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Maria Luísa ist jung, intelligent, eigensinnig. Sie ist eine gute Schülerin und verfolgt auch später konsequent ihren eigenen Weg. Doch sie ist dick. Hoffnungslos dick. Dieser Umstand überlagert und beschädigt alles: ihre sozialen Kontakte, ihr Gefühlsleben (die komplizierte Beziehung zu David, ihrer großen Liebe), ihren Wirklichkeitsbezug. Schon als Teenager leidet sie darunter und muß in resigniertem Schweigen das Mobbing durch ihre Mitschüler ertragen. Neben ihrer dominanten Freundin Tony - schlank, schön und von allen Jungs umschwärmt - ist sie »das Monster«, »der Blauwal«. Im Studium…mehr

Produktbeschreibung
Maria Luísa ist jung, intelligent, eigensinnig. Sie ist eine gute Schülerin und verfolgt auch später konsequent ihren eigenen Weg. Doch sie ist dick. Hoffnungslos dick. Dieser Umstand überlagert und beschädigt alles: ihre sozialen Kontakte, ihr Gefühlsleben (die komplizierte Beziehung zu David, ihrer großen Liebe), ihren Wirklichkeitsbezug. Schon als Teenager leidet sie darunter und muß in resigniertem Schweigen das Mobbing durch ihre Mitschüler ertragen. Neben ihrer dominanten Freundin Tony - schlank, schön und von allen Jungs umschwärmt - ist sie »das Monster«, »der Blauwal«. Im Studium lernt sie David kennen. Obwohl er ihren Körper begehrt, schämt er sich vor seinen Freunden für ihr Aussehen und bittet sie, ihn nicht mehr zu besuchen. Er beendet die Beziehung, doch kann sich Maria Luísa nicht vollends von ihm lösen. Von den eigenen Eltern fühlt sie sich bedrängt und eingeschränkt, dennoch werden sie ihr nach deren Tod fehlen. Als Erwachsene faßt Maria Luísa den Entschluß, ihren Magen operativ verkleinern zu lassen.Die Erzählerin dieses autobiographischen Romans geht durch die Räume der Wohnung, die sie mit ihren Eltern nach deren Rückkehr aus Mosambik bewohnt hat; die einzelnen Zimmer bilden die Kapitelüberschriften.
Autorenporträt
Isabela Figueiredo wurde 1963 in Lourenço Marques, dem heutigen Maputo, geboren. 1975, nach der Nelkenrevolution und Mosambiks Unabhängigkeit, verließ sie Afrika allein, ihre Eltern sah sie erst zehn Jahre später in Lissabon wieder. Das Buch über ihre Kindheit in Afrika, Roter Staub, erschien 2019 im Weidle Verlag, übersetzt von Markus Sahr. Marianne Gareis studierte Lateinamerikanistik, Anglistik und Ethnologie. Seit 1989 übersetzt sie aus dem Portugiesischen und Spanischen, z. B. José Saramago, Gonçalo M. Tavares, Joaquim Machado de Assis, Andréa del Fuego, Sergio Álvarez und Samanta Schweblin. 2014 wurde sie mit dem Straelener Übersetzerpreis ausgezeichnet, 2018 mit dem Hieronymusring des Verbands deutschsprachiger Übersetzer.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.05.2021

Ein Leben reicht nicht
Ein Buch, für das alle Genrebegriffe zu einfach sind: Isabela Figueiredos „Die Dicke“
Isabela Figueiredos Roman „Die Dicke“ ist in vielerlei Hinsicht nicht das, was er zu sein vorgibt. Zunächst einmal ist er kein Roman – wenn man unter einem Roman eine linear voranschreitende Erzählung versteht. Stattdessen bezieht er seine Ordnung aus dem Grundriss einer Wohnung: Es ist die Wohnung der vor Kurzem gestorbenen Eltern von Figueiredos Hauptfigur María Luisa, die ihre Geschichte erzählt, während sie sich durch deren Räume bewegt. Entsprechend heißen die Kapitel „Diele“ oder „Elternschlafzimmer“; und so wie sich Erinnerungen aus unterschiedlichen Momenten eines Lebens in einem Raum, auf einem Möbelstück übereinanderlegen können, erzählt auch María Luisa ihre Lebensgeschichte nicht von Anfang bis Ende, sondern setzt in jedem Raum neu an, kehrt zu Ereignissen zurück, die in einem vorherigen Kapitel angerissen wurden, erweitert, hinterfragt und vertieft ihre Erzählung zyklisch um weitere Details. Dem Ganzen vorangestellt sind gleich drei literarische Motti, unter anderem von Mary Shelley und Henry David Thoreau, sowie eine „Musikalische Inschrift“ – eine Art Playlist zur Erzählung, die von 1965 (Nina Simone, „I Put a Spell on You“) bis 2021 (Lana del Rey, „Born to Die“) für jedes Jahr den passenden Soundtrack liefert.
„Die Dicke“ ist aber nicht nur kein klassischer Roman, es ist auch keiner übers Dicksein – oder zumindest nicht in erster Linie. María Luisas ungehorsamer Körper, der sich weigert, sich in den Grenzen eines vermeintlichen „Normalgewichts“ zu bewegen, und die misogynen und lookistischen Beschämungen, die sie ertragen muss, spielen zwar eine Rolle für die Konflikte des Buchs. Sein eigentliches Thema aber ist die Beziehung zu den Eltern. María Luisa schwankt zwischen unbedingter töchterlicher Liebe und einem enormen Bedürfnis nach Eigenständigkeit, nach Flucht vor der Kontrolle der Eltern. Die Wohnung zu erben, in der sie aufgewachsen ist, dorthin zurückzukehren, löst widersprüchliche Fragen in ihr aus: „Was bleibt mir ohne meine Eltern, ohne etwas, auf das ich warten kann, dem ich gehorchen, das ich respektieren, für das ich sorgen muss? Ohne Fesseln, ohne Anker, ohne die Lust zu flüchten? Wie lebt man da?!“
Dieses von emotionalen Extremen geprägte Verhältnis zu den Eltern beschreibt Figueiredo in drastischen, viszeralen, ungeschönten Bildern: Etwa wenn es vom Vater kurz vor seinem Tod heißt, dass er nun „wie ein alter Hund ist, schwerfällig, stinkend, im Weg“. Oder wenn María Luisa ein fast schon inzestuöses Begehren nach dem Körper ihrer Mutter äußert, den sie pflegt, und der so viel dünner ist als ihrer: „Ich will sie immer noch küssen. Die alten Brüste meiner Mutter, so weiß, so schön! Wie ich sie küssen würde! Meine ungehörige Nase würde ich darin vergraben, würde ihren lauen Fleischgeruch einatmen, den Geruch meines eigenen Fleisches, nur vollkommen.“ So fassen einen Figueiredo und ihre Übersetzerin Marianne Gareis immer wieder unangenehm an, mit Sprache und Bildern, berühren einen beim Lesen auf eine Art, auf die man eigentlich nicht berührt werden will. Das ist stark, auch in den zahlreichen Sex- und Nacktszenen, die gerade wegen der abjekten Körper und wegen des transgressiven Begehrens, das sie schildern, eine unbedingte Lust entwickeln.
Wie María Luisas Körper sich nicht zurückhalten lässt, seine gesellschaftlich als „normal“ oder „gesund“ festgelegten Grenzen mit seiner Masse überflutet und sich exzessiv ausbreitet, wie es ihm gefällt und Lust bereitet, so auch ihr Begehren: nach Sex, nach Essen, nach Sonne, nach Literatur und Musik, nach Schönheit, nach Liebe. Und nach dem Erinnern, das ihre Erzählung vollzieht: „Ich öffne und schließe immer wieder die Türen zu der Vergangenheit, in der mich dieses unauflösliche, beengende und fesselnde Eisenband mit den Eltern verbindet, und ich weiß, ein ganzes Leben reicht noch immer nicht aus für die Liebe.“
Der Weidle-Verlag, in dem das Buch in deutscher Übersetzung erschienen ist, bezeichnet „Die Dicke“ als „autobiografischen Roman“, und die Autorin selbst vermerkt am Ende des Textes: „Alle in diesem Buch beschriebenen Figuren, Orte und Situationen sind reine Fiktion und pure Realität.“ Damit knüpft sie in gewisser Weise an ihre letzte, in Portugal kontrovers diskutierte Publikation an, die 2019 unter dem Titel „Roter Staub. Mosambik am Ende der Kolonialzeit“ ebenfalls bei Weidle erschienen ist. Darin dokumentiert Figueiredo, in ebenfalls oft drastischer Sprache, die Verwicklung ihrer Familie in die portugiesische Kolonialherrschaft in Mosambik und den brutalen Rassismus, der diese prägte.
So ungewöhnlich wie sich die Erzählstruktur und Figurenzeichnung in „Die Dicke“ lesen, fragt man sich doch immer wieder, worin genau bei diesem zweiten Buch der Gewinn der Fiktionalisierung liegt. „Reine Fiktion und pure Realität“ liest sich, als Nachbemerkung, einigermaßen prätentiös – dass jede Geschichtsschreibung, auch die eigene Autobiografie, immer auch stark von Rhetorik, Auswahl und Narrativierung abhängt, dass es also eine „objektive“ Geschichte nicht gibt, dürfte Allgemeinwissen sein. Hat diese Entscheidung mit der seltsamen Skepsis des deutschen, womöglich auch des portugiesischen Literaturbetriebs gegenüber den in der englisch- und französischsprachigen Welt seit Jahrzehnten populären Genres der literarischen Memoirs und der Non-Fiction zu tun? Auf deutschen Übersetzungen steht oft sogar „Roman“ zur Klärung, wenn es sich offensichtlich um eine Autobiografie, eine Essay-Sammlung oder sogar beides zugleich handelt.
Das ist schade, weil diese seltsame Fetischisierung des Romans ihm auch selbst nicht guttut, wie der Literaturwissenschaftlicher G. Thomas Couser in seiner Einführung ins Genre des Memoirs bemerkt hat: Statt starker nicht-fiktionaler Autobiografien oder Essays bringt der Buchmarkt so immer wieder mittelmäßige autobiografische Romane hervor, die weder die Möglichkeiten der einen noch der anderen literarischen Form richtig ausschöpfen können. So wird man auch beim Lesen von „Die Dicke“ das Gefühl nicht los, dass hier erneut eine Autorin, die das Faktuale, Dokumentarische in der Literatur so wunderbar beherrscht wie Isabela Figueiredo, unter die Räder des Romanzwangs geraten ist.
LEA SCHNEIDER
Sprache und Bilder
berühren einen beim Lesen
fast unangenehm
Man wird das Gefühl
nicht los, dass die Autorin
unter die Räder geraten ist
Isabela Figueiredo: Die Dicke. Roman. Aus dem Portugiesischen von Marianne Gareis.
Weidle, Bonn 2021.
280 Seiten, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Lea Schneider hält Isabela Figueiredos Buch "Die Dicke" nicht für einen  klassischen Roman, weil Figueiredos die Geschichte ihrer Figur María Luisa nicht "linear voranschreitend" erzähle , sondern fragmentarisch, stets zwischen Erinnerungen springend. Geordnet sind diese Erinnerungssplitter nach den Räumen der elterlichen Wohnung, die die Erzählerin nacheinander durchstreift, ergänzt die Kritikerin. Ihr von sehr gegensätzlichen Bedürfnissen geprägtes Verhältnis zu den verstorbenen Eltern sei das eigentliche Thema des Romans,  zugleich spiele auch María Luisas vermeintlichen gesellschaftlichen Normen nicht entsprechender Körper eine wichtige Rolle  - sowie ihr "Begehren nach Sex, Essen, Sonne, Literatur, Schönheit" . Spannend findet die Rezensentin, wie die Autorin María Luisas befremdliche Lust an der Perfektion des mütterlichen Körpers beschreibt - eine Lust, die bei Schneider allerdings auch ein Unbehagen auslöst. Noch aus einem weiteren Grundn hält sie das Buch nicht für einen klassischen Roman: Unklar bleibe nämlich das Verhältnis von Fakt und Fiktion, sowie die Funktion der Fiktionalisierung überhaupt. Als Autobiografie wäre "Die Dicke" absolut überzeugend gewesen, als Roman ist das Buch eher "mittelmäßig", so die Rezensentin. Schneider vermutet jedoch, dass der biografiescheue deutsche Literaturbetrieb dafür zu verantworten ist, der überall Roman draufschreiben muss, wo Biografie drin ist.

© Perlentaucher Medien GmbH
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