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Blick ins BuchDer 1924 in Mülheim an der Ruhr geborene Otto Beisheim war einer der Pioniere des deutschen Handels und ist besonders als Mitgründer des Cash & Carry-Großhändlers "Metro" bekannt, bei dem er 1964 im Alter von 40 Jahren geschäftsführender Gesellschafter wurde.Über seine Herkunft, seine Jugend im "Dritten Reich", seine Soldatenzeit in der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg, seine Kriegsgefangenschaft und seinen Werdegang in den Jahren des "deutschen Wirtschaftswunders" bis zu seinem Einstieg in die Handelsbranche informiert dieses Werk. Auch Beisheims eigener Umgang mit den Jahren der NS-Diktatur wird thematisiert.…mehr

Produktbeschreibung
Blick ins BuchDer 1924 in Mülheim an der Ruhr geborene Otto Beisheim war einer der Pioniere des deutschen Handels und ist besonders als Mitgründer des Cash & Carry-Großhändlers "Metro" bekannt, bei dem er 1964 im Alter von 40 Jahren geschäftsführender Gesellschafter wurde.Über seine Herkunft, seine Jugend im "Dritten Reich", seine Soldatenzeit in der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg, seine Kriegsgefangenschaft und seinen Werdegang in den Jahren des "deutschen Wirtschaftswunders" bis zu seinem Einstieg in die Handelsbranche informiert dieses Werk. Auch Beisheims eigener Umgang mit den Jahren der NS-Diktatur wird thematisiert.
Autorenporträt
Joachim Scholtyseck ist Professor für die Geschichte der Neuzeit an der Universität Bonn. Er ist Beiratsmitglied der "Forschungsstelle Widerstand gegen den Nationalsozialismus im deutschen Südwesten" der Universität Karlsruhe und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Instituts für Zeitgeschichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.05.2020

Soldatenzeit eines Pioniers
Joachim Scholtyseck über den jungen Otto Beisheim

Wird der Rest seines Handelsimperiums nun auch noch verkauft? Ist es nicht ohnehin schon Stück für Stück filetiert worden? Das dürfte sich Otto Beisheim fragen, wenn er noch leben würde. Den Pionier des deutschen Einzel- und Großhandels und insbesondere Mitgründer des Cash&Carry-Geschäfts Metro hätte die jüngste Meldung von Bloomberg zu seinem alten Arbeitgeber sicherlich mit Sorge erfüllt. Die Nachrichtenagentur hatte Anfang März berichtet, ein amerikanisches Unternehmen habe einen Vorstoß zur Übernahme gestartet. Bislang scheint an der Geschichte nichts dran zu sein, doch Gerüchte dieser Art gibt es immer wieder. Sie werden genährt von der Entwicklung der vergangenen Jahre. Vom weltumspannenden Metro-Reich blieb immer weniger übrig: erst der Verkauf von Kaufhof, dann von Real, parallel Rückzug aus wichtigen Ländern in Europa wie in Asien.

Otto Beisheims Geschäftssinn und Gespür für Innovationen hatte nach dem Urteil seines Biographen Joachim Scholtyseck entscheidenden Anteil am einstigen Erfolg des Metro-Imperiums. Wer aber war dieser Mann? Als Beisheim 2013 hochbetagt starb, konnte man über ihn nur wenig lesen. Wie viele andere führende Kaufleute hatte er sein Privatleben abgeschirmt, Kaum etwas drang an die Öffentlichkeit. Dabei war Beisheim, der wie zahlreiche weitere Handelsunternehmer aus der Kaufmannsstadt Mülheim an der Ruhr stammte, inzwischen zu einem der reichsten Deutschen geworden.

Umso verdienstvoller ist die nun vorliegende biographische Studie. Scholtyseck behandelt in ihr nicht nur sehr einfühlsam, sondern auch überaus anschaulich vor allem die Jahre, in denen Beisheim noch keine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens war: die Kindheit und Jugend in den zwanziger und dreißiger Jahren, die Zeit als Angehöriger der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg und dann seinen unternehmerischen Aufstieg in den Jahren des "Wirtschaftswunders" in der Bundesrepublik.

Man spürt auf jeder Seite der Lektüre, dass Beisheim bei Scholtyseck in guten, da sehr erfahrenen Händen ist. Der Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Bonn hat sich bereits mit zahlreichen Veröffentlichungen zur Unternehmensgeschichte einen Namen gemacht. Nüchtern und sachlich widmet er sich den bislang im doppelten Sinne "dunklen" Kapiteln in Beisheims Werdegang. Möglich wurde dies, da sich die beiden gemeinnützigen Prof. Otto Beisheim Stiftungen mit Sitz in München und im schweizerischen Baar 2017 entschieden, die Frühgeschichte ihres Gründers aufarbeiten zu lassen und - wie inzwischen bei vergleichbaren wissenschaftlichen Vorhaben üblich - dabei zuzusichern, die Ergebnisse der Recherchen ohne inhaltliche Eingriffe zu veröffentlichen.

Kindheit und Jugend von Beisheim verliefen unspektakulär für die damalige Zeit. Seine Familie entstammte dem Eisenbahner- und Arbeitermilieu der Kaufmanns- und Handelsstadt Mülheim. In entsprechend einfachen Verhältnissen wurde Beisheim 1924 geboren. Es folgte ab 1930 der Besuch der Volksschule in seiner Heimatstadt, den er nach acht Jahren mit passablen Ergebnissen beendete. Nach einem "Landjahr" beim Deutschen Jungvolk begann er eine kaufmännische Lehre in einer Lederfabrik - parallel zu seiner Zeit in der Hitler-Jugend. Reichsarbeitsdienst in der Pfalz und Arbeitsdiensteinsatz an der Ostfront folgten 1942.

Bis dahin kann Beisheims Biographie für seinen Jahrgang, als Jugendlicher weitgehend im "Dritten Reich" sozialisiert, als wenig auffallend gelten. Was ihn dann aber doch von vielen Gleichaltrigen seiner Generation unterschied, war sein Eintritt mit 18 Jahren in die Waffen-SS, zu der er sich nach Scholtysecks Urteil mit großer Wahrscheinlichkeit freiwillig gemeldet hatte, nachdem bereits sein älterer Bruder Hans zu Hitlers vermeintlicher "Elitetruppe" gestoßen war.

Beisheim trug in den Kämpfen der SS-Division Leibstandarte Adolf Hitler gegen die Rote Armee in der Schlacht von Kursk 1943 und bei der folgenden sowjetischen Winteroffensive erst eine leichte und dann eine schwere Verwundung davon. Nach mehreren Lazarettaufenthalten hatte er relatives Glück, als sich die Stabsabteilung der SS, in der er ab Winter 1944 östlich von Berlin diente, im März 1945 noch gerade rechtzeitig vor den Russen nach Schleswig-Holstein zurückziehen konnte. Als Beisheim sich bei Kriegsende nach Hause durchschlagen wollte, geriet er schließlich in britische Gefangenschaft.

An Kriegsverbrechen der Waffen-SS war Beisheim nach Scholtysecks Durchsicht der verfügbaren Akten anscheinend nicht beteiligt. Sein Biograph hält es auch für wenig wahrscheinlich, dass in Zukunft noch bislang unbekannte Dokumente auftauchen werden, die hier eine Neubewertung erforderlich machen könnten. Als Artillerist, Kradfahrer und Funker sei er eher in der zweiten Reihe zu finden gewesen.

An militärischen Himmelfahrtskommandos hatte Beisheim nach Scholtysecks Einschätzung kein Interesse, dafür umso mehr an wirtschaftlichem Aufstieg und Karriere nach dem Krieg: Er habe nur noch nach vorn geblickt, sei geradezu besessen gewesen von der Idee, das aufzuholen, was er in den verlorenen Jahren des Nationalsozialismus versäumt hatte. Hier war Beisheim dann wieder ein typischer Vertreter seiner Generation: weitgehende politische Abstinenz, verbunden mit aus seiner Sozialisation stammenden Tugenden wie Autorität, Pünktlichkeit und Ordnungssinn. Im Ergebnis stach Beisheim jedoch bekanntlich heraus - als Mitgründer eines deutschen Handelsimperiums, dessen Rest heute als Übernahmekandidat gilt. Hätte er das geahnt!

THOMAS SPECKMANN.

Joachim Scholtyseck: Otto Beisheim. Jugend, Soldatenzeit und Entwicklung zum Handelspionier. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2020. 248 Seiten, 29,90 Euro.

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