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Die Bundesärztekammer (BÄK) ist der als BGB-Verein organisierte Spitzenverband der Landesärztekammern. Unter dem Schlagwort "Vorfahrt für die Selbstverwaltung" wurden ihr spätestens durch das Transplantationsgesetz weitreichende Entscheidungskompetenzen im Gesundheitswesen übertragen, bis hin zur Festlegung der zeitlichen Grenzen menschlichen Lebens. Der Verfasser zeichnet diesen Aufstieg der BÄK zum "Quasi-Gesetzgeber" auf dem Feld der modernen Biomedizin des 21. Jahrhunderts nach. Im Hauptteil werden der verfassungsrechtliche Status dieses halbstaatlichen Vereins analysiert und - darauf…mehr

Produktbeschreibung
Die Bundesärztekammer (BÄK) ist der als BGB-Verein organisierte Spitzenverband der Landesärztekammern. Unter dem Schlagwort "Vorfahrt für die Selbstverwaltung" wurden ihr spätestens durch das Transplantationsgesetz weitreichende Entscheidungskompetenzen im Gesundheitswesen übertragen, bis hin zur Festlegung der zeitlichen Grenzen menschlichen Lebens.
Der Verfasser zeichnet diesen Aufstieg der BÄK zum "Quasi-Gesetzgeber" auf dem Feld der modernen Biomedizin des 21. Jahrhunderts nach. Im Hauptteil werden der verfassungsrechtliche Status dieses halbstaatlichen Vereins analysiert und - darauf aufbauend - die Grenzen der aktuellen Tätigkeit der BÄK anhand der grundgesetzlichen Direktiven aufgezeigt.
Weil die Studie hierbei einen übergreifenden dogmatischen Ansatz verfolgt, können ihre Ergebnisse auf die privaten Dachverbände der berufsständischen Selbstverwaltung insgesamt übertragen werden, die in der Rechtswissenschaft bislang ebenfalls ein Schattendasein geführt haben.
DasWerk richtet sich damit nicht nur an die Ärzteschaft und den Medizinrechtler, sondern an alle in der funktionalen Selbstverwaltung beschäftigten Juristen und juristisch interessierte Leser.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.2006

Politik ohne medizinischen Sachverstand
Verquickung des öffentlichen und privaten Rechts: Andreas Berger prüft die Bundesärztekammer

Die Bundesärztekammer ist ein privater, nicht rechtsfähiger Verein, dessen Mitglieder die öffentlich-rechtlichen Landesärztekammern sind, denen alle Ärzte eines Landes zwangsweise angehören. Ähnlich besteht der Deutsche Industrie- und Handelstag aus den Industrie- und Handelskammern in den Ländern, der Deutsche Handwerkskammertag aus den Handwerkskammern und die Hochschulrektorenkonferenz aus den staatlichen Hochschulen. Diese Verquickung von öffentlichem und privatem Recht, die sonst unterschieden werden, drängt zwei Fragen auf: Warum hat die Politik die Vermischung zugelassen oder gefördert? Wie ist die Vermischung rechtsdogmatisch zu konstruieren, also in die Ordnung der anderen Rechtssätze einzufügen?

Obwohl beide Fragen zusammenhängen, beschäftigt sich der Verfasser nur mit der zweiten Frage. Ob es Sachzwänge gibt, welche die Politik zu solch "unordentlichen" Regelungen drängen, interessiert ihn nicht. Nun darf ein Jurist die politische Seite eines Normenkomplexes ausblenden, ja, er sollte es tun. Aber den Sinn eines Regelungskomplexes aufzuklären und bei der Auslegung zu verwerten ist doch gute rechtsdogmatische Tradition. Daß der Verfasser bei der Darstellung der Geschichte der berufsständischen Vereinigungen der Ärzte darauf verzichtet, bedeutet, daß er über eine Organisation des Gesundheitswesens ohne das Gesundheitswesen geschrieben hat.

Das Problem ist nicht einfach zu formulieren. Die Politik ist zur Abwehr von Gefahren für die Gesundheit verpflichtet, etwa zur Bekämpfung von Seuchen. Dazu hat sich in den letzten zweihundert Jahren ein gewaltiges Wissen angesammelt. Nur kann die Politik nicht darüber verfügen, weil der medizinische Sachverstand es aufbewahrt.

Wahrscheinlich hatte die Bundesgesundheitsministerin keine Ahnung von Seuchenbekämpfung, als sie ihr Amt antrat. Aber sie konnte sich medizinischen Sachverstand besorgen. Und das muß funktionieren. Deshalb muß die Politik Sachverstand pflegen. Der Arzt in Hintertupfingen darf grippale Infekte nicht mehr nach dem Wissensstand von 1960 behandeln. Auch er muß nach dem höchsten Stand der Heilbehandlung streben.

Traditionell wird das durch den Berufsstand erreicht. Dazu gehört, daß Ärzte nicht bezahlt, sondern honoriert werden. Warum das zweckmäßig ist, hat der amerikanische Soziologe Talcott Parsons in einem berühmten Aufsatz über die freien Berufe erklärt. Wenn man genau hinschaut, türmen sich vor der Gesundheitspolitik also Berge von Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, daß medizinischer Sachverstand für die Politik fremder Sachverstand ist. Nur zweierlei scheint festzustehen: Man kann die Schwierigkeiten nicht mit der Unterscheidung von privat und staatlich vermindern. Und: Die deutsche Politik hat die Schwierigkeiten sehr gut bewältigt.

Da sich der Verfasser nicht mit solchen Überlegungen belastet, kann er die Bundesärztekammer unbeschwert an den rechtsdogmatischen Kriterien für öffentlich-rechtliche Einrichtungen messen. Sein Ergebnis: Die Bundesärztekammer ist eine staatliche Einrichtung, obwohl sie sich selbst als privaten Verein bezeichnet. Das ist angesichts des Standes der rechtswissenschaftlichen Diskussion, in der sich der Verfasser gut auskennt, eine vertretbare Position. Den Rezensenten hat das Ergebnis auch in rechtsdogmatischer Hinsicht nicht überzeugt, weil er einige Ansätze des Verfassers nicht teilt.

So meint der Verfasser, der Gesetzgeber habe der Bundesärztekammer "Normsetzungsbefugnisse" verliehen, weil er die langjährige Praxis der Kammer, zu allgemeinen ärztlichen Fragen umfangreiche Regelwerke (Richtlinien) zu erlassen, in einigen Fällen ausdrücklich anerkannt habe. Aber die Richtlinien der Kammer sind mit Sicherheit keine Rechtsnormen im modernen Sinne. Denn sie können widerlegt werden. "Die Einhaltung des Standes der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft wird vermutet", heißt es im Gesetz, "wenn die Richtlinien der Bundesärztekammer beachtet worden sind." Der Gesetzgeber behandelt den Inhalt der Richtlinien wie eine Tatsache und damit die Bundesärztekammer wie ein Sachverständigengremium und nicht wie eine Verwaltungsbehörde. Darüber hinaus wäre prinzipieller zu fragen: Können allgemeine ärztliche Regeln über Blinddarmoperationen oder Organtransplantationen denn Rechtsnormen sein, die man so oder anders fassen, also in jeder Richtung ändern kann?

Auch hält der Verfasser die Bundesärztekammer für eine staatliche Einrichtung, weil sie in "alleiniger staatlicher (Aufgaben-)Trägerschaft" stehe. Träger der Bundesärztekammer sind die öffentlich-rechtlichen Landesärztekammern. Hinter denen stehen sechzehn Bundesländer. Ist diese Konstruktion der "alleinige Staat"? Gilt das föderalistische Mit- und Gegeneinander der Länder nicht für den Deutschen Ärztetag, die Mitgliederversammlung der Bundesärztekammer? Erscheinen auf dem Deutschen Ärztetag subalterne Beamte, die nicht mehr wissen als die Vorgaben ihres Ministers, oder selbstbewußte Berufsvertreter? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Hier wird an der Realität vorbeikonstruiert.

GERD ROELLECKE

Andreas Berger: "Die Bundesärztekammer". Eine verfassungsrechtliche Studie zu Status, Organisation und Aufgaben. Nomos Verlag, Baden-Baden 2005. 257 S., br., 56,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gerd Roellecke ist enttäuscht. Über die Hintergründe und die juristische Einordnung des merkwürdigen sowohl öffentlich- als auch privatrechtlichen Status der Bundesärztekammer hätte er in dem Buch von Andreas Berger gern mehr erfahren. Eine Untersuchung der Bedingungen, unter denen ein solches rechtliches Kuriosum entstehen kann, sucht Roellecke hier vergebens. Doch auch die vorgenommene "rechtsdogmatische" Einordnung der Bundesärztekammer als einer staatlichen Einrichtung hat den Rezensenten nicht überzeugt. Die von Berger angelegten Maßstäbe hält er für nicht prinzipiell genug, um der Realität gerecht zu werden. Das an den Tag gelegte Verständnis allgemeiner ärztlicher Verbindlichkeiten als von beliebig auslegbaren Rechtsnormen etwa erscheint ihm fragwürdig.

© Perlentaucher Medien GmbH