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Richter beschreibt die Metropole Neapel als einen Ort der Verschmelzung von Kulturen seit Anbeginn, vorzüglich aber auch aus der Sicht ausländischer Reisender, für die dieses Zentrum des europäischen Tourismus zur bedrohlichen und zugleich faszinierenden Erfahrung eines anderen, dem klassischen Bild widersprechenden Italiens wurde.Und umgekehrt schildert Richter den Einfluss der »Fremden« auf diese Stadt, von den griechischen Einwanderern über die spanischen Höflinge und die Salons der europäischen Gesandten bis zu den englischen Konstrukteuren der Vesuv-Eisenbahn und zu den schweizer oder…mehr

Produktbeschreibung
Richter beschreibt die Metropole Neapel als einen Ort der Verschmelzung von Kulturen seit Anbeginn, vorzüglich aber auch aus der Sicht ausländischer Reisender, für die dieses Zentrum des europäischen Tourismus zur bedrohlichen und zugleich faszinierenden Erfahrung eines anderen, dem klassischen Bild widersprechenden Italiens wurde.Und umgekehrt schildert Richter den Einfluss der »Fremden« auf diese Stadt, von den griechischen Einwanderern über die spanischen Höflinge und die Salons der europäischen Gesandten bis zu den englischen Konstrukteuren der Vesuv-Eisenbahn und zu den schweizer oder deutschen Industriellen des ausgehenden 19. Jahrhunderts samt ihres Vereins- und Fürsorgewesens, das sich zum Teil bis heute erhalten hat.Das abwechslungsreiche Bild einer europäischen Metropole, nicht nur den bekannten Quellen nachgeschrieben, sondern oft auch frisch aus dem Staub unbekannter Polizeiakten und Gästebücher gezogen.
Autorenporträt
Dieter Richter, seit 1972 Professor für kritische Literaturgeschichte an der Universität Bremen. Er ist Verfasser zahlreicher kulturwissenschaftlicher Bücher.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2005

Und plötzlich war die Brieftasche weg

Am 11. November 1874 kaufte Emilie Fontane im Atelier des berühmten Fotografen Giorgio Sommer einige Neapel-Ansichten, während ihr Mann Theodor, dem wenige Tage zuvor beim Spaziergang über die Via Toledo die Brieftasche gestohlen worden war, das archäologische Nationalmuseum besichtigte. Knapp hundertzwanzig Jahre zuvor, genau am 28. Mai 1755, lag Wilhelmine von Bayreuth krank im Bett und konnte erst zwei Tage später den Palazzo Reale besichtigen. Ihre "Nachfolgerin" Lady Craven, Mätresse des letzten Markgrafen von Ansbach und Bayreuth, fand 1828 ihr Grab auf dem alten protestantischen Friedhof in Neapel. Möchte man das alles wissen? Und dann auch noch, daß im Hotel Caruso in Ravello ein Kännchen Tee im Jahr 1924 fast soviel kostete wie eine halbe Flasche Wein und Goethe am ersten Tag seines Neapel-Aufenthalts an Durchfall litt? Die Antwort: unbedingt ja! Man möchte all das nicht nur wissen, sondern liest es vor allem mit staunendem Vergnügen. In sechs profund recherchierten und elegant geschriebenen Kapiteln versteht es der Autor, beginnend mit der griechisch-römischen Geschichte Neapels, ein Porträt der Stadt zu entwerfen, wie es so in der unüberschaubaren Neapel-Literatur bislang nicht zu finden war. Kenntnisreicher ist über die hohe Zeit Neapels als glanzvolle europäische Metropole des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts vielleicht noch nie geschrieben worden. So sind Kapitel wie "Grand Tour - Der Golf von Neapel als europäische Reiselandschaft" oder "Internationale Metropole - Die ausländische Diaspora" nicht nur kulturhistorisch interessant, sondern präzise soziologische Untersuchungen zur Geschichte der Stadt und der sich verändernden Wahrnehmung durch ausländische Besucher. Zudem hat der Autor einzigartige Quellen ausfindig gemacht, hat Polizeiakten, Briefe, Reisetagebücher und Hotellisten ausgewertet und nicht zuletzt einen Blick in die mit Abfall des späten neunzehnten Jahrhunderts gefüllte Zisterne der Villa Rufolo in Ravello geworfen. Dort hat die damalige Besitzerfamilie der Villa ihren aus ganz Europa nach Neapel importierten luxuriösen Wohlstandsmüll entsorgt. Ob Francis Neville Reid nun Münchner Bier trank oder seine Briefe mit Tinte aus Dijon schrieb, mag eine Marginalie sein, im Zusammenhang dieses Buchs aber ist das aufregend und interessant. Der Autor kombiniert seine Erkenntnisse und Betrachtungen zu einem großen Ganzen, das so nicht nur zu einer Biographie der Stadt und ihrer Besucher, sondern auch zu einer Geschichte des Tourismus am legendären Golf von Neapel wird. Das Buch ist kein Reiseführer, es ist viel mehr. Wer Neapel besucht und wirklich etwas über die Stadt und ihre Geschichte erfahren möchte, kann auf seine Lektüre nicht verzichten.

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"Neapel - Biographie einer Stadt" von Dieter Richter. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2005. 301 Seiten. Broschiert, 13,90 Euro. ISBN 3-8031-2509-X.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.05.2005

Ein Paradies mit lauter Teufeln
Zu groß und zu alt, um zu verschwinden, zu elend, um nicht doch der Hoffnung Raum zu geben: Dieter Richter zeichnet das Porträt der Stadt Neapel
Ein Irrtum ist über das Reisen im Umlauf: dass es dabei, und zwar vor allem in seiner individualistischen, bürgerlichen Form, um erweiterte Horizonte, um die Erfahrung des Fremden und des Neuen gehe. Der Berg, der See, die Stadt, das Meer - nicht das Entdecken ist der erste Zweck des Reisens, sondern die kurzfristige Anwesenheit an Orten, die man schon besucht hat, und sei es dem Hörensagen nach. „Reisende wollen die Bilder identifizieren, mit denen sie ihre Kultur infiziert hat”, sagt der Bremer Literarhistoriker Dieter Richter, „Reisende sind auf der Suche nach der verzaubernden Erfahrung der anagnosis, des Wiedererkennens.” Einen Beweis für diese These liefert er gleich mit: Sein Buch „Neapel. Biographie einer Stadt” handelt weniger davon, was es dort alles zu sehen und zu erleben gibt, also von den Vorstellungen, an denen sich Neapel im Bewusstsein seiner Besucher - und vielleicht mehr noch: im Bewusstsein seiner Nicht-Besucher - zuerst zur schönsten und dann zu einer der schwierigsten Städte Europas entwickelte.
Wo gäbe es etwas Vergleichbares? Weit schwingt sich der Bogen der Bucht, von den Inseln Ischia und Procida im Nordwesten über die Stadt Neapel und den Vesuv bis hin zur Halbinsel von Sorrent und zur Insel Capri. Ein Meer liegt in der Mitte dieser hochbewegten Landschaft, groß genug, dass man darauf in Seenot geraten kann, klein genug, dass es wirkt, als wäre es das Parkett eines gigantischen Theaters, in dem Neapel die Bühne darstellt und die Berge die Ränge bilden. Fruchtbar ist die Ebene, die sich nach Norden und nach Osten erstreckt, Zitronen wachsen dort und seit dem sechzehnten Jahrhundert auch Kartoffeln, und hier lag nicht nur der wichtigste Hafen des römischen Kaiserreichs, sondern auch eine Region des Luxus und der Dekadenz und die Heimat Vergils. Sein Lob der „Campania felix” hat den Ruf dieser Landschaft bis ins neunzehnte Jahrhundert vermittelt, ja sogar über die Autoren des neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts geprägt. „Es gibt nur noch eine Landschaft, die von unzähligen Menschen vieler Generationen auf die gleiche ,literarisch-historische’ Weise erlebt wurde und noch immer wird: Palästina in seiner christlichen Wahrnehmung als Schauplatz des Neuen Testaments.”
In der Gegend um den Vesuv, glaubten die Alten, lag der Eingang zur Unterwelt, des verworfenen, leicht zu bearbeitenden, porösen Gesteins wegen, und auch Aeneas soll den Eingang zum Orkus am Avernersee gefunden haben. Die Toten, das unterirdische Neapel, ein dunkles Spiegelbild der Oberwelt, gehören ebenso zu Neapel wie das Bild des glücklichen Landes. In Neapel gibt es zwar zahlreiche Museen, und es sind einige der größten und bedeutendsten darunter. Aber die Stadt ist nicht museal, im Unterschied zu Florenz etwa oder erst recht zu Siena. Was immer es dort zu sehen gibt, ist lebendiger Teil der Stadt, es wird benutzt, gebraucht und auch verschlissen. Die städtische Landschaft ist das nach wie vor funktionierende Gedächtnis, das zu bewahren und zu beherrschen die Bewohner, jeder für sich und jeder in den Linien seiner Abstammung, nicht zu pflegen imstande sind: die Normannen, die Staufer und die älteste laizistische Universität der Welt, das Haus Anjou und die Gotik, die Spanier und ihre Kastelle, die Bourbonen und ihre gewaltigen Bauten, das Risorgimento und das allmähliche Absinken Neapels an den Rand Europas, die zu groß ist, um zu verschwinden, und zu elend, um nicht immer wieder ein hoffnungsloses Projekt zu werden.
Das alles erzählt Dieter Richter in einer bemerkenswert gelassenen, schlanken, sicheren Sprache, so, als sei ihm das, wovon er berichtet, seit Jahrzehnten vertraut wie eine liebe und nun schon sehr alte Verwandte, die ein erfülltes Leben gehabt hat und über deren nahes Dahinscheiden keiner traurig sein müsste - was aber dann doch wohl nicht stattfinden wird, weil der Heilige Gennaro oder sonst irgendein praktisches Wunder die Stadt nicht untergehen lassen werden.
Und also wird weitergereist in das „von Teufeln bewohnte Paradies” des Mezzogiorno, in eine überzeitliche Stätte von Kunst und Schönheit, und in einen Widerpart des gesellschaftlichen Engagements, in ein von der Dekadenz infiziertes Land, das vom Kontrast zwischen modernem Leben und den klassischen Stätten lebt. Und die Einheimischen werden auch in Zukunft nicht wissen, was sie haben. Und die Besucher werden auch in Zukunft nicht wissen, wohin sie schauen sollen. Dieses Buch aber erklärt immerhin, worauf jenes Wiedererkennen beruht.
Dieter Richter
Neapel. Biographie einer Stadt Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2005. 304 Seiten, 13,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Thomas Steinfeld hat viel übrig für dieses Porträt einer Stadt, "die zu groß ist, um zu verschwinden, und zu elend, um nicht immer wieder ein hoffnungsloses Projekt zu werden." Von Neapel ist die Rede, wie es in Dieter Richters "Biografie einer Stadt" erscheint. Es gehe Richter dabei weniger um eine Beschreibung des Stadtbildes, als um historische Vorstellungen und Mythen von der Stadt, erklärt der Rezensent, der beeindruckt ist von der "bemerkenswert gelassenen, schlanken, sicheren Sprache" des Autoren. Sie zeuge von großer Vertrautheit mit Neapel, seinen gegenwärtigen und verblichenen Bewohnern, seinen Eroberern und Herrschern, den neapolitanischen Träumen des restlichen Abendlandes und der Melancholie, die seinem Niedergang und Verfall innewohnt. Steinfeld sagt, Richter schreibe über dieses 'von Teufeln bewohnte Paradies' wie über eine "liebe und nun schon sehr alte Verwandte, die ein erfülltes Leben gehabt hat und über deren nahes Dahinscheiden keiner traurig sein müsste". Doch es scheint, als habe sich der Rezensent anstecken lassen von dem in Steinfelds Buch vermittelten Zutrauen in "irgendein praktisches Wunder", das die Stadt retten werde.

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