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Kolumbien 1948: Der liberale Politiker Jorge Eliécer Gaitán wird in Bogotá auf offener Straße ermordet. Sein Tod stürzt Kolumbien in die tiefste Krise seiner Geschichte. Jahrzehnte später wird ein Mann verhaftet, als er versucht, den Anzug Gaitáns aus einem Museum zu stehlen. Überzeugt von einer Verschwörung und besessen von der Suche nach der Wahrheit hinter der Ermordung Gaitáns bedrängt er auch den Schriftsteller Juan Gabriel Vásquez. Hängt das Attentat auf Gaitán mit dem auf John F. Kennedy zusammen? Und welche Verbindung gibt es zu den Attentaten auf Erzherzog Ferdinand in Sarajevo und…mehr

Produktbeschreibung
Kolumbien 1948: Der liberale Politiker Jorge Eliécer Gaitán wird in Bogotá auf offener Straße ermordet. Sein Tod stürzt Kolumbien in die tiefste Krise seiner Geschichte. Jahrzehnte später wird ein Mann verhaftet, als er versucht, den Anzug Gaitáns aus einem Museum zu stehlen. Überzeugt von einer Verschwörung und besessen von der Suche nach der Wahrheit hinter der Ermordung Gaitáns bedrängt er auch den Schriftsteller Juan Gabriel Vásquez. Hängt das Attentat auf Gaitán mit dem auf John F. Kennedy zusammen? Und welche Verbindung gibt es zu den Attentaten auf Erzherzog Ferdinand in Sarajevo und Rafael Uribe Uribe in Kolumbien?»Die Gestalt der Ruinen« deckt ein komplexes Geflecht von Anhängern und Gegnern der Demokratie auf und fragt nach dem Spielraum der Literatur zwischen Investigation und Skepsis. In seinem schonungslosen Roman verknüpft Juan Gabriel Vásquez die leidenschaftliche Erforschung all dessen, was unsere Freiheit gefährdet, mit klugen autobiografischen Reflexionen: Geschichte und Politik spiegeln sich im eigenen Leben und Schreiben.
Autorenporträt
Juan Gabriel Vásquez, geboren 1973 in Kolumbien, ist einer der wichtigsten lateinamerikanischen Schriftsteller der Gegenwart. »Die Informanten« machten international Furore. Für seinen Roman »Das Geräusch der Dinge beim Fallen« wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Alfaguara-Preis und dem IMPAC Award. Auch sein neuer Roman »Die Gestalt der Ruinen« wurde von der Kritik gefeiert. Juan Gabriel Vásquez lebt mit seiner Familie in Bogotá. Susanne Lange, geboren 1964, lebt in Berlin. Für ihre Übersetzungen aus dem Spanischen erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Johann-Heinrich-Voß-Preis (2009) für ihre Neuübersetzung des »Don Quijote«. 2010/2011 war sie August-Wilhelm-von-Schlegel-Gastprofessorin für Poetik der Übersetzung. Zu den von ihr übersetzten Autoren gehören u.a. Fernando del Paso, Federico García Lorca, Octavio Paz, Carmen Laforet, Juan Rulfo und Javier Marías.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2018

Marionetten finsterer Mächte

Juan Gabriel Vásquez erforscht in seinem Roman "Die Gestalt der Ruinen" die Gewaltgeschichte seines Heimatlandes Kolumbien.

Von Paul Ingendaay

Nur acht Jahre liegen zwischen dem deutschen Debüt von Juan Gabriel Vásquez, "Die Informanten" (F.A.Z. vom 17. März 2010), und diesem - seinem fünften - Roman im Schöffling Verlag. In dieser Zeit ist aus einem vielversprechenden kolumbianischen Schriftsteller der neue literarische Star Lateinamerikas geworden. Das hat sich vor allem unter seinen begeisterten deutschen Rezensenten herumgesprochen und noch nicht in Verkaufszahlen übersetzt, doch das wird früher oder später kommen.

Denn die Signale aus der spanischsprachigen Welt sind untrüglich. Nicht nur, dass der 1973 in Bogotá geborene Vásquez für nahezu jedes Buch Auszeichnungen erhalten hat - darunter den märchenhaft dotierten Impac-Preis - und bei Alfaguara, einem der mächtigen Madrider Konzernverlage, veröffentlicht, was ihm flächendeckende Berichterstattung in der Konzernzeitung "El País" garantiert. Er ist auch gut - richtig gut. Er ist außerordentlich sympathisch, wenn man den Berichten trauen darf, dazu aufgeschlossen, urban, gebildet, fleißig, vielseitig, er ist mehrsprachig, was man von den meisten seiner Kollegen nicht behaupten kann, er lässt sich prima fotografieren, er ist herumgekommen in Lateinamerika, den Vereinigten Staaten und Europa, hat überall Freunde und Fürsprecher, von Jonathan Franzen über Colm Tóibín bis Mario Vargas Llosa, und er ist das, was sich der internationale Literaturbetrieb bauen würde, wenn es eine Bastelanleitung dafür gäbe: der ideale Autordarsteller. Denn Juan Gabriel Vásquez hat eine Mission. Er ist angetreten, den Roman als wichtigste Kunstform demokratischer Gesellschaften zu verteidigen, auch gegen den antiaufklärerischen Blödsinn im Netz, und ihm durch die eigenen Bücher wieder Gewicht zu geben.

Sein neuester Roman, "Die Gestalt der Ruinen", zeigt das in exemplarischer Weise. Die Handlung der gut fünfhundert Seiten dreht sich um den Fluch der kolumbianischen Geschichte im zwanzigsten Jahrhundert, nämlich die politische Gewalt, konkret, das Attentat. Zweimal in diesem Jahrhundert wurden charismatische Politiker der Liberalen, welche die Hoffnung auf gesellschaftlichen Fortschritt verkörperten, auf offener Straße getötet: 1914 General Uribe Uribe (übrigens das Vorbild für Oberst Aureliano Buendía in García Márquez' Roman "Hundert Jahre Einsamkeit") und 1948 der Liberale Jorge Eliécer Gaitán. Nach dem Mord an Gaitán kam es zu Plünderungen, Schießereien, Polizeigewalt und Chaos, die als "Bogotazo" bekannt wurden und dreitausend Tote zurückließen. Ein traumatisches Ereignis.

Man tut diesem Buch kein Unrecht, wenn man sagt, dass es darin vor allem um diese beiden Morde, ihre Vor- und Nachgeschichte geht, und zwar durch das Sammeln von Indizien und Sichten der Spuren, Zeugnisse und Beweise. Durch Ortsbegehungen, Lektüre der Gerichtsprotokolle, postume Zeugenbefragung und Ballistik. Durch forensische (also nicht immer appetitliche) Blicke auf die zertrümmerte Schädeldecke Uribes und den durchschossenen Rückenwirbel Gaitáns. Dann durch Fotos. Durch Rekonstruktion und Beschwörung und nicht müde werdendes, nicht enden wollendes Grübeln und Besprechen und Bedenken und Erforschen. Kurz, die Hauptfiguren dieses Romans teilen nicht nur einen gewissen paranoiden Zug, sie sind Opfer einer Obsession.

Was sie umtreibt, ist die Frage aller Fragen, es ist die Kennedy-Frage, die auch heute noch Bücher, Filme und jede Menge Verschwörungstheorien hervorbringt: ob die Täter allein gehandelt haben oder ob sie nicht doch eher Marionetten finsterer Mächte waren, die ihrerseits nach der Tat wieder ins Dunkel zurückwichen wie jener elegant gekleidete Herr, der an beiden Tatorten in Bogotá, 1914 wie 1948, von auffällig vielen Menschen gesehen worden sein soll. Aber als was? Als Beobachter? Als Einflüsterer? Als Anstifter und Mastermind?

Ach, es lässt sich heute einfach nicht mehr entscheiden. Weshalb man die Paranoia hätte lebendig machen müssen, statt sie nur zu dokumentieren, und darin offenbart der so leidenschaftlich denkende und schreibende Vázquez seine Schwäche: Er hat sein Material nicht ausreichend gefiltert, er überflutet uns mit immer neuen Namen und lässt sich von den Gerichtsakten erdrücken, und deshalb könnte es ihm auch entgangen sein, dass sein Roman im Lauf seiner nicht ganz kurzen Strecke den Fokus verliert.

Das liegt nicht nur am Material selbst, das er wohl besser straffer präsentiert hätte; das liegt auch an seinem singenden, sahnigen Stil, den Susanne Lange wieder einmal in prächtiges Deutsch übersetzt hat - eine an Javier Marías geschulte Leichtigkeit des weltläufigen Erzählens, in welchem neben der baren Handlung auch noch psychologische Beobachtungen und philosophische Reflexionen Platz finden. Hier und da leider zu viele. Die Figuren - ein älterer Arzt, der besagtes Wirbelsäulenstück von Gaitán aufbewahrt, sowie ein Privatgelehrter, der dem tragischen Tod seines Vaters nachspürt - werden dadurch zu Vehikeln, zum Vorwand, zu kleinen Disputiermaschinen, und es scheint wirklich, als sei sich Vázquez dieser Bedrohung durch das Papierne nicht bewusst gewesen. Jetzt ist dieses Buch geschrieben, eine weitere Episode in der unfassbaren Gewaltgeschichte seines Landes, und demnächst wird ein neues kommen.

Die markanteste Figur in der Gegenwart dieser Recherche ist der Autor selbst. Juan Gabriel Vásquez tritt im Roman mit eigenem Namen und der eigenen Existenz auf, erzählt von seinen Büchern und Lektüren, seinen Reisen und Privatumständen, darunter etwa seinem langen Aufenthalt in Barcelona nach der Jahrtausendwende oder der komplizierten Geburt seiner Zwillingstöchter. Das ist ein feiner Kunstgriff, aber nur, weil er bei diesem Autor tatsächlich aufgeht: Vásquez darf das, es handelt sich nicht um Eitelkeit, sondern um das Überschwappen der Fiktion in alle Lebensbereiche, so dass auch das Leben in die Fiktion zurückschwappen darf, und vermutlich werden wir das bei diesem Vollblutschriftsteller nicht zum letzten Mal gesehen haben. "Ich blicke mit Fragen in die Welt und schreibe Romane, weil ich Dinge nicht weiß", hat Vásquez einmal gesagt. Das wird ihn auch in Zukunft antreiben, Romane als Mittel der Welterkenntnis zu nutzen.

Juan Gabriel Vásquez: "Die Gestalt der Ruinen". Roman.

Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2018. 528 S., geb., 26,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.12.2018

Die Abgründe der Carrera Séptima
In seinem neuen Roman „Die Gestalt der Ruinen“ erzählt der kolumbianische Autor Juan Gabriel Vásquez
von zwei politischen Morden, die sein Land im zwanzigsten Jahrhundert geprägt haben
VON RALPH HAMMERTHALER
Als Jorge Eliécer Gaitán am 9. April 1948 seine Kanzlei in Bogotá verließ und auf den Boulevard der Carrera Séptima trat, wurden, kaum dass er ein paar Schritte gegangen war, vier Schüsse auf ihn abgefeuert. Tödlich getroffen stürzte er nieder. Kurz darauf wurde der Täter von der Polizei geschnappt und in einer Apotheke in Sicherheit gebracht – vor dem aufflammenden Volkszorn. Aber es half nichts. Sie lynchten den Täter. Sie zerrten ihn auf die Straße, trampelten auf ihm herum und schlugen auf ihn ein mit allem, was da war, auch mit den Kisten der Schuhputzer. Dann zogen sie den Toten aus und schleiften ihn vor den Palast des Präsidenten, um ihren Abscheu zu bekunden.
Mit Gaitán starb die Hoffnung des einfachen Volkes, der Erniedrigten und Beleidigten in einem zerrütteten Kolumbien. Woche für Woche waren sie ins Theater gepilgert, um am Freitag seine Reden zu hören. Die übrigen hockten zu Hause vorm Radio. Gaitán hatte alle Chancen gehabt, der nächste Präsidentschaftskandidat der Liberalen zu werden. Und die Herrschaft der Konservativen zu brechen. Während Frauen auf der Séptima ihre Taschentücher noch in sein Blut tunkten, witterten viele bereits eine politische Verschwörung und fragten nach den Hintermännern. In den Tagen nach dem Attentat herrschte Chaos in Bogotá, Gewalt und Tod. Geschäfte wurden geplündert und gingen in Flammen auf. Städtische Polizisten liefen zu den Liberalen über, sodass die konservative Regierung nach Einheiten aus der Provinz verlangte. Rund achttausend Menschen verloren ihr Leben. Diese Tage waren der Auftakt zu einem zehn Jahre währenden Bürgerkrieg zwischen Konservativen und Liberalen, die Zeit der Violencia. Und es wäre nicht verkehrt, auch den jahrzehntelangen Guerillakampf in dieser Linie zu sehen. Erst vor zwei Jahren wurde ein Friedensvertrag zwischen Staat und Guerilla unterzeichnet und mit dem Friedensnobelpreis bedacht.
Einleuchtend bringt Juan Gabriel Vásquez in seinem Roman „Die Gestalt der Ruinen“ das Attentat auf Gaitán mit dem Attentat auf John F. Kennedy zusammen. Da wie dort sprachen sie offiziell von einem Einzeltäter; da wie dort wurden Zweifel laut; da wie dort häuften sich Spekulationen über eine politische Verschwörung. In den Thrillerszenen des Romans fühlt man sich wie im Kino, sagen wir, bei „JFK“ von Oliver Stone.
Was die Verschwörungstheorie betrifft, so hat auch Gabriel García Márquez dazu beigetragen. In dem stärksten Kapitel seiner Memoiren „Leben, um davon zu erzählen“ bezieht er sich auf den 9. April 1948. Damals lebte er als Jurastudent in Bogotá und wurde Augenzeuge wenn schon nicht des Attentats, so doch des darauffolgenden Lynchmordes und der Chaostage: „Fünfzig Jahre später ist meine Erinnerung immer noch auf das Bild eines Mannes fixiert, der die Menge vor der Apotheke aufputschte und dem ich in keinem der unzähligen Zeugnisse, die ich über diesen Tag gelesen habe, begegnet bin. Ich hatte ihn ganz aus der Nähe gesehen, in seinem edlen Anzug, der alabasterfarbenen Haut und seinem genau kontrollierten Auftreten. Er hatte meine Aufmerksamkeit so sehr gefesselt, dass ich ihn nicht aus den Augen ließ, bis man ihn, kaum war die Leiche des Mörders weggeschleift worden, in einem neuen Automobil abholte.“ Diese Beobachtung lässt Vásquez gekonnt in seinen Roman einfließen.
Eine Figur, die fast irre wird an der Vorstellung einer Verschwörung, heißt Carlos Carballo. Er will Juan Gabriel Vásquez, der als er selbst im Roman auftritt, dazu bringen, die andere Geschichte des 9. April 1948 zu erzählen, die mit Macht unterdrückte, die verschwiegene. Aber Vásquez, durch und durch argwöhnisch gegenüber Wahnideen, die jedes stichhaltigen Beweises entbehren, lässt sich erst gar nicht, dann nur mit langem Zögern darauf ein. Es wirkt herrlich vertrackt, dass hier eine Wahnidee in die Nachbarschaft der intellektuellen Skepsis rückt. Wer will sich schon etwas vormachen lassen? Und überhaupt, was lässt sich mit Sicherheit sagen? Offen gestanden: nichts.
Vásquez zählt zu jenen Autoren, die es nicht für nötig halten, ihren Büchern ein literarisches Ich einzuschreiben. Denn sie haben ja ein tatsächliches Ich, das es genauso gut tut und eine diffuse Eitelkeit bedient. Schnell fallen einem die Namen von Javier Cercas oder Emmanuel Carrère dazu ein. Alle drei sind große Erzähler und große Stilisten, und sie hätten das ganze Getue ums Ich gar nicht nötig, mit dem sie ihre Romane streckenweise ins banal Journalistische ziehen. Im Anhang bedankt sich Vásquez bei Cercas, ohne zu sagen, wofür, und Cercas wiederum bringt es fertig, mitten in einem seiner Romane einen Roman Carrères als Meisterwerk zu preisen.
Dieses Ich-Kartell trägt Züge einer modischen Attitüde. Gewonnen ist damit nichts. Der 1973 in Bogotá geborene Vásquez, immerhin, blickt schon auf ein Leben zurück, das verdächtig nach einem Roman klingt. In jungen Jahren erlebte er den Bombenterror, mit dem der Drogenboss Pablo Escobar in den 1990er-Jahren die kolumbianischen Städte heimsuchte. Einmal kam er nur knapp mit dem Leben davon. Dann floh er für lange Jahre nach Spanien, ließ sich in Barcelona nieder. Heute lebt er mit seiner Familie wieder in Bogotá. International bekannt wurde er mit seinem Roman „Die Informanten“ (2004, dt. 2010), der eine abgründige Vater-Sohn-Beziehung mit der Geschichte jüdischer Flüchtlinge aus Deutschland verbindet, die in Kolumbien auf Landsleute treffen, die den NS-Staat bewundern.
In der Mitte des neuen Romans werden einem zweiten politischen Mord neben dem an Gaitán viele Seiten eingeräumt, geschehen im Jahr 1914, auch damals war das Opfer ein großer liberaler Politiker des Landes, nämlich Rafael Uribe Uribe, auch damals war die Carrera Séptima der Schauplatz der Tat, auch damals gab es eine Unmenge von Spekulationen über mögliche Hintermänner, elegante Herren aus konservativen Kreisen, die, Zeugenaussagen zufolge, mit den Tätern kurz vor dem Mord gesehen worden sind.
Verübt hatten diesen Anschlag zwei Handwerker, mit Äxten, die sie unter dem Poncho hervorzogen, also archaisch brutal. Ein junger Anwalt setzte alles daran, die Hintergründe aufzudecken. Doch vor Gericht scheiterte er kläglich, weil er nicht imstande war, Namen zu nennen. Kurz zuvor hatte er seine Thesen über die Verschwörung in einem Buch herausgebracht. Es hieß „Quienes son?“ Wer sind sie? Das ist die Frage.
Vásquez erzählt die Uribe-Uribe-Episode erst ohne Ich-Vásquez, um sich später, nicht ganz konsequent, dann doch einzumischen, durch ein Gespräch mit Carlos Carballo, der hinter allem eine Verschwörung vermutet. Carballo fordert ihn auf, „Quienes son?“ zu lesen, in der Hoffnung, ihn dadurch für ein Buch über Gaitán zu gewinnen, das derselben Frage nachgeht. Wer sind sie? Zu offensichtlich seien die Parallelen. Auf den Wegen der Alltagskriminellen hat sich Carballo die Reliquien zu beiden Fällen verschafft, einen konservierten Wirbel von Gaitán, mit Einschussloch, und die von einer Axt gespaltene Schädeldecke von Uribe Uribe.
Damit habe alles angefangen, hat Vásquez in einem Interview verraten. In Bogotá legte ihm ein Chirurg diese Reliquien vor, Zeugnisse von Attentaten, die so viel Unheil über das Land gebracht hatten.
Zu den Verschwörungstheorien
um den Gaitán-Mord hat Gabriel
García Márquez beigetragen
Juan Gabriel Vásquez gehört
zu einem Zitierkartell von
Autoren, die mit dem „Ich“ spielen
Ein junger Anwalt will den Mord
an Rafael Uribe Uribe aufklären –
und scheitert damit
Gedenkplaketten für den ermordeten liberalen Politiker Jorge Eliécer Gaitán in Bogotá. Das Attentat, das Kolumbien erschütterte, vergleicht Juan Gabriel Vásquez mit dem auf John F. Kennedy in den Vereinigten Staaten.
Foto: mauritius images
Juan Gabriel Vásquez: Die Gestalt der Ruinen. Roman. Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2018. 528 Seiten, 26 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Ralph Hammerthaler taucht tief ein in kolumbianische Geschichte mit dem neuen Roman von Juan Gabriel Vasquez. Er erzählt von dem Attentat auf Jorge Eliecer Gaitan im Jahre 1948, der vermutlich der nächste liberale Präsidentschaftskandidat geworden wäre und dessen Tod nicht nur einen zehnjährigen Bürgerkrieg zwischen Liberalen und Konservativen zur Folge hatte, sondern auch immer wieder zum Thema einer politischen Verschwörungstheorie wurde. Wie Vasquez den Mord an Gaitan mit dem Mord an Rafael Uribe Uribe und der Ermordung John F. Kennedys zusammenbringt und dabei mit Thrillerelementen anreichert, gefällt dem Kritiker gut. Darauf, dass der Autor ähnlich wie Javier Cercas oder Emmanuel Carrere viel "Getue" um sein Ich einfließen lässt, hätte Hammerthaler allerdings verzichten können.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Ein lateinamerikanisches Jahrhundertwerk, ein großartiger Roman, ohne Zweifel der beste von Juan Gabriel Vásquez.« New York Times »Dieser Roman ist ungeheuer vielschichtig, präzise und poetisch geschrieben, und er endet mit einer klugen Wendung und überraschender Wucht.« El Espectador »Vásquez macht uns in beeindruckender Weise zu Komplizen seiner Detektivarbeit und beschwört das unausweichliche Vermächtnis von Schuld, Zweifel und Angst.« El País »Ein Werk, in dem alles auf vollkommene Weise harmoniert und ineinandergreift: Die Nachforschungen in Dokumenten und Fotografien, die Autobiografie des Autors als Gegenpart zur Geschichte einer Nation. Absolut hypnotisierend, eine Demonstration fesselnder, geschickter und intelligenter Erzählweise, die Verschwörungstheorien eine ganz neue Dimension verleiht.« El Cultural »Mit Juan Gabriel Vásquez hat die lateinamerikanische Literatur eine neue, ungewöhnliche Stimme gewonnen.« Paul Ingendaay, Frankfurter Allgemeine Zeitung »'Die Gestalt der Ruinen' ist voller Anspielungen auf Shakespeare, García Márquez und Borges. Ein Roman auf der Suche nach der Wahrheit darüber, wer wir sind.« ABC Cultural »Der kolumbianische Autor beschwört in 'Die Gestalt der Ruinen' seine Dämonen und die seines Landes und setzt der Gewalt und dem Drogenkrieg die Macht der Literatur entgegen.« El Norte de Castilla