf warte ich eigentlich, wenn ich wieder einmal warte: nachts schlaflos im Bett oder in einem…mehr

Produktbeschreibung
»Und worauf warte ich jetzt?« - Ruth Schweikert erzählt von der eigenen Brustkrebserkrankung
Am 9. Februar 2016, einem Dienstag, erhält Ruth Schweikert die Diagnose, dass sie an einer besonders aggressiven Form von Brustkrebs erkrankt ist. Aus Ahnung und Angst wird Wirklichkeit. Was aber ist das für eine Wirklichkeit? In welchen Käfig aus Vorstellungen und Gedanken, aus Technik und Terminen gerät jemand, der Krebs hat? Was passiert mit dem eigenen Körper? Was glaube ich zu wissen über Krebs? Und worauf warte ich eigentlich, wenn ich wieder einmal warte: nachts schlaflos im Bett oder in einem der vielen Wartezimmer, vor dem nächsten »Befund«?
Nichts ist gewiss in Ruth Schweikerts literarischer Recherche, die radikal genau von der Wirklichkeit der eigenen Krankheit zu erzählen versucht. Es geht dabei um schlaflose Nächte, um Spritzen und Katheter. Es geht aber auch um das eigene Schreiben und Lesen und die wunderbare Möglichkeit der SMS. »Tage wie Hunde« ist ein hellwaches, schonungsloses Buch über Einsamkeit und Scham, Krankheit und Tod. Und zugleich ein heiteres, ermutigendes Buch über Freundschaft und Liebe und die befreiende Kraft der Literatur.
Autorenporträt
Ruth Schweikert wurde 1965 in Lörrach geboren und ist in der Schweiz aufgewachsen. 1994 debütierte sie mit dem vielbeachteten Erzählungsband »Erdnüsse. Totschlagen«. Es folgten die Romane »Augen zu« (1998), »Ohio« (2005) und »Wie wir älter werden« (2015). 2019 erschien die literarische Recherche »Tage wie Hunde«, in der sich Ruth Schweikert mit ihrer eigenen Brustkrebserkrankung auseinandersetzte. Für ihre Arbeit wurde sie u.a. beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb mit dem Bertelsmann-Stipendium (1994), mit dem Preis der Schweizerischen Schillerstiftung (1999), als Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim (2015), mit dem Kunstpreis der Stadt Zürich (2016) und dem Solothurner Literaturpreis (2016) ausgezeichnet. Ruth Schweikert starb am 4. Juni 2023 in Zürich.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Martin Ebel ist erleichtert, Ruth Schweikert am Leben zu wissen. Schweikerts Buch über ihren Brustkrebs liest er beklommen und auch mit achtungsvollem Staunen darüber, wie es der Autorin gelingt, der Krankheit Energie abzugewinnen, um über Kindheit und Elternhaus, Therapien, Rekonvaleszenz und Zukunft gleichermaßen nachzudenken und heterogen und fragmentarisch über den Graben "Krebs" zu schreiben, der sie von anderen trennt. Literatur als Überlebenshilfe, Lebenssinn, ganz konkret, meint Ebel, lesenswert, wenn auch sprachlich spröde und in den Formulierungen manchmal banal.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.07.2019

Triple negative
Ruth Schweikert erzählt von ihrer Brustkrebserkrankung
Krebs ist ein Buchstoff, der niemandem gleichgültig sein kann. Wohl jeder kennt jemanden, der daran erkrankt oder gestorben ist, oder ist vielleicht selbst erkrankt oder hat Angst davor. Mit einer gewissen Scheu nimmt man deshalb ein Buch über dieses Thema in die Hand und tritt mit der Lektüre in einen Angstraum ein.
Als Kritiker ist man auf mehrfache Weise gehemmt. Mehr als jeder andere autobiografische Stoff trennt der Krebs den Autor – hier: die Autorin – vom Leser. Diese hat die Krankheit (die oft genug eine zum Tode ist), jener nicht. Für diese zerfällt das Leben in zwei Teile, vor und nach der Diagnose, ist das Buch, das sie darüber schreibt, eines wie kein anderes. Für jenen steht es in einer langen Reihe von Lektüren, die eine Beurteilung verlangen. Wie aber beurteilt man ein derart persönliches Buch, ohne der, die darin ihren Überlebenskampf verarbeitet, zu nahe zu treten? Natürlich: nach der Gestaltung des Stoffes, oder, um die Vorrede zu zitieren, nach der Gestalt, die „der Stoff auf seine eigene Weise“ angenommen hat.
Die Schweizer Autorin Ruth Schweikert hat im Abstand von mehreren Jahren drei Romane veröffentlicht. Ihr Alltag wird neben dem Schreiben von vielfältigen kulturpolitischen Engagements eingenommen und von einer Lehrtätigkeit in einem „Jungen Literaturlabor“. Am 9. Februar 2016 bekommt sie nach einer Biopsie die Brustkrebsdiagnose. Sie hat die aggressivste Variante, „triple negative“, am 16. Februar, eine Woche später, wird sie operiert. Chemotherapien und Bestrahlungen schließen sich an, Aufenthalte in einem Ayurveda-Spital und einem für Homöopathie.
Die Wochentage zwischen Diagnose und Operation strukturieren das Buch (das keine Gattungsbezeichnung führt). In diesen Kapiteln von „Dienstag“ bis „Montag“ greift die Autorin aber weit aus – in die Vergangenheit, von der Kindheit über ihr Studium bis zum Tod des Vaters; voraus in die Phase der Therapien, der Rekonvaleszenz, und ganz weit in die Zukunft, in ein Museum des 22. Jahrhunderts, das nicht nur verschwundene Objekte präsentiert (darunter „unheilbare Tumore“), sondern auch eine Vitrine zur Autorin, die demnach ihren Krebs überlebt hat, zwei Gletschertouren absolvierte und einen Viertausender bestieg: „sie schrieb offenbar einige weitere Bücher, dann verliert sich ihre Spur“.
Nur auf diesem indirekten Weg, in der Distanz der dritten Person, traut sich Ruth Schweikert also das Überleben, zu vermelden, ein bisschen Aberglauben mag da auch mitspielen, bei Krebs weiß man ja nie. Eingestreut in den Krankheitsbericht sind Begegnungen mit Personen, die ähnliches erlebt haben, eine ganze Gesellschaft von Befallenen und Gestorbenen eröffnet sich da. Ist die Autorin von Krebskranken umgeben oder spielt ihr das die selektive Wahrnehmung vor, die auch schwangeren Frauen besonders viele Kinderwagenschieberinnen vor Augen führt?
Als weiteres Element treten SMS dazu, die die Autorin schreibt und mehr noch, die sie bekommt: Versuche der Anteilnahme, des Trostes, der Aufmunterung – gut gemeint, aber doch allesamt Zeichen für den unüberwindlichen Graben, der die Schreiber von der Empfängerin trennt. Sie ist im „Krebsgefängnis“, die anderen in Freiheit. Ruth Schweikert wechselt auch zwischen erzählenden und reflektierenden Passagen. Die Gestalt, die der Stoff „auf seine eigene Weise“ angenommen hat, ist also höchst heterogen. Sie hat auch etwas gewollt Fragmentarisches, das ein „nicht fertig werden-Können“ mit dem Erlebten anzeigt, das sich bis in die einzelnen Absätze hinein ausdrückt, die ohne Punkt enden (und oft auch ohne „ordentlichen“ Satzschluss).
Der Krebs öffnet auch in einer Person selbst einen Graben: zwischen dem Körper, der plötzlich ein Fremd-Körper wird, und dem Ich, das von diesem Fremd-Körper attackiert und vielleicht vernichtet wird. Überbrücken kann Ruth Schweikert diesen Graben in ihrer Funktion als Autorin. Unmittelbar nach der Diagnose weiß sie, dass sie darüber schreiben wird. Der Krebs wird zum Stoff, die Bedrohtheit des Ich zum Material. Das geradezu emphatisch aufgeladene Dasein als Schriftstellerin balanciert die versehrte Körperlichkeit aus. Literatur, die sie schreibt, wird gebraucht, von ihr selbst, als Überlebenshilfe, Lebenssinn, Identität; aber auch von anderen. Dafür ruft Schweikert kurz vor Schluss des Buches die deutsche Kollegin Katharina Hacker als Zeugin auf, die der Autorin schreibt: „gegen die Angst und Verzagtheit und vor allem müde Stumpfheit … braucht es das eine oder andere nächste Büchelchen von dir“.
Die Sprache des Buches ist spröde; eine literarisch glänzende Oberfläche ist die letzte Sorge von Ruth Schweikert. Manche Formulierung schrammt hart an der Banalität vorbei („Wenn wir erzählen, beschreiben wir die Welt nicht, wie sie ist, sondern wie sie uns vorkommt“), manch andere wirkt bemüht („Das Rötlichbeige erinnert an jenes der fünften Version der Böcklin’schen Toteninsel“). Und hin und wieder waltet die Genderbürokratie ihres Amtes.
„Tage wie Hunde“ erreicht nicht die reflexive Tiefe und Brillanz von Susan Sontags „Krankheit als Metapher“, auch nicht die literarische Konsequenz von David Wagners „Leben“ mit neuer Leber. Aber man legt das Buch nicht aus der Hand, ohne erschreckt, berührt und erleichtert zu sein: Die Autorin lebt, und der Leser auch.
MARTIN EBEL
Ruth Schweikert: Tage wie Hunde. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2019. 200 S., 20 Euro.
Der Krebs öffnet in der Person
selbst einen Graben, zwischen
Körper und Fremdkörper
Im Februar 2016 erhielt die Schweizer Autorin Ruth Schweikert die Diagnose, dass sie an einer aggressiven Form von Brustkrebs erkrankt ist.
Foto: picture alliance / dpa
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Es macht staunen: selten zuvor ist ähnlich intensiv und konzentriert über eine Krebserkrankung geschrieben worden. [...] ein wildes Stück Literatur, kraftvoll und zugleich fragil und schwebend Susanne Schaber Die Presse 20190601