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Michel Houellebecqs Lyrik ist gezeichnet vom Schrecken über die Wiederholungen des Lebens und dem Moment zugewandt: Gedichte wie Songtexte. Sie lassen sich als ein einziges großes Parlando lesen - autobiografisch, bekenntnishaft und unangestrengt. Zwischen der ernüchternden Erfahrung des täglichen Erwachens und den berechenbaren Sehnsüchten der Nacht erkennen sie die unaufhaltsame Annäherung an ein Ende: "Den monströsen und globalen Mangel macht Houellebecq überall spürbar", schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die Taschenbuchausgabe der gesammelten Gedichte vereinigt nun erstmals alle…mehr

Produktbeschreibung
Michel Houellebecqs Lyrik ist gezeichnet vom Schrecken über die Wiederholungen des Lebens und dem Moment zugewandt: Gedichte wie Songtexte. Sie lassen sich als ein einziges großes Parlando lesen - autobiografisch, bekenntnishaft und unangestrengt. Zwischen der ernüchternden Erfahrung des täglichen Erwachens und den berechenbaren Sehnsüchten der Nacht erkennen sie die unaufhaltsame Annäherung an ein Ende: "Den monströsen und globalen Mangel macht Houellebecq überall spürbar", schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die Taschenbuchausgabe der gesammelten Gedichte vereinigt nun erstmals alle Gedichtbände inklusive des 2014 erschienenen 'Gestalt des letzten Ufers'.
Autorenporträt
MICHEL HOUELLEBECQ, 1958 geboren, gehört zu den wichtigsten Autoren der Gegenwart. Seine Bücher werden in über vierzig Ländern veröffentlicht. Für den Roman ¿Karte und Gebiet¿ (2011) erhielt er den renommierten Prix Goncourt. Sein Roman ¿Unterwerfung¿ (2015) stand wochenlang auf den Bestsellerlisten und wurde mit großem Erfolg für die Theaterbühne adaptiert und verfilmt. Zuletzt erschien der Roman ¿Vernichten¿ (2022). Hinrich Schmidt-Henkel übersetzte u. a. L.-F. Céline, Denis Diderot, Jean Echenoz, Jon Fosse, Henrik Ibsen und Tomas Espedal. 2000 erhielt er den Jane-Scatcherd-Preis der Heinrich-Maria-Ledig-Rowohlt-Stiftung, 2004 den Paul-Celan-Preis des Deutschen Literaturfonds, 2007 den Deutschen Jugendliteraturpreis und 2015 den Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis. STEPHAN KLEINER, geboren 1975, lebt als literarischer Übersetzer in München. Er übertrug u. a. Meg Wolitzer, Chad Harbach, Nick Hornby, Bret Easton Ellis, Charlie Kaufman und Hanya Yanagihara ins Deutsche.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Alex Rühle freut sich über diesen "Achthundertseitenziegel", der Michel Houellebecqs Gedichte aus den Jahren 1996 bis 2013 versammelt. Der Band ermöglicht dem Kritiker, Houellebecqs literarischen Werdegang nachzuvollziehen, insbesondere auch im Hinblick auf den Ruhm und die Skandale des Autors. Während Rühle in den frühen Gedichten noch das Gefühl "abgestorbener Leere" und "vanitasverliebter Gottlosigkeit" spürt, bleibt er sich doch auch in den späten Gedichten noch der "existentiellen schlechten Laune" und dem "Baudelaireschen Ennui" treu, stellt der Rezensent fest. Und dennoch erlebt Rühle den französischen Autor schließlich geradezu sanftmütig, um nicht zu sagen "erschlafft".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.07.2016

Von Grauensgrau zu Tapetenhintergrundsgrau
Die gesammelten Gedichte von Michel Houellebecq zeigen, wie gemütlich er sich mittlerweile in seinem Weltekel eingerichtet hat
1999, am Rande der Frankfurter Buchmesse. Da steht an einem späten Abend Michel Houellebecq, der Shootingstar der französischen Literatur, auf der Bühne eines Mainzer Konzertkellers und weiß nicht so recht, wohin mit sich und seinem Körper: Sein linker Arm baumelt an ihm herunter wie eine Papprolle, verschämt wippt er in den Knien und fährt sich immer wieder mit dem Zeigefinger im Zahnfleisch herum, während aus den Boxen des Clubs trance-artiger Pop des Musikers und Produzenten Bertrand Burgalat läuft. Der wachsbleiche Houellebecq nuschelt dazu seine Texte in ein Mikrofon: „Playa Blanca, am nächsten Tag / Die Sommergäste ziehen sich aus. / Allein inmitten der Menschen / gehe ich in Richtung Segelclub.“
„Rap mou“, schlaffen Rap, nannte Bertrand Burgalat damals belustigt diesen Vortragsstil. Die beiden hatten gemeinsam eine CD gemacht, Houellebecq besang, na ja bemurmelte in seinen Texten voll angeekelter Faszination die leere Welt des Hedonismus und die schöne Hässlichkeit der Industriearchitektur, Burgalat umkleidete das Ganze mit Elektropopgeplonker, gemeinsam tourten sie damit durch Europas Clubs, der eine im Schmuddelparka, der andere in scharf gebügelten Anzügen, das bizarrste Paar der Popgeschichte.
Rap mou, der Ausdruck fällt einem wieder ein, wenn man 17 Jahre später die letzten Gedichte Houellebecqs liest. Fast prophetisch klingt die Definition jetzt, weil sie so gut beschreibt, was Houellebecqs lyrisches Ich mittlerweile so treibt.
Aber der Reihe nach: Bei Dumont sind soeben die „Gesammelten Gedichte“ Houellebecqs in deutscher Übersetzung erschienen, ein Achthundertseitenziegel, der vier Bände zusammenfasst, die ersten drei stammen aus den Jahren 1996 bis 1999, der jüngste, „Gestalt des letzten Ufers“, aus dem Jahr 2013.
Dazwischen kam lange nichts, beziehungsweise anderes, Romane, Ruhm, Skandale. Welche Linien aber sind zu finden, wenn man all diese Gedichte nun in einem Rutsch vergleichend lesen kann, was hat sich über die Jahre geändert?
Die frühen Gedichte vermitteln so schmerz- wie glaubhaft das Gefühl einer abgestorbenen Leere, egal, ob man im Urlaub ist oder auf die Büro-U-Bahn wartet, ja, Krebs und Freizeit können sich beim frühen Houellebecq sogar reimen: „Wie ein Wochenende im Autobus, / Wie ein Tumor im Uterus / Die Abfolge der Ereignisse / gehorcht stets einem Plan.“ Der Mensch ist hier immer nur Verfallsprodukt, Houellebecqs Barockvorläufer hätten ihre Freude gehabt an ihm und wären zugleich entsetzt gewesen von seiner vanitasverliebten Gottlosigkeit: „Mit halb geöffnetem Mund, wie Karpfen, lassen wir Totenrülpser heraus. Um vom Leichengestank abzulenken, der aus unseren Fressen strömt, der unbesieglich aus unseren Fressen strömt, geben wir Wörter von uns.“
Die altbekannten Sehnsüchte der Menschen sind immer noch da, nach Liebe, Glaube, Hoffnung, aber nichts stillt sie mehr, der Mensch ist ekelhaft allein auf der Welt. Dieser Ekel aber führt, anders als bei den Existenzialisten, nicht mehr zu einem heroischem Aufbäumen, im Gegenteil, Houellebecq möchte nachmittags schon nach hundert Schritten „nach hause zurück / Um sich im Daseinsüberdruss zu aalen / Und ins Bett zu gehen“.
  In Frankreich erscheint diesen Sommer der erste Band einer Gesamtausgabe seiner Werke, bei Flammarion, Houellebecq gibt sie selbst heraus und schreibt im Vorwort des ersten Bandes, dass ihn einige seiner frühen Sätze „auf die Palme bringen“. Ob er damit das wollüstige Aalen meint?
Wohl kaum: Was das Ausstellen seiner existenziell schlechten Laune angeht, ist Houellebecq sich über all die Jahre mannhaft treu geblieben: „Ich habe kein Innenleben mehr, / Keine Leidenschaft, keine Wärme“, klagt er im letzten Band von 2013, aber da muss man, wenn man nicht schon völlig kraftlos wäre von all den Klagen zuvor, fast schmunzeln, weil er das ja die letzten sechshundert Seiten auch schon gesagt hat. Insofern: Was soll dieses „mehr“, das ja insinuiert, früher habe er ein reich funkelndes Innenleben mit sich herumgetragen. Der traurige Witz war doch gerade, dass da einer schreibt, der sich von Anfang an ausgeschabt fühlt, leer, betongrau.
Stimmungsmäßig steht also von früh bis spät Baudelaires Ennui Pate, formal aber gibt es eine Änderung. Die späten Gedichte kommen in neoklassischem Gewand daher, die Lyrik alexandrinert jetzt streng vor sich hin. Seltsam steif wirkt das, auf verschrobene Art feierlich. Hat er nicht stets betont, Stil sei ihm egal, es ginge nur um Transparenz, Klarheit, Genauigkeit? Und dann schreitet er derart jambisch durch die Sprache? Seinen deutschen Übersetzern Hinrich Schmidt-Henkel und Stephan Kleiner kann man jedenfalls dankbar sein, dass sie auf alle Reime zugunsten der Sinngenauigkeit verzichten.
Je länger man liest, desto mehr beschleicht einen die Ahnung, dass Houellebecq sich in seinem Ekel mittlerweile gemütlich eingerichtet hat, das Grauensgrau ist einem so gediegenen wie dezenten Tapetenhintergrundgrau gewichen („Mein Hotel wird grau sein“, schreibt er in einem Gedicht, in dem er seinen Winterurlaub in irgendeinem unterentwickelten heißen Land imaginiert), ja er klingt nachgerade sanft, als gebe es da eine große Einwilligung in die Welt, so wie sie ist, nun ja, hässlich etc., aber ab und zu scheint ja auch die Sonne. Außerdem haben ihm, so man diesen Gedichten glauben darf, der Erfolg oder das Leben mittlerweile unzählige Frauen zugespielt, so dass die aggressive sexuelle Unerlöstheit der ersten Bände zumindest momentan einer großen Befriedigung weicht: „Die Liebe, in der alles leicht ist, / In der alles sofort gegeben wird. / Es gibt, mitten in der Zeit, / Die Möglichkeit einer Insel.“ Rap mou eben, satt erschlaffter Rap.
ALEX RÜHLE
          
  
Michel Houellebecq:
Gesammelte Gedichte.
Aus dem Französischen von Stephan Kleiner und
Hinrich Schmidt-Henkel. DuMont Buchverlag, Köln 2016. 726 Seiten, 14,99 Euro. E-Book 11,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Gedichte, wie wenn man aufwacht und feststellt, dass die Sonne nie mehr aufgehen wird.« Sibylle Berg, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG »Tausend Seiten Depression sind schließlich ziemlich witzig.« Jan Küveler, LITERARISCHE WELT »Die altbekannten Sehnsüchte der Menschen sind immer noch da, nach Liebe, Glaube, Hoffnung, aber nichts stillt sie mehr, der Mensch ist ekelhaft allein auf der Welt.« Alex Rühle, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG