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Das globale Finanzsystem befindet sich in einer tiefen Krise. Die Hüter des Geldes, Zentralbanken wie die EZB oder die US-amerikanische Fed, sind inzwischen zu seinem eigentlichen Rückgrat geworden und haben eine neue Ära eingeläutet: die des Zentralbankkapitalismus. Dafür mussten sie ihre Geldpolitik revolutionieren sowie als Marktmacher der letzten Instanz agieren.
Joscha Wullweber steigt in den Maschinenraum des modernen Kapitalismus hinab, diskutiert die neuen Instrumente der Zentralbanken und erklärt, auf welch komplexe Weise Staat und Finanzmarkt heute verschränkt sind. Dabei nimmt er
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Produktbeschreibung
Das globale Finanzsystem befindet sich in einer tiefen Krise. Die Hüter des Geldes, Zentralbanken wie die EZB oder die US-amerikanische Fed, sind inzwischen zu seinem eigentlichen Rückgrat geworden und haben eine neue Ära eingeläutet: die des Zentralbankkapitalismus. Dafür mussten sie ihre Geldpolitik revolutionieren sowie als Marktmacher der letzten Instanz agieren.

Joscha Wullweber steigt in den Maschinenraum des modernen Kapitalismus hinab, diskutiert die neuen Instrumente der Zentralbanken und erklärt, auf welch komplexe Weise Staat und Finanzmarkt heute verschränkt sind. Dabei nimmt er auch das Schattenbankensystem unter die Lupe, von dem die globale Finanzkrise ausging und das dennoch immer bedeutender wird. Ein unverzichtbarer Beitrag zum Verständnis aktueller globaler Geld- und Finanzpolitik.
Autorenporträt
Joscha Wullweber, geboren 1973, ist Heisenberg-Professor für Politische Ökonomie und Transformation an der Universität Witten/Herdecke.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der hier rezensierende Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe ist etwas skeptisch, was Joscha Wullwebers Buch über das moderne Finanzsystem angeht. Denn auch wenn er Wullwebers Plädoyer für eine stärkere staatliche Regulierung des Finanzsektors durch Zentralbanken zustimmt, scheinen ihm hier viele verschiedene Dinge über einen Kamm geschert zu werden - so habe eine Bekämpfung von Liquiditätsengpässen wenig mit einer Niedrigzinspolitik zu tun, bemerkt Plumpe. Hier hätte sich der Rezensent eine differenziertere Betrachtung gewünscht. Schließlich bewegt sich Wullwebers Buch für ihn auch zu sehr abseits von realwirtschaftlichen Zahlen, was Plumpe von "teuren Illusionen" sprechen lässt, die hier proklamiert würden.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.09.2021

Viel Geld und hohe Schulden

Zentralbanken als Akteure in Krisenzeiten: Joscha Wullweber möchte eine strikte Regulierung des Finanzsektors politisch ins Werk gesetzt sehen.

Der Befund scheint eindeutig. Ohne die radikalen Maßnahmen der Zentralbanken wäre die Weltfinanzkrise 2008 mit unabsehbaren Folgen ebenso aus dem Ruder gelaufen, wie das Eurosystem seine sich anschließende Krise ohne die massive Intervention der Europäischen Zentralbank kaum überlebt hätte. Auch die Folgen der gegenwärtigen Pandemie, genauer der politischen Pandemiebekämpfung, sind zumindest bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht beherrschbar geblieben, weil die Zentralbanken in historisch einmaliger Weise nicht nur die Liquidität des Finanzsektors garantierten, sondern zugleich den jeweiligen Regierungen monetäre Spielräume verschafften, die die flächendeckenden Lockdowns überhaupt erst möglich machten.

Die Zentralbanken setzten sich dabei nach und nach über alle historisch gewachsenen und institutionell fixierten Grenzen ihres Handelns hinweg; sie wurden sukzessive vom lender of last resort, der im Hintergrund agiert, nur in extremen Krisen einspringt und sich ansonsten an der Stabilität des Geldsystems orientiert, zu Akteuren der alltäglichen Geld- und Fiskalpolitik, ja selbst zu einer Art Marktteilnehmer, der die Funktionsweise von Märkten durch unmittelbare Interventionen aufrechterhält und dabei selbst durch seine Ankaufspolitik als "Marktmacher" agiert - eine Funktion, die für eine Zentralbank eigentlich ausgeschlossen sein sollte. Der Preis dieser Entwicklung ist eine gewaltige Aufblähung der Zentralbankbilanzen, der Geldmenge und der korrespondierenden Staatsschulden. Doch in den Augen von Joscha Wullweber ist das alles unvermeidlich, um die notorische Instabilität des durch den austeritätsfixierten, marktvertrauenden Neoliberalismus deregulierten Finanzsektors überhaupt beherrschbar zu halten.

Dass die Zentralbanken in der Weltfinanzkrise eine Art prekären Status quo garantierten, ist heute Konsens; auch die Notwendigkeit des umfassenden Eingreifens in der Eurokrise und in der gegenwärtigen Situation wird zumeist mit der Abwehr verheerender Folgen begründet. Joscha Wullweber, Professor an der Universität Witten/Herdecke, ist das Paradoxe der Situation dabei völlig klar, stabilisieren die Zentralbanken doch letztlich genau den Zustand, dessen Krisenfolgen sie zu begrenzen trachten. Hier liegt denn auch der Ausgangspunkt seines Buchs, im notwendig instabilen Finanzsystem, das zugleich Bedingung wie Folge der modernen kapitalistischen Wirtschaft ist.

In seinen einleitenden Ausführungen zur Geldtheorie und -politik betont Wullweber denn auch die notwendige Rolle der politischen Stabilisierung des Geld- und Finanzsystems, wobei traditionell den politisch geprägten Zentralbanken deshalb eine wesentliche Rolle zufiel, weil sie als Einzige durch ihren zumindest theoretisch unbegrenzten Zugriff auf monetäre Ressourcen Handlungsautonomie und damit auch Handlungsfähigkeit in der Krise besitzen. Durch die neoliberalen, marktgläubigen Deregulierungen seit den Achtzigerjahren habe sich die Krisenanfälligkeit des Finanzsektors aber noch einmal gewaltig erhöht, insbesondere die Entstehung eines wenig regulierten Schattenbanksystems habe die Eskalationsmöglichkeiten in Krisenzeiten dramatisch verschärft. Diese Deregulierungen und ihre Begründung waren politische Akte, die von den Zentralbanken zumeist mitgetragen wurden. In gewisser Hinsicht ist es die Geschichte vom Zauberlehrling, der die Kräfte, die er gerufen hat, nun kaum noch beherrschen kann und zu immer härteren Maßnahmen greifen muss.

Wullwebers Fazit ist daher auch keine Apotheose des Zentralbankensystems, obwohl seine Befunde im Frankfurter Ostend mit Wohlwollen aufgenommen werden dürften. Letztlich plädiert er für eine starke Regulierung des Finanzsektors, um seine Krisenanfälligkeit zumindest zu begrenzen - freilich ohne genau zu sagen, was das bedeutet und wie es durchgesetzt werden sollte. Doch genau hier beginnen die Fragen, die der Text provoziert. Wullwebers Diagnose des Finanzsystems, die sich historisch vor allem an Joseph Schumpeter und gegenwärtig an Hyman Minsky anlehnt, ist gut nachvollziehbar, aber auch apokalyptisch. Der Preis des modernen Finanzsystems ist seine Anfälligkeit für Krisen, das ist offenkundig, doch gerät das Ausmaß der Krisen nur in sehr seltenen Fällen so groß, dass es unbeherrschbar erscheint. Es gibt zahlreiche historische Beispiele schwerer Finanzkrisen, in denen sich Staat und Zentralbanken zurückhielten. Schon Minsky ist zu Recht vorgehalten worden, dass er über die Krisen die alltägliche Funktionsfähigkeit des Finanzsystems nicht angemessen zur Kenntnis nehme, und dieser Vorwurf ist auch in Wullwebers Fall berechtigt.

Die Weltfinanzkrise im Jahr 2008 kann noch mit einer gewissen Berechtigung aus der inneren Logik eines liberalisierten Finanzsektors begriffen werden; die Eurokrise und die gegenwärtige Pandemiekrise hingegen kaum. Beide Krisen haben Auswirkungen auf den Finanzsektor, der sie indes nicht verursacht hat. Hier differenziert zu argumentieren hätte freilich den Plot des Buches, wonach nur politisches Handeln die finanzielle Apokalypse verhindern kann, beschädigt.

Bei Wullweber werden von den Regierungen und Zentralbanken ergriffene "unkonventionelle Maßnahmen" unterschiedslos als Folge außer Rand und Band geratener Finanzmärkte beschrieben. So erscheinen Maßnahmen zur unmittelbaren Liquiditätssicherung in einer akuten Krise von gleicher Bedeutung wie monetäre Staatsfinanzierung, unmittelbare Finanzierung von zum Teil bankrotten Strukturen oder umfangreiche Konjunkturprogramme, obwohl es sich da um völlig unterschiedliche Dinge handelt. Die Bekämpfung von Liquiditätsengpässen ist etwas völlig anderes als eine dauerhafte Niedrigzinspolitik und eine mittlerweile unverhüllte monetäre Staatsfinanzierung, die weniger der Krisenabwehr als der Weiterführung eines Staatshandelns dient, dessen wirtschaftliche Folgen alles andere als erfolgreich sind.

Insofern wird man dem Autor schon zustimmen, dass es auf Änderungen im Staatshandeln ankommt, wenn es um eine Begrenzung gegenwärtiger und zukünftiger Krisenerscheinungen geht. Doch dürften erfolgreiche Maßnahmen sehr viel weiter gehen müssen, als nur den Finanzsektor stärker zu regulieren, wenn das überhaupt ohne übermäßige Kosten möglich sein sollte. Die sogenannte Realwirtschaft nimmt Wullweber kaum in den Blick. Aber hier liegt letztlich der Schlüssel, denn wenn es nicht gelingt, die deutschen und europäischen Produktivitätsdaten, die seit Jahrzehnten ungünstig sind, deutlich zu verbessern, dann ist der gesamte Aufwand ziemlich vergeblich, und die Akteure im Zentralbanksystem werden vor allem eine höhere Inflation und wenig sonst zustande bringen. Denn letztlich können auch Zentralbanken nur das leisten, was die "Realwirtschaft" ermöglicht. Alles andere sind teure Illusionen. WERNER PLUMPE

Joscha Wullweber: "Zentralbankkapitalismus". Transformationen des globalen Finanzsystems in Krisenzeiten.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2021. 297 S., br., 20,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Eine sorgfältig gearbeitete Studie ... Wullwebers Buch zeigt an, wo wir auf bereits gewonnene Erkenntnisse aufbauen können und wo die offenen Fragen liegen. « Leon Wansleben Soziopolis 20220207