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20 Jahre nach seinem aufsehenerregenden Essay »Anschwellender Bocksgesang« knüpft Botho Strauß an dessen radikale Zeitgeistkritik an. Im Zentrum des neuen Buches stehen die Fragen: Kann die flexibilisierte und durchinformierte Existenz wieder Boden und Mitte gewinnen? Was kann dem Überfluss ein Ufer sein?
»Das Beste, was man tun kann: im Atem, in der Umwälzung, im steten Wandel der Werke zu leben. Ihre Höhe immer aufs Neue zu ermessen, sich zu berauschen an der Wirkung gewisser Gipfelstürmereien. Alles Übrige ist Fusel, gemischt aus billigem Schein, aus ebenso unverbindlichen wie
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Produktbeschreibung
20 Jahre nach seinem aufsehenerregenden Essay »Anschwellender Bocksgesang« knüpft Botho Strauß an dessen radikale Zeitgeistkritik an. Im Zentrum des neuen Buches stehen die Fragen: Kann die flexibilisierte und durchinformierte Existenz wieder Boden und Mitte gewinnen? Was kann dem Überfluss ein Ufer sein?

»Das Beste, was man tun kann: im Atem, in der Umwälzung, im steten Wandel der Werke zu leben. Ihre Höhe immer aufs Neue zu ermessen, sich zu berauschen an der Wirkung gewisser Gipfelstürmereien. Alles Übrige ist Fusel, gemischt aus billigem Schein, aus ebenso unverbindlichen wie unwahrscheinlichen Realien. Etwas, das man getrost den Obdachlosen der Globalität, den Vagabunden der Netze überlassen darf.«

Autorenporträt
Botho Strauß, geboren 1944 in Naumburg/Saale, zählt zu den bedeutendsten Dramatikern und Essayisten unserer Zeit. Sein Werk wurde mit vielen Preisen gewürdigt, darunter auch mit dem Büchner-Preis. Er lebt in der Uckermark und in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Gern hätte sich Rezensent Jochen Schimmang seinen Kollegen angeschlossen und sich über Botho Strauß' neues Buch "Lichter des Toren" einfach geärgert. Doch er konnte nicht. Kaum hatte Schimmang seine anti-elitäre Haltung beiseite gelegt, entdeckte in diesem Buch so viele Schönheiten, Erkenntnisse und vor allem bestechende Bilder und Sätze, dass er kaum aufhören kann, jene ganz fasziniert zu zitieren. Und so liest Schimmang in diesem Werk über unser Gefangensein im Netz und den daraus resultierenden bewussten Fluchtversuch in die Idiotie zwar durchaus kulturkritische Passagen, die er von Strauß auch schon einmal besser formuliert gelesen hat, lobt aber zugleich den Verzicht des fast siebzigjährigen Autors auf Eifer, Zorn und verdammende Urteile. Schließlich kann Schimmang nur eine dringende Empfehlung für dieses differenzierte, erkenntnisreiche und nicht zuletzt kunstvolle Buch aussprechen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.08.2013

Je klüger,
desto dümmer
An diesem Mittwoch erscheint das neue Buch von
Botho Strauß – es steckt eine Komödie darin
VON LOTHAR MÜLLER
Manche Bücher sind nur die Stellvertreter der Bücher, die sie gerne wären. Man merkt ihnen an, dass sie unfroh sind mit sich selbst. Ein solches Buch ist der neue Essayband von Botho Strauß. Vielleicht hat der Autor deshalb die Flucht nach vorn gesucht und vor einigen Wochen Auszüge aus dem Buch zu einem Spiegel -Essay montiert, der unter dem Titel „Der Plurimi-Faktor“ erschien, ein rasch abschwellendes Rauschen im Blätterwald nach sich zog und keine gute Idee war. Denn zum einen zwingt „Der Plurimi-Faktor“ ein forciert unbekanntes Fremdwort in eine Titelkonvention, die nach Bestseller-Liste klingt. Und zum anderen lenkt dieser Titel die Aufmerksamkeit just auf jene Seiten des Buches, in denen es weit unter seinen Möglichkeiten bleibt.
  An diesem Mittwoch nun erscheint dieses Buch. Es heißt „Lichter des Toren. Der Idiot und seine Zeit“ und enthält in seinem Untertitel den Anspruch, an dem es gemessen werden will: die Zeit, unsere Zeit, die Gegenwart in einem Typus zu spiegeln. Diesem Anspruch kommt aber andauernd die Plurimi-Suada in die Quere: die Klage über die kulturelle Herrschaft der Vielen („Plurimi“), über den intellektuellen Götzendienst vor dem Populären, über die Herrschaft der Quote und ihre Konsequenz, „die stete Anpassung nach unten“.
  Nicht, dass Klagen wie diese gegenstandslos wären. Aber sie leiden an ihrer Abstraktheit: „Seid umschlungen, Millionen, hielt man die längste Zeit für eine gewagte poetische Hyperbel, bis sich zeigte, daß sie die Zukunft der Facebook-Freundschaften, das Alle-Welt-Gefühl des Stubenhockers besang.“
  Sehr weit sind schmissig-ungefähre Diagnosen wie diese von der physiognomischen Konkretion entfernt, mit der Strauß einst in der Prosa von „Paare, Passanten“ und seinen Zeitgeiststücken die Fallen und slapstickhaften Missgeschicke moderner Kommunikationsrituale analysierte. Der physiognomische Blick zielt auf das Exemplarische, aber er meidet die Allaussage, die flotte Hochrechnung, die angeblich über das Ganze Bescheid weiß, so wie hier der Autor über „die überall praktizierte condition-salaud , das Programm der schweinischen Lebensführung, das konkurrenzlos den gewöhnlichen Alltag beherrscht“.
  Leider ist der Bühnenautor Botho Strauß dem deutschen Publikum seit Jahren abhandengekommen, und es scheint, als sei er auch sich selber abhandengekommen. Man darf vermuten, dass die Personalunion von Dramatiker und Prosaautor im Werk dieses Schriftstellers zur Balance zwischen dem Furor der Gedanken und dem einprägsamen Bild, den steilen zeitdiagnostischen Thesen und den rätselhaft bleibenden Figuren beigetragen hat. Diese Balance ist hier gefährdet, ja, es gibt sie oft nicht, und auch das mag ein Grund für den Eindruck sein, dies Buch sei nur ein Stellvertreter seiner selbst.
  Wen es vertritt, ist freilich klar, und auch, dass dieses Buch das Zeug zum großen Wurf hätte, sei es zur Komödie, zum großen Essay oder zum Roman unter dem Titel „Der Idiot und seine Zeit“. Einmal nennt Botho Strauß – in einer Passage, die an den ehemaligen Dramaturgen der Schaubühne erinnert – ein denkbares Modell seiner Komödie, den „Schwierigen“ von Hugo von Hofmannsthal, und gleich auf den ersten Seiten blitzt die Tradition auf, in die sich die gelungene Variante dieses Buches stellen würde: „Verblödung als rebellischer Untergrund des Geistes interessierte Swift wie Flaubert. Ersterer erreichte sie selbst. Für Flaubert wurde sie die intime Partnerin seiner Wissensexzesse. Auch Gombrowicz war ihr dicht auf den Fersen. Erreichte sie aber nicht.“
  Je klüger, desto dümmer – an diesen Schlüsselsatz aus den Tagebüchern von Gombrowicz knüpft Botho Strauß in diesem Buch an, ebenso wie an „Bouvard und Pécuchet“ und an den „Idioten“ Dostojewskis, den Fürsten Myschkin. Der Fürst wird freilich ein wenig verdunkelt dadurch, dass Strauß die Figur, die ihm vorschwebt, aus dem Außenseiter der „Plurimi“-Welt entwickeln will, aus dem seit Jahrzehnten durch seine Bücher geisternden „Anachronisten“, den er hier partout zum „Reaktionär“ radikalisieren will.
  Der Reaktionär aber hat zu viele Meinungen, er lebt überdies vom Einverständnis mit seinen Meinungen, und betrachtet die Gegenwart nicht selten mit Abscheu und Verachtung, also gerade nicht im Geiste der Paradoxie, dem er offiziell huldigt. Etwas Abenteuerliches, Paradoxes aber umgibt den Idioten, der mit der „Heiterkeit des Ungerührten“ auf die Welt blickt: „Der heitere Idiot in der Welt der Informierten zu sein heißt, ohne eine Regung von Zukunftsunruhe, ohne Angst zu leben.“
  Damit ist die elementare Bestimmung der in diesem Buch nur angezielten Figur gegeben: Sie muss eine komische Figur sein, Strauß sollte ihr eine Komödie auf den Leib schreiben, statt Prosa-Elegien über den „Plurimi-Faktor“ zu verfassen. Und ein Zweites kommt hinzu: Der Idiot in seiner ausgeführten Fassung wäre eine Schwellen-Figur, er gehörte zugleich der Welt der „diachronen Bindungen“ an, die der Anachronist beschwört, und dem universellen Präsens, der „synchronen Vernetzung“, in der die „äußerste Umdrehungsturbulenz der Worte“ jedes Fremd- und Selbstverhältnis erfasst: „Vielleicht ist der Idiot der Erstgeschlagene und Prototyp unter den Menschen, die in Millionenzahl vom Verenden des Verstehens überrascht werden.“
  Strauß kapriziert sich, was die Vorgeschichte seiner Figur angeht, ganz auf das Griechische, auf den Idiotes, den Privatmann, der, jenseits der Sphäre des Politischen lebend, kein öffentliches Amt bekleidet. Einer seiner wichtigsten Gewährsmänner ist „der Grieche Paul Valéry, Geist mit allen Sinnen“: „Er konnte nichts dafür, dass er glaubte, einzig dem Intellekt zu huldigen.“ An der Seite Valérys aber stehen in diesem Buch Jean Paul und Friedrich Hölderlin. In der Komödie „Der Idiot und seine Zeit“ wäre deren Erbschaft ein willkommener Mitspieler: die Erbschaft der deutschen „Blödigkeit“.
  Der Germanist Georg Stanitzek hat in seinem Buch „Blödigkeit. Beschreibungen des Individuums im 18. Jahrhundert“ (1989) diese Erbschaft gesichert, ihren versunkenen Reichtum gehoben und gezeigt, dass „Blödigkeit eine Art Zögern des Individuums vor dem Eintritt in die Moderne darstellt“. Der Reaktionär, wie Strauß ihn entwirft, ist eine Gegenfigur der aktuellen, digitalen Modernisierung. Der Idiot wäre eine Schwellenfigur. Noch gibt es ihn nicht.
Botho Strauß:  Lichter des Toren. Der Idiot und seine Zeit. Diederichs Verlag, München 2013. 176 Seiten, 20 Euro. 
„Der heitere Idiot lebt in der
Welt der Informierten ohne
Zukunftsunruhe, ohne Angst.“
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.08.2013

Literatur Was für ein Missverständnis war dieser Text, den Botho Strauß für einen Vorabdruck im "Spiegel" aus seinem neuen Buch "Lichter des Toren" (Diederichs, 20 Euro) zusammengestellt hatte (F.A.S. vom 4. August). "Der Plurimi-Faktor" sollte ein Angriff sein auf die Vergötterung der Masse, ein Angriff auf das Missverständnis unserer Zeit, dass Erfolg ein Beweis für Qualität sei: Ballnacht des Geistes statt Klimakonferenz, darauf lief es hinaus. Als Essay, als politischer Text las sich das wie ein schlechter Witz, wie Hohn, weil er dem Unheil und den Mühen der Gegenwart nichts als Raunen und die Beschwörung unzugänglicher Gärten entgegenzusetzen hatte. Wie groß das Missverständnis war, kann man in dem ganzen Buch nachlesen, das jetzt endlich erschienen ist. Alles, auch das Unverständliche, das angestrengt Fremdwörtliche, das Aufgebauschte, all das geht in diesem Buch aufs schönste poetisch auf. Es ist ein melancholisches, lebenskluges Buch. Es ist Literatur, geschrieben von einem, der nicht recht haben will. Von einem Außenseiter des Lebens, einem Idioten, der schaut und staunt, traurig, mitleidig, ratlos. Er hat niemandem etwas zu raten. Er stellt nur Bilder in die Welt. Von uns. Von seinen Gedanken. Von Möglichkeiten, wie es anders sein könnte. Von einer Vergangenheit, wie sie nie war, wie sie aber unbedingt hätte sein müssen. Und schließlich verabschiedet er sich so: "Er ging nun friedlich und verwundert unter den Leuten umher. Für sie war er versiegt, das spürte er wohl selbst, die ganze Person war ihnen nur noch zum Übersehen da." Und: "Nein, er habe nur selten kommuniziert, jedoch genügend gesprochen mit ansprechbaren und ansprechenden Personen. Seine Position sei für ihn die einzig richtige, sonst aber für niemanden empfehlenswert. Er würde niemals Propaganda für sie machen." Es scheint, als habe Botho Strauß da seinen Fehler schon geahnt. Aber er wollte ihn wohl unbedingt machen.

vw

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ein Buch, das uns ein Stachel im Fleisch ist«.
»"Lichter des Toren" ist die überfällige Kritik an einer Gegenwart, die kein Dagegen mehr kennt.« Thomas Schmid in DIE WELT