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Viele Jahrzehnte lang definierte sich Deutschland über seine Leistungen in Bildung und Kultur. Nicht zuletzt die PISA-Studie hat jedoch gezeigt, dass dieses gesellschaftliche Fundament erodiert ist. Julian Nida-Rümelin analysiert Ursachen und Folgen dieser einschneidenden Veränderungen und zeigt Wege zu einem erneuerten Humanismus in Bildung, Kunst und Kultur auf. Julian Nida-Rümelin plädiert in seinem Buch für eine Erneuerung kultur- und bildungspolitischer Ideale. Er erinnert an die Tatsache, daß der große Erfolg der Humboldtschen Reformen an den deutschen Universitäten sowie weltweit gerade…mehr

Produktbeschreibung
Viele Jahrzehnte lang definierte sich Deutschland über seine Leistungen in Bildung und Kultur. Nicht zuletzt die PISA-Studie hat jedoch gezeigt, dass dieses gesellschaftliche Fundament erodiert ist. Julian Nida-Rümelin analysiert Ursachen und Folgen dieser einschneidenden Veränderungen und zeigt Wege zu einem erneuerten Humanismus in Bildung, Kunst und Kultur auf.
Julian Nida-Rümelin plädiert in seinem Buch für eine Erneuerung kultur- und bildungspolitischer Ideale. Er erinnert an die Tatsache, daß der große Erfolg der Humboldtschen Reformen an den deutschen Universitäten sowie weltweit gerade darin bestand, daß die vom Mittelalter überkommene Ausbildungsorientierung durch Bildungsorientierung ersetzt wurde. Er warnt vor einer allzu kurzsichtigen Bildungspolitik, die bloß auf die Verwertbarkeit des Wissens setzt, statt freie Persönlichkeit, Urteilskraft und Entscheidungsstärke zu fördern. Aber auch die staatliche Kulturförderung - jahrzehntelang ein Vorzeigeschild der deutschen Gesellschaft - ist auf dem Rückzug. Bildung und Kultur sind jedoch die wichtigsten Standbeine einer auch wirtschaftlich erfolgreichen modernen, liberalen Gesellschaft. Julian Nida-Rümelin fordert eine umfassende Erneuerung der humanistischen Substanz von Bildung und Kultur.
Autorenporträt
Julian Nida-Rümelin studierte Philosophie, Physik, Mathematik und Politikwissenschaft in München und Tübingen, lehrte Philosophie und politische Theorie in München, Minneapolis, Tübingen, Brügge, Göttingen und Berlin (1993-2003 o. Professor für Philosophie an der Universität Göttingen, seit 2004 Ordinarius für politische Theorie und Philosophie an der Universität München) und war Kulturstaatsminister im ersten Kabinett Schröder.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2006

Mein halbwegs gegliedertes Mehrscheibenhaus
Er ist wieder da: Julian Nida-Rümelin hat den Perspektivenwechsel zum Humanismus vollzogen

"Nach fast fünf Jahren Politik in München und Berlin - eine meist ziemlich rastlose Zeit - komme ich jetzt dazu, Luft zu holen, Dinge zu ordnen, auch im Kopf", bekannte Julian Nida-Rümelin, kurz nachdem er im Oktober 2002 vom Amt des Kulturstaatsministers zurückgetreten war. Als die verlorene Ordnung im Kopf sich wiederhergestellt hatte, zeichnete sich vor seinem geistigen Auge eine Perspektive ab, der es nicht um Organisationsformen, sondern um die Erneuerung dessen geht, was man als humanistische Substanz unseres Bildungswesen bezeichnen könnte. Der Beschreibung dieser Perspektive ist das vorliegende Buch gewidmet.

Ein Buch? Sollte man nicht besser sagen: ein einzigartig verschmocktes Dokument der Phrasendrescherei? Soweit es uns der Platz erlaubt, wollen wir Nida-Rümelins gestelzte Platitüdenkost hier selbst zu Wort kommen lassen. Nichts legt den Jargon der Wichtigtuerei besser offen als dessen einfache Paraphrase - eine Paraphrase, die sich einerseits unendlich verlängern ließe (Funk und Fernsehen sollten in diesem Sinne ruhig noch mal ein Tänzchen mit Nida-Rümelin wagen), andererseits, wie der Leser bald merkt, in jedem Absatz ohne Einbußen kürzbar wäre.

Wohlan denn, hören wir einmal hinein in C. H. Becks geschwätzige Abteilung Zeitdiagnose, Aktenzeichen "Humanismus als Leitkultur": Die Politik kann und muß trotz aller unaufgebbaren kulturellen Freiheiten in Kunst und Wissenschaft dazu ihren unverzichtbaren Beitrag leisten. Sie agiert an der Nahtstelle zwischen zwei Systemen, die nach ganz anderen Gesetzmäßigkeiten funktionieren. Hier ist daher eine Vermittlungsleistung, um nicht zu sagen ein Brückenschlag, erforderlich, der die inneren Impulse aus der Kunst und aus der Wissenschaft aufnimmt und in eine Sprache übersetzt, die von einer breiteren Öffentlichkeit und insbesondere den politischen Institutionen verstanden wird. Nida-Rümelin wagte den impulsiven Brückenschlag der Übersetzung und verdeutlicht allen Gutwilligen im Publikum unter Anlehnung an die typische Sprechgrammatik den Perspektivenwechsel weg von dem seelenlosen Ökonomismus hin zum Humanismus als Leitkultur.

Der zu erneuernde Humanismus soll allerdings, wie wir erfahren, nicht mit einer Renaissance verwechselt werden, einer kraftstrotzenden Kultur des aufbrechenden Gewalt- und Machtmenschen, muskelbepackt, rücksichtslos und durchsetzungsstark. Nicht Machiavelli mit seinem brutalen, körperbetonten und machtbetonten Menschenbild darf uns weiter verführen. Wir müssen uns alle in die Nachfolge Petrarcas begeben, um sanft und liebenswürdig zu werden, von benevolentia geprägt und der dignitas morum, von Wohlwollen und sittlicher Würde.

Der wünschenswerte Humanismus darf um Gottes willen nicht auf Sprachkenntnisse eingeengt bleiben. Aber lateinische Worte schmücken ungemein. Schließlich haben uns die alten Römer mit der Humanitas vertraut gemacht und zum studium humanitatis angeregt. Die Humanitas kann man allerdings nicht studieren, man kann aber über die studia humaniora seine Humanität erweitern und verbessern. Doch in einem solchen Einwand äußert sich unhumanistische Pedanterie, die den sanften Gesetzen der interaktiven Kommunikation widerspricht. Denn der neue Humanismus unterrichtet darüber, wie Menschen miteinander umgehen, kooperieren oder Konflikte austragen. Dissense werden verständigungs- und nicht siegorientiert aufgelöst. Dieser Prozeß der Klärung und Lösung erfolgt elenktisch und nicht eristisch. Er setzt Toleranz, Rücksicht und Freude am Anderen voraus.

Und weiter geht's im Text: Wir alle sind kulturbedingte Wesen und tauschen uns aus in einer Kultur des Respekts, in einer Vertrauenskultur und der Kultur der sozialen Eigenverantwortung. Die bedarf freilich einer Kultur der öffentlichen Argumentation, damit das Nebeneinander der vielen authentischen Kulturen - Buchkultur, Konzertkultur, Filmkultur oder Baukultur - zusammen die Kultur der Integration und die Kultur der Zivilgesellschaft ermöglicht. In ihr entwickelt sich der humanistische Individualismus ichstarker Persönlichkeiten. Diese sind Teile eines Netzwerkes der Kooperation, die der Pflichtgefühle und deren Kultivierung bedürfen, weil staatlich sanktionierte Institutionen zu schwach sind, um dies dicht geknüpfte Netz der Kooperation allein zu tragen. Obschon es, so liest man, das Ich vielleicht gar nicht gibt, findet es über das Ethos der Toleranz und des Respekts zu einer Lebensform, die es mit den anderen in ihrer Integrität und Autonomie verbindet. Die vielen sogenannten Ich verständigen sich über einen fiktiven Fairnessvertrag von normativer Relevanz zu einem friedlichen Zusammenleben. "Was Du nicht willst, das man Dir tu'" lautet dann im brückenschlagenden Idiom julianischer Provenienz: Jede Person wünscht sich ein Leben, das über alle Differenzen hinweg durch vertrauenswürdige Zusammenarbeit, wechselseitig erwünschte gemeinsame Projekte, durch Anerkennung der Eigenheiten und Zurückhaltung bei Konflikten geprägt ist.

Die wechselseitige Fairness ermöglicht im Summenklang - ja: Summenklang - der Kulturen eine auf Werten gegründete Zivilgesellschaft. In ihr manifestiert sich der unaufgebbare - ja: unaufgebbare - humanistische Kern. Normalerweise spuckt man Kerne aus, doch hier handelt es sich um ganz besondere Kernobstsachen. Denn der humanistische Kern stellt den Kern der Menschenrechtsidee dar, die ja im Grunde eine Ausbuchstabierung dessen ist, was wir unter Menschenwürde verstehen und was auf der Basis eines theoretischen Humanismus entwickelt werden kann. Die Praxis führt nicht anschließend zur Kernspaltung, sondern realisiert den Humanismus auf einander ergänzenden Ebenen, von der kommunalen aufsteigend zur Bundesebene, über sie hinaus zur europäischen und endlich - plus ultra - noch weiter hinaus auf die globale Ebene. Da Nida-Rümelin längst auf der schiefen Ebene wie die Butter auf der heißen Kartoffel schwimmt, muß es nicht weiter verwundern, daß die Kugel wieder zur Scheibe wird, die Welt zu einem Mehrscheibenhaus, aus dem im besten Fall die Räume jenes Gebäudes wachsen, in dem die Selbstvergewisserung der Menschheit zu Hause ist. Es ist das Gebäude der Neugier in unserem Innern.

Nida-Rümelin geht es darüber hinaus um die Beherrschung der deutschen Sprache in schriftlicher und mündlicher Form, damit jeder seine Gedanken halbwegs verständlich und halbwegs gegliedert vermitteln kann. Das ist ihm als Humanisten ein echtes Anliegen, ja darin möchte er ein Remedium für die Reinkarnation Deutschlands als Wissenschafts- und Kulturnation erkennen. Er fürchtet die eitle Geschwätzigkeit, die meist damit zusammenhängt, nur halbwegs die Gedanken zu gliedern und sie deshalb nur halbwegs vermitteln zu können. Der Philosoph will anderen den Weg weisen, er muß ihn nicht einschlagen. In der Hektik sind Gedankenflucht und sprachlicher Pauperismus unvermeidlich. Menschenfreunde mögen doch bitte so gut sein, über derartige Mängel hinwegzusehen.

EBERHARD STRAUB

Julian Nida-Rümelin: "Humanismus als Leitkultur". Ein Perspektivenwechsel. Verlag C. H. Beck, München 2006. 223 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.06.2006

Das Zwar und das Aber
Rechtmeinende Artikel und Vorträge von Julian Nida-Rümelin
Wo sind wir eigentlich? Wo kommen wir her? Und wohin sollen wir gehen? Waren solche Orientierungsfragen verirrter Wanderer bisher der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit geschuldet, so nötigen dazu jetzt die Probleme von Gegenwart und Zukunft. Die ungelösten und noch wachsenden Spannungen zwischen verschiedenen Kulturen tragen dazu ebenso bei wie die Unsicherheit, ob und wie wir uns, unsere Kinder und Enkel auf eine Zukunft vorbereiten können, von der nur gewiss ist, dass sie ganz ungewiss ist, in ökonomischer und ökologischer Hinsicht wie auch die Form der Gesellschaft und ihre Werte betreffend.
Diesen Fragen stellt sich der Philosoph und Kulturpolitiker Julian Nida-Rümelin, Kulturdezernent der Stadt München von 1998 bis 2000, Kulturstaatsminister der Bundesregierung von 2001 bis 2002, seit seiner frühen Studienzeit auch in der Kommunalpolitik seiner Heimatstadt München engagiert. Das Buch weist keine ganz neuen Wege. Und dies in mehr als einer Hinsicht. Zum einen ist es keine Monografie, sondern eine Sammlung von Beiträgen zu Zeitschriften und Zeitungen, Reden und Vorträgen aus den Jahren 1995 bis 2005. Zum anderen unternimmt das Buch eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Substanz und fordert zur Rückbesinnung auf die Tradition eines Humanismus, wie er einst den Aufbruch in der Renaissance und die Reform von Bildung und Wissenschaft durch Wilhelm von Humboldt inspiriert hat.
„Humanismus” als kulturelle Leitidee soll einerseits für Menschlichkeit, zum anderen für Bildung und die Pflege altbewährter Traditionen sorgen. Was Menschen zu Menschen macht, sind ein reflektiertes Selbstverständnis, Respekt für andere, Toleranz und ein waches Interesse für die Kultur der Vergangenheit und Gegenwart, die Kunst und Wissenschaft in sich vereint. Dadurch soll sich auch die Spaltung zwischen den angeblich unnützen Geisteswissenschaften und den zunehmend auf wirtschaftlichen Nutzen ausgerichteten Natur- und Technikwissenschaften überwinden lassen.
Humboldt hilf!
Die Beiträge sind in drei Themenbereiche zusammengefasst und akzentuieren die Orientierung an humanistischen Vorstellungen in unterschiedlicher Weise: Der erste Teil, „Bildung und Kultur. Grundlagen”, enthält eine Diagnose der gegenwärtigen Situation und erteilt Ratschläge für die weitere Entwicklung der wissenschaftlichen Bildung - insbesondere die Aufgaben und Möglichkeiten der Geisteswissenschaften betreffend. Der zweite Teil, „Kunst und Lebenswelt”, würdigt - auch kritisch - den Beitrag der verschiedenen Kulturbereiche. Die Bedeutung der Popkultur als Kultur kommt hier ebenso zur Sprache wie die Bedeutung von Architektur und Buchkultur. Der dritte Teil, „Perspektiven der Zivilgesellschaft”, widmet sich den Bedingungen einer wertbewussten und toleranten Gesellschaft: Im Zentrum stehen die Integration ausländischer Bürger, Mehrsprachigkeit, Probleme der Globalisierung und der Toleranz für andere Kulturen sowie die Verteidigung der Offenheit der Gesellschaft gegen ihre Feinde.
Hat Nida-Rümelin aber mehr zu bieten als Geld (die Forderung danach und Ratschläge, wie man es segenbringend anwendet) und gute Worte (an alle)? Die Werte, die er immer wieder beschwört, sind wenig kontrovers. Den Appell an das Wertesystem, an Freiheit, Toleranz, Respekt und die Achtung der Menschenwürde kann man beispielsweise auch in der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vom 30. November letzten Jahres finden. Was man an Sonntagsreden moniert, ist nicht mangelnde Substanz, sondern die Verbindung zum Alltag. Das Niveau der konstruktiven Vorschläge, die in den verschiedenen - meist sehr kurzen - Aufsätzen enthalten sind, ist unterschiedlich, da sie sich an verschiedene Adressaten richten.
Angesichts ihres „Zwar-aber”-Tenors dürfte der Autor mit vielem offene Türen einrennen. Wer hält die Bildung in Schule und Universität nicht einer neuen Orientierung für bedürftig? Wer wird sich nicht der Forderung nach einer Erneuerung human-humanistischer Werte anschließen, statt Schulen und Universitäten in immer neuen Hauruck-Verfahren einer falsch verstandenen Ökonomisierung und Technokratisierung auszuliefern? Manche Behauptungen jedoch dürften bei Fachleuten eher Verwunderung auslösen. So sollen die Universitäten des Mittelalters und der frühen Neuzeit nicht wissenschafts-, sondern berufsorientiert gewesen sein - im Unterschied zur humboldtschen Konzeption, die das Verhältnis umgekehrt habe. Hat es nicht allzeit beides gegeben? Und waren die Humanisten der Renaissance, die sich unter Rückgriff auf die Antike gegen die Scholastik und die kirchlichen Institutionen zu behaupten suchten, wirklich human in dem von Nida-Rümelin anvisierten Sinn?
Dass die Geisteswissenschaften keine Enklave sind, kein Luxus, der nur wenigen zugute kommt, vertritt Nida-Rümelin mit Nachdruck und aus guten Gründen. Eine solide Bildung ist die unverzichtbare Basis jeder wissenschaftlichen Ausbildung, gerade in einer hochtechnisierten Welt, in der nicht nur technisches Können, sondern auch sprachliche Artikulation und Reflexionsfähigkeit gefragt sind. Ob aber die Ganztagsschule dazu beitragen wird, mehr Solidarität und einen Konsens über Grundwerte zu schaffen? Ist das auf kleine Zahlen ausgerichtete Humboldtsche Universitätsmodell angesichts von Studienabbruchquoten bis zu 90 Prozent noch zu verteidigen?
Und wie verträgt sich die letztgenannte Tatsache mit der optimistischen Einschätzung, Deutschland sei „Weltmeister in Studienabschlüssen”? Kurzaufenthalte in den USA schützen nicht vor Fehleinschätzungen des amerikanischen Studienmodells und seiner Erfolgschancen. Die Mär, wonach die gymnasiale Oberstufe dasselbe wie der amerikanische Bachelor leistet, wird durch Wiederholung nicht wahrer. Auch die Warnung vor der Verschulung und curricularer Normierung wäre besser unterblieben. Eine bessere Strukturierung und Kontrolle des Studiums, an amerikanischen Universitäten seit Jahrzehnten bürokratiearm durchgeführt, wäre dringend gegen die bei uns drohende Überbürokratisierung des modulgeplagten Bachelor-Modells zu empfehlen.
Aufschlussreich ist besonders das abschließende Interview mit Ulf Poschardt. Es zeigt, wie die Spannung zwischen Politik und seinem Fachgebiet - politischer Philosophie und Ethik - Nida-Rümelin zu vielfältigem Engagement in Kultur, Politik und Wissenschaft angespornt hat: Bedarf eine Philosophie, die sich ernst nimmt, der Bewährung in der Praxis, so muss sich die Politik der rationalen Überprüfung stellen. Nida-Rümelin schildert in schöner Offenheit den Zwiespalt eines Funktionsträgers, der von den „Profis” unter den Politikern allen schönen Worten zum Trotz eher als Störfaktor denn als Verwalter der pflegebedürftigen Basis der Gesellschaft betrachtet wird, von den Vertretern von Kunst und Wissenschaft wiederum zwar als Geldgeber geschätzt, aber sorgsam auf Distanz gehalten wird. Der Rückblick auf viele Jahre intensiven Engagements zeugt nicht von Enttäuschung oder Verbitterung, sondern von Offenheit und Gesprächsbereitschaft. Bildung ist zwar für Nida-Rümelin angeblich das, was bleibt, wenn man alles vergessen hat. Sein Rückblick zeugt davon, dass damit nur das Minimum gemeint sein kann - eine Kultur der Vergesslichkeit und des Vergessens hat er nicht im Sinn.
DOROTHEA FREDE
JULIAN NIDA-RÜMELIN: Humanismus als Leitkultur. Ein Perspektivenwechsel. Herausgegeben von Elif Özmen. Verlag C. H. Beck, München 2006. 224 Seiten, 22,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Offensichtlich unerfreulich findet Eberhard Straub die Überlegungen zu "Humanismus als Leitkultur", die der Philosophieprofessor und ehemalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin anstellt. Er mag das Buch nicht mal als "Buch" im eigentlichen Sinn durchgehen lassen. Vielmehr erscheinen ihm Nida-Rümelins Ausführungen über eine Wiederbelebung der humanistischen Ideale in dem hiesigen Bildungswesen als "einzigartig verschmocktes Dokument der Phrasendrescherei". Nur in einigen Zeilen setzt sich Straub direkt mit Autor und Werk auseinander, der größte Teil der Rezension besteht aus einer Paraphrase des Inhalts mit glossierenden Einsprengseln. Gegen Ende wird Straub noch einmal deutlicher und wirft Nida-Rümelin "Gedankenflucht" und "sprachlichen Pauperismus" vor.

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