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Khaled Khalifa ist ein syrischer Autor, der in Damaskus lebt. Hier spricht eine authentische Stimme aus Syrien. Er zählt zu den bedeutendsten arabischen Autoren und schreibt aus seiner Heimat, nicht aus dem Exil, wie viele seiner Kollegen. Die Bücher von Khaled Khalifa sind in Frankreich, Italien, Amerika und vielen anderen Ländern übersetzt. Dies ist sein erstes Buch auf Deutsch. Eine Reise durch Syrien der besonderen Art: Die drei Geschwister Fâtima, Hussain und Bulbul transportieren in Hussains Minibus ihren in einem Damaszener Krankenhaus verstorbenen Vater. Sein letzter Wunsch war es, in…mehr

Produktbeschreibung
Khaled Khalifa ist ein syrischer Autor, der in Damaskus lebt. Hier spricht eine authentische Stimme aus Syrien. Er zählt zu den bedeutendsten arabischen Autoren und schreibt aus seiner Heimat, nicht aus dem Exil, wie viele seiner Kollegen.
Die Bücher von Khaled Khalifa sind in Frankreich, Italien, Amerika und vielen anderen Ländern übersetzt. Dies ist sein erstes Buch auf Deutsch. Eine Reise durch Syrien der besonderen Art: Die drei Geschwister Fâtima, Hussain und Bulbul transportieren in Hussains Minibus ihren in einem Damaszener Krankenhaus verstorbenen Vater. Sein letzter Wunsch war es, in seinem Heimatdorf bestattet zu werden. Was in früheren Zeiten problemlos zu bewältigen gewesen wäre, wird im Krieg zur fast unlösbaren Aufgabe. Das Land ist durchsetzt von Straßensperren konkurrierender Kampftruppen. Eine Reihe skurriler Hindernisse stehen den Reisenden im Weg: An einem von Islamisten eingerichteten Checkpoint muss eine Religionsprüfung abgelegt werden. Und an einer anderen, von der staatlichen Armee aufgebauten Straßensperre, wird sogar der Leichnam für eine Weile inhaftiert, weil sich der Name des Vaters auf einer Liste gesuchter Personen befindet. Während der umständlichen, langen Autofahrt von Damaskus im Süden bis in das väterliche Heimatdorf nördlich von Aleppo hängen die drei Geschwister ihren Gedanken und Erinnerungen an das Familienleben nach. Mit melancholischer Komik beschreibt Khaled Khalifa den Alltag in Syrien und gibt Einblick in die Struktur einer syrischen Familie. Ein wirklich außergewöhnlicher Road-Trip durch ein zerstörtes Land, ein Buch über Kinder und Väter, über aktuelle Verwüstungen und zeitlose Hoffnungen.
Autorenporträt
Khalifa, KhaledKhaled Khalifa wurde 1964 in Aleppo, Syrien geboren. Er studierte Jura an der Universität Aleppo und war Mitbegründer und Mitherausgeber der Literaturzeitschrift "Alif". Mitglied des zu Beginn der achtziger Jahre gegründeten "Literarischen Forums" an der Universität Aleppo. Er ist Autor von zahlreichen Romanen und Drehbüchern für Kinofilme. Er lebt in Damaskus. Shortlisted für den International Prize for Arabic Fiction, ausgezeichnet mit der Naguib Mahfouz Medal for Literature.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.04.2018

Eine syrische
Beerdigung
Khaled Khalifas neuer Roman
beklagt den Zustand des Landes
Es gibt nur wenige syrische Autoren, die trotz des sieben Jahre andauernden Bürgerkriegs das Land nicht verlassen haben. Neben Niroz Malek, dessen Textsammlung „Der Spaziergänger von Aleppo“ im vergangenen Jahr auf Deutsch erschien, ist einer von ihnen der Damaszener Khaled Khalifa. Der 1964 geborene Essayist, Dichter, Drehbuchautor und Schriftsteller gilt als einer der wichtigsten in Syrien lebenden Kritiker der Diktatur Baschar al-Assads. Khalifas Romane, die zum Großteil nicht in seiner Heimat erscheinen dürfen, wurden wiederholt für den International Prize for Arab Fiction nominiert. Nun erscheint sein erstes Buch auf Deutsch: „Der Tod ist ein mühseliges Geschäft“ .
Im Mittelpunkt des Buches stehen die drei Geschwister Fâtima, Hussain und Bulbul, die den Leichnam ihres verstorbenen Vaters aus Damaskus in seinen Geburtsort in Nordsyrien überführen wollen. Im Minibus des älteren Bruders Hussain machen sie sich auf den Weg, um ihren Vater an der Seite seiner Schwester zu begraben, denn ein einsamer Tod gilt immer noch als größte Schande. Bereits an der Autobahnzufahrt werden sie von Scharfschützen bedroht. Auf der Fahrt durch die Vororte von Damaskus in Richtung Aleppo passieren sie unzählige Kontrollen von Islamisten, Rebellen und Regierungstruppen, bei denen es allein dem Zufall überlassen zu sein scheint, ob und wie man sie unbeschadet übersteht. Ihr Vater hatte als pensionierter Lehrer zuletzt den Friedhof in einem Rebellendorf verwaltet. Den Agenten des Regimes gilt er seither als Terrorist, seiner Familie droht Sippenhaft. An einem Checkpoint winkt man den Leichentransport als „Ware“ durch, am nächsten wird der leblose Körper als Oppositioneller gemeinsam mit seinen Söhnen inhaftiert.
Der Weg von seinem Wohnhaus bis zu seinem Arbeitsplatz habe ihn früher zehn Minuten gekostet, erzählte Khalifa kürzlich in einem Interview. Jetzt benötigt er für die gleiche Strecke bis zu zwei Stunden: Bombardements, militärische Checkpoints, wahllose Kontrollen und Verhaftungen legen das öffentliche Leben in Syrien seit Jahren lahm. Das erleben auch die drei Geschwister aus Khalifas Roman. Was bedeutet schon ein einzelner Toter in einem Krieg, der bis heute eine halbe Million Opfer forderte, in dem die Lebenden erstarrt sind in einer quälenden Todeserwartung? Der Tod ist in Syrien zu einem „mühseligen Geschäft“ geworden, allein weil er keinen Wert mehr hat außer dem der „Erlösung, die den Neid der Lebenden erweckt“. Khaled Khalifas Bericht aus einem Land, in dem der „Mensch ein Packen Dokumente und Unterlagen, kein Wesen aus Leib und Seele“ ist, wirkt weder anklagend noch sentimental, sondern eher nüchtern bis hin zum Sarkasmus. Vier Tage benötigen die Geschwister für die 250 Kilometer ins Heimatdorf des Vaters. Vier Tage, in denen die Verwesung des Leichnams zusehends fortschreitet. Die körperliche Auflösung und den Geruch des Todes spiegelt Khaled Khalifa dabei am Verfall eines ganzen Landes und seiner Zivilisation. In immer wieder eingeflochtenen Rückblenden erzählt Khalifa zugleich von einer Familie, die genau wie ihre Heimat unwiederbringlich zerrissen ist zwischen Tradition und Moderne, zwischen Angststarre und Wut, zwischen dem Glauben an eine demokratische Revolution und der blutrünstigen Realität. Dabei weiß jeder: „Ein Labyrinth ist kein geeigneter Ort, um alte Rechnungen zu begleichen.“
Die drei Geschwister haben sich auf ihre Art mit den Zwängen des Krieges, mit der konservativen Konterrevolution und der Diktatur samt ihren „Faschisten mit den Gewehren“ arrangiert. Fatîma, die einmal Lehrerin werden wollte, hat sich dem Leben als unterdrückte Ehefrau ohne Rechte und ohne Willen gefügt. Hussain wiederrum ist statt Personenschützer für Prominente zum Fahrer russischer Tänzerinnen in Damaskus geworden. Und der frühere Philosophiestudent Bulbul führt ein Schattendasein als Händler von Trockenfrüchten und mustergültiger Bürger unter der Regierungspartei des Assad-Clans. Denn kurz nach dem Aufflammen der syrischen Revolution vor sieben Jahren war Denken bereits zu einem „richtigen Verbrechen geworden, das geahndet wurde“. Khaled Khalifas Figuren sind alles andere als Helden, und genau das macht sie so greifbar.
Er selbst habe keine Angst mehr vor den Kriegsgefechten, selbsternannten Milizen oder Assads Folterkellern, schrieb Khaled Khalifa unlängst in seinem Essay über „Die Letzten eines leeren Landes“. Auch die Flucht komme für ihn nicht infrage, weil er weder sein Leben im Mittelmeer noch seine Identität im Exil verlieren möchte. In seinem Stammcafé in Damaskus schreibt er weiter, erfindet Figuren und erschafft Fantasiewelten in der Erwartung dessen, was die unberechenbare Realität ihm bescheren mag. Dieser Geist des inneren Exils, der stillen Revolution gegen eine menschliche Tragödie, ist in seinem Roman in jeder Zeile präsent. Während der Autor Khalifa als einer der letzten Intellektuellen im Lande ausharrt, sind seine literarischen Figuren dem Krieg längst erlegen.
CORNELIUS WÜLLENKEMPER
Khaled Khalifa: Der Tod ist ein mühseliges Geschäft. Roman, aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich. Rowohlt, Hamburg, 2018, 222 Seiten,
20 Euro
Der körperliche Verfall
spiegelt hier den Kollaps
eines ganzen Landes
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.2018

Reise durch ein Land im Kriegszustand
Khaled Khalifa erzählt in seinem Roman "Der Tod ist ein mühseliges Geschäft" von seiner Heimat Syrien

Khaled Khalifa lebt in Damaskus. Noch immer, muss man sagen, denn ein großer Teil seiner Familie und viele seiner Freunde haben Syrien verlassen. Seine Schwester beispielsweise in einem Boot, mit dem sie das Mittelmeer überquerte. Kurz bevor es ablegte, rief sie ihn an. Sie besteige jetzt dieses Schlauchboot, sagte sie und bat ihn, für ihre drei Kinder zu sorgen, sollte sie die Fahrt nicht überleben. Dann legte sie auf.

Sie habe nicht diskutieren wollen, schrieb Khalifa später in einem Artikel für den "Guardian", in dem er von den vielen Menschen erzählte, die geflohen und auf diese Weise aus seinem Leben verschwunden sind. Vor vier, fünf Jahren waren es so viele, dass sie gemeinsame Abschiedspartys geschmissen haben. Doch für Khalifa selbst, 1964 in Aleppo geboren, kam eine Flucht nie in Frage. Er glaubt, dass Flüchtlinge ihre Identität verlieren, sich aber keine neue aneignen können, weil Identität etwas mit den kleinen Dingen des täglichen Lebens zu tun hat, mit einer Tasse Kaffee am Morgen oder dem Duft des ersten Regens, der im November fällt. Mit Madeleine-Momenten, wie sie nur an bestimmten Orten entstehen können.

Um all das, diese Orte, die Momente und ihre Abwesenheit geht es in seinem neuen Buch. "Der Tod ist ein mühseliges Geschäft" ist vor zwei Jahren in Beirut und nun in der deutschen Übersetzung von Hartmut Fähndrich auch hierzulande erschienen. Es erzählt die Geschichte dreier Geschwister, die sich normalerweise aus dem Weg gehen, aber durch den Tod ihres Vaters zu einer gemeinsamen Reise durch Syrien gezwungen werden: Es war der letzte Wille des Alten, dass er in seinem Heimatdorf Anabîja begraben wird. Anabîja liegt 250 Kilometer nördlich von Damaskus und wäre normalerweise in wenigen Stunden zu erreichen. Doch bekanntlich herrscht Krieg, das Land ist zerstückelt in Einflusssphären verschiedener Mächte und hat sich in ein gefährliches Labyrinth verwandelt, das nicht nur von außen schwer zu durchdringen ist, sondern auch Syrer selbst die Orientierung verlieren lässt. So dauert die Fahrt drei Tage.

Diese drei Tage bilden einen zeitlichen Rahmen, aus dem Khalifa mit Verve immer wieder ausbricht, wenn er etwa seine Hauptfigur Bulbur beim Blick aus dem Fenster des fahrenden Wagens nicht nur das eigene Leben Revue passieren lässt, sondern ihm auch Gedanken über die historischen Hintergründe der gegenwärtigen Katastrophe einflößt. Khalifa schreibt wahrlich keine Jubelprosa. Seine Figuren nennen die Dinge beim Namen, das Regime von Baschar al Assad etwa bezeichnen sie als Diktatur, genauso wie das seines Vaters Hafez al Assad. Vor allem Bulbur, für den die Überführung des väterlichen Leichnams zu einer Art moralischer Reifeprüfung wird, weiß genau, dass er jahrelang in einem Regime lebte, das nur bestehen konnte, weil er sich, wie viele andere, in seinem Schatten duckte. Er weiß, was Korruption ist. Er kennt die Angst.

Seit ein paar Jahren lebt er in einem Stadtviertel am Rand von Damaskus, aber er ist dort nie angekommen. Als Sohn einer Familie, die aus der Gegend um Aleppo stammt, blieb er stets ein Fremder und steht unter besonderem Verdacht, seitdem die Proteste ausgebrochen sind. In Syrien unterliegt jeder einer archaisch anmutenden, erweiterten Sippenhaft. "Hier gilt: Die Akte des Menschen ist wie eine Seite, die auch nach seinem Tod nicht umgeblättert wird. Denn Taten und Eigenschaften wurden an Kinder und Kindeskinder weitergereicht. Alles wird beobachtet, und eine eiserne Wand umschließt jede Person." Hinzu gesellt sich für Bulbur die Furcht vor Denunziation, der er mit einer grotesken Überanpassung entgegentritt. Auf der Straße lächelt er jeden an. Drinnen hängt er ein Bild des Diktators über das Sofa und öffnet stets das Fenster, damit niemand auf die Idee kommt, er könnte etwas verbergen.

Dabei hat er zu seiner Sippe nicht mal ein gutes Verhältnis, ganz im Gegenteil. Aus der Hoffnung, die gemeinsame Fahrt könnte die Geschwister in Gespräche verwickeln, die sie seit Jahren nicht geführt haben, wird nichts. Dabei war alles möglich. Wer mit einer immer erbärmlicher stinkenden Leiche an Dutzenden Checkpoints vorbeikommt, die von wem auch immer, Rebellen, schiitischen Milizen, Regierungstruppen oder Islamisten gehalten werden, der rückt zusammen oder driftet auseinander. Auf dieser nichtpolitischen, sondern sehr persönlichen Ebene des Buches erzählt Khaled Khalifa also von einer Familien, deren Unglück überhaupt nichts Fremdes, vielmehr etwas sehr Vertrautes an sich hat.

Es geht um Lügen und Geheimnisse, Sehnsüchte und Verachtung, Sprachlosigkeit und Scham. All dies steht in krassem Gegensatz zu der Vorstellung von der immerwährenden Verbindung der Blutsbande, die in der von Khalifa skizzierten Gesellschaft vorherrscht. Es ist, als wäre der Einzelne dem Kollektiv längst enteilt. In eine Einsamkeit hinein, die gefangennimmt und beschützt.

Das sind keine guten Nachrichten für die über allem schwebende Frage nach der Identität. Das Land, das Khalifa beschreibt, gehört seinen Kindern nicht mehr, jedenfalls nicht denen, die durch das engmaschige Raster der siegreichen Mächte fallen, und das tun in diesem Buch eigentlich alle. Die Orte sind nicht mehr dieselben, sie rufen keine Erinnerungen hervor, ganz gleich, wie sehr man sich ihnen nähert. Und näher als bei Khaled Khalifa kann man Syrien derzeit kaum kommen.

LENA BOPP

Khaled Khalifa: "Der Tod ist ein mühseliges Geschäft". Roman.

Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich. Rowohlt Verlag, Reinbek 2018. 220 S., geb., 20,- [Euro].

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Eine wort- und bildgewaltige Reise durch ein Land, in das kein Reporter so tief eindringen kann wie dieser Autor. Martin Ebel Tages-Anzeiger