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Brian Boyd, einer der besten Kenner von Nabokovs (18991977) Leben und Werk, beschreibt das liberale aristokratische Milieu, in dem er aufwuchs, die Flucht der Familie aus Rußland, seine Studienzeit in Cambridge, die Ermordung des Vaters in Berlin. Es folgen die Jahre, in denen Vladimir Nabokov und seine Frau Véra in Deutschland und Frankreich in Armut lebten und die Flucht in die Vereinigten Staaten.Boyd untersucht Nabokovs Verhältnis zu den Zeitläufen, spürt den besonderen Strukturen seines Denkens und Schreibens nach. Zudem gibt er gedrängte Einführungen in die Romane, Memoiren, Dramen und…mehr

Produktbeschreibung
Brian Boyd, einer der besten Kenner von Nabokovs (18991977) Leben und Werk, beschreibt das liberale aristokratische Milieu, in dem er aufwuchs, die Flucht der Familie aus Rußland, seine Studienzeit in Cambridge, die Ermordung des Vaters in Berlin. Es folgen die Jahre, in denen Vladimir Nabokov und seine Frau Véra in Deutschland und Frankreich in Armut lebten und die Flucht in die Vereinigten Staaten.Boyd untersucht Nabokovs Verhältnis zu den Zeitläufen, spürt den besonderen Strukturen seines Denkens und Schreibens nach. Zudem gibt er gedrängte Einführungen in die Romane, Memoiren, Dramen und Gedichte des Autors, analysiert seine wichtigen Bücher. Er ist so dem Leser ein kenntnisreicher Führer durch das Werk. "Die russischen Jahre" sind eine packende Darstellung von Nabokovs Leben, Nabokovs Welt im vorrevolutionären Rußland und in der Emigration.
Autorenporträt
1952 in Belfast geboren, lehrt am English Department der University of Auckland. Er ist Autor u.a. der Bücher «Nabokov¿s Ada: The Place of Consciousness» und «Nabokov¿s Pale Fire. The Magic of Artistic Discovery». Boyd erhielt 2001 den Einhard-Preis, der herausragenden Biographen verliehen wird. Uli Aumüller übersetzt u. a. Siri Hustvedt, Jeffrey Eugenides, Jean Paul Sartre, Albert Camus und Milan Kundera. Für ihre Übersetzungen erhielt sie den Paul-Celan-Preis und den Jane-Scatcherd-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.1999

Segelnder Feuervogel
Die russischen Jahre Vladimir Nabokovs · Von Peter Demetz

In England und Amerika belebt die literarische Biografie das Interesse der Leserschaft mit unentwegter Kraft und öffentlichen Herausforderungen, aber in Deutschland hängt man lieber den Lebensgeschichten der Gedanken nach als den gefährdeten Menschen, die sie denken - in England hat jeder zeitgenössische Dichter, ehe er das Zeitliche segnet, seine zwei oder drei Biografien. Vladimir Nabokov, der transatlantische Meister der russischen und amerikanischen Literatur, wurde vor hundert Jahren geboren, und es ist nicht überraschend, dass seine dramatische Lebensgeschichte - und die seiner Frau Véra - die deutsche Leserschaft jetzt in Übersetzungen erreicht, in Eile, aber nicht zu spät.

Brian Boyds "Vladimir Nabokov: Die russischen Jahre 1899-1940" erschien vor neun Jahren in den Vereinigten Staaten, und der Autor, aus Belfast und in Neuseeland Literaturwissenschaft lehrend, darf gewiss sein, dass seine Arbeit nicht rasch veralten wird. Es ist eine jener Biografien, welcher der Verfasser sein Leben geopfert hat, um alles zu erforschen und zu prüfen, detektivisch, historisch und kritisch, auch gegen die Proteste der Eheleute Nabokov, die es nicht gerne sahen, dass jemand ein Bildnis von ihnen entwarf, das nicht von ihnen selber stammte. "Die russischen Jahre", das ist jene Epoche, in welcher Nabokov russisch schrieb und sich als V. Sirin (oder der bunte "Feuervogel") als Schriftsteller in der russischen Tradition dachte, streng Anti-Dostojewski und Pro-Puschkin, also seine Jugendzeit in Russland, die Studienjahre in Cambridge (England), das lange Exil in Berlin (1922-1937) und dann in Paris, ehe der Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich die Familie Nabokov dazu zwang, nach Amerika zu flüchten.

Dicke Biografien, die mit den Voreltern beginnen, setzen sich dem Verdacht aus, allzu umständlich zu verfahren; nicht so Boyd, der uns in seinen instruktiven Kapiteln über Nabokovs Großvater, einen reformfreudigen Justizminister des Zaren, und den Vater des Schriftstellers die vergessene und rühmliche Welt des russischen Liberalismus von neuem entdeckt. Nabokovs Vater, ein aufgeklärter Strafrechtler, war Chefdenker der konstitutionellen Partei, Kabinettssekretär in der ersten Regierung nach dem Falle des Zaren (später Justizminister einer standhaften Regierung auf der Krim), und die Lebens- und Denkneigungen seines Sohnes Vladimir wären fast unbegreiflich, wenn man nicht daran dächte, was vom Vater auf den Sohn überging - ein unerschütterlicher und polemischer Liberalismus, der sich keine Illusionen über die Bolschewiken machte, eine erstaunliche tägliche Arbeitsdisziplin, auch in miserablen Verhältnissen (vor dem Ersten Weltkrieg war die Familie Nabokov im Sommer mit Hausgesinde immer nach Biarritz gereist), und die überraschenden naturwissenschaftlichen Bemühungen (Schmetterlingskunde), des Vaters Hobby auf dem Landgut, des Sohnes rationale Leidenschaft auf zwei Kontinenten. Nabokovs amerikanische Kollegen konnten es nicht verstehen, dass er gegen Freud polemisierte; er war das liebende Kind liebevoller Eltern, und als sein Vater im Berliner Exil den Revolverkugeln eines rechtsextremistischen Attentäters zum Opfer fiel, tat Vladimir sein Bestes, für Mutter und Geschwister zu sorgen, obwohl er von Privatstunden lebte. Glücklicherweise zog seine Mutter ins republikanische Prag, wo man ihr als Witwe eines prominenten Liberalen eine kleine Rente aussetzte (wahrscheinlich aus dem Privatfonds des Staatspräsidenten T. G. Masaryk, der die russischen Verhältnisse an Ort und Stelle studiert hatte). Der folgsame Sohn besuchte sie oft, obgleich ihm das "matschige", nicht magische Prag nicht behagte (das ist allerdings kein zureichender Grund, fast alle tschechischen Namen im deutschen Text bis zur Unkenntlichkeit zu verballhornen).

Nabokovs Lebensmomente sind hier nicht weniger wesentlich als seine Gedichte, Erzählungen und Romane in russischer Sprache, und Boyd analysiert sie, ohne die Freunde der Literatur durch abstrakte Systeme vor den Kopf zu stoßen. Ich würde Nabokov nicht so sehr einen "Metaphysiker" als einen "Anthropologen" nennen, denn Boyd hat Recht, wenn er sich mit Nabokovs zentralem Interesse an den Wandlungen und Beschränkungen des menschlichen Bewusstseins beschäftigt (die Probe aufs Exempel: In Nabokovs "Die Gabe", einem russischen Roman von weltliterarischem Rang, wechselt die Erzählperspektive oft mitten im Satz). Boyd unterfängt sich nicht, dogmatisch erklären zu wollen, wie man Romane in zwei Sprachen schreibt, aber er klärt die Voraussetzungen, die Anglophilie der adeligen Familie, die frühen Kenntnisse der englischen Literatur, die sich Nabokov in Cambridge erwirbt, und die Sorgen mit den englischen Übersetzungen seiner Prosa und der langsame Beginn seiner Schreibart in Englisch.

Der junge Nabokov wollte, wie Rilke im Turm von Muzot, mit seiner Sprache allein sein; er hütete sich, in Berlin Deutsch zu lernen (Véra behauptete, er hätte nicht einmal eine deutsche Zeitung lesen können), um sein Russisch nicht zu beeinträchtigen. Und dann, in einem allmählichen und mirakulösen Wechsel, die Werke in der anderen Sprache. Alle Vergleiche versagen: Joseph Conrad publizierte nichts in seiner polnischen Muttersprache, ehe er mit einundzwanzig Jahren auf einem Steamer Englisch lernte und seinen ersten (englischen) Roman fünf Jahre in seiner Kajüte durch die Weltmeere schleppte. Ahmed Salman Rushdie, aus einer islamischen upper crust-Familie aus Bombay, perfektionierte sein Englisch im noblen Rugby und am King's College, ehe er für ein Londoner Reklamebüro zu arbeiten begann und seinen ersten Roman schrieb, in Englisch, nicht in Urdu. Nabokov hatte viele Gedichte, drei Erzählbände und acht russische Romane im Rücken, als er sich seiner amerikanischen Zukunft zuwandte.

Boyd warnte Stacy Schiff davor, eine Biografie Véra Nabokovs zu schreiben, denn er wusste, dass sie jedem Versuch, ihr Leben als eigenes zu sehen und von dem seinen zu trennen, hartnäckigen Widerstand entgegensetzte, "mit eisigem Charme", wie eine ihrer Freundinnen bemerkte. Stacy Schiff, eine erprobte Autorin biografischer Studien, hat es nach Möglichkeit vermieden, um Véra "herumzuschreiben", doch nicht ganz. Sie berichtet uns über Nabokovs Affären und seine Flirts (mit der Pariser femme fatale Ida Guadagnini und den Collegestudentinnen) mehr als der diskrete Boyd, aber sie hat es nicht einfach, weil sich Véra in ihre Rolle endloser Hingabe eingelebt hatte, niemand an sich herankommen ließ (vielleicht nicht einmal sich selbst) und später durchs Leben ging, als hätte sie ein Lineal verschluckt.

Die Biografin belegt genau, wie Véra für Vladimir und ihren Sohn sorgte; sie war, nach eigenem Geständnis, eine "miserable Hausfrau", aber sie zögerte nie, in Berliner Stenotypistinnen- und Fremdenführerjobs Geld zu verdienen und nebenbei Korrekturen zu lesen, Übersetzungen zu korrigieren, Abrechnungen zu prüfen und lästige Besucher zu vertreiben (die beiden Nabokovs hatten zu diesem Zweck ein Varieté-Duo einstudiert) oder internationales Verlagsrecht zu studieren, um für ihn bessere Bedingungen herauszuholen. Unerfindlich, warum sie beide, als sie reiche Leute waren, nur eine Hilfskraft für gelegentliches Tippen und Abheften beschäftigten und Véra bis in die Nacht an ihrem Schreibtisch arbeitete und die Geschäfte eines mittleren Agentur- und Rechtsbüros auf sich nahm. Selbst die freundliche Biografin kann sich verzweifelten Momenten nicht entziehen, wenn sie mit ansehen muss, wie sich die zartgelenkige Véra in einen "giftigen Drachen" verwandelt, um ihren Mann zu behüten. "Leere", sagt sie dann, "ist die Hölle des Biografen."

Nabokov glaubte, er und Véra müssten sich längst, vielleicht schon in Petersburg, gekannt haben, ehe er ihr auf einem Berliner russischen Wohltätigkeitsball Anfang Mai 1925 begegnete (sie in einer Wolfsmaske) und er ihr in die Nacht folgte, "unter den Kastanien, den Kanal entlang", wie er sofort in einem Gedicht schrieb. Das überraschte sie nicht, denn sie hatte seine Gedichte in jener exilrussischen Zeitung gelesen, in welcher sie ihre Übersetzungen aus dem Bulgarischen publizierte. Sie waren einander vorbestimmt, allerdings im linguistischen eher als im sentimentalen Sinn, denn die intelligente Tochter aus einer fünfsprachigen jüdischen Anwaltsfamilie (Jiddisch, Russisch, Englisch, Französisch und Deutsch) vermochte die poetischen Sorgen des schlaksigen jungen Adeligen, dessen erste Sprache vielleicht gar nicht das Russische gewesen sein mochte, rasch zu begreifen. Sie hatten einander gesucht, die selbstbewusste junge Frau, literarisch hochgebildet, und der verwöhnte Poet, der mit Tennisschläger, Boxhandschuhen und Blazer aus England ins Berliner Exil (zurück)gekehrt war. Ich finde es unmöglich, nicht die Sklaventragik ihrer lebenslangen Selbstverleugnung zu sehen und die Gefahren, die sie auf sich nahm, als Jüdin und mit dürftigen Papieren, noch vier Jahre nach Hitlers Machtergreifung. An Boyds Standardbiografie (der zweite Band über die amerikanischen Jahre dürfte bald folgen) hat ein Team von vielen Übersetzern gearbeitet, um das Buch rechtzeitig auf den Markt zu bringen (das Gute ist, dass man das nicht merkt), und Stacy Schiff dankt ihrem deutschen Übersetzer für die Einsichten, die sie aus seiner Übertragung gewann. Er verdient das alles, wenn er zuzeiten nicht die Neigung hätte, ihren eleganten Konversationston um ein, zwei Stockwerke tiefer zu übersetzen: under duress, nur im Schwitzkasten; she had a surefire way, sie hatte den Bogen raus, oder they chafed at, sie fühlten sich in den Bauch gebissen. So hat das Stacy Schiff sicher nicht gemeint.

Brian Boyd: "Vladimir Nabokov". Die russischen Jahre 1899-1940. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Uli Aumüller, Sabine Baumann, Ursula Locke-Gross, Kurt Neff, Hans Wolf. Rowohlt Verlag, Hamburg 1999. 943 S., Abb., geb., 78,- DM.

Stacy Schiff: "Véra". Ein Leben mit Vladimir Nabokov". Aus dem Englischen übersetzt von Hermann Kusterer. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1999. 639 S., geb., 68,- DM.

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Die wichtigste Nabokov-Biographie. Der Tagesspiegel

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Felix Philipp Ingold bespricht den zweiten Band von Brian Boyds Biografie Vladimir Nabokovs, die nun, 14 Jahre nach dem Original, auf Deutsch erschienen ist. Der Rezensent betont die "staunenswerte Detailfülle", die der Autor aufbietet und teilt mit, dass diese zweibändige Lebensbeschreibung als die "maßgebliche Arbeit" zu Leben und Werk Nabokovs gilt. Allerdings kritisiert er an der "detailversessenen Darbietungsweise" des Autors, dass dieser zwischen Wichtigem und Unwichtigem keinen Unterschied macht, vieles unkritisch wiedergibt, was er den Schriften Nabokovs entnommen hat, und wie es scheint, zwischen Autor und Erzähler häufig nicht "klar genug unterscheidet". Die Sprache Boyds ist Ingold zudem viel zu "blumig" und so kommt er am Ende seiner Kritik zwar zu dem Schluss, dass diese Biografie mit "einzigartiger Informationsdichte" aufwarten kann und so sicherlich als "Nachschlagewerk unentbehrlich" ist, als "große Schriftstellerbiografie", wie der Klappentext anpreist, will er das Buch jedoch nicht gelten lassen.

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