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Darf ein Kunstmuseum Werke aus seinem Bestand verkaufen? Darf es mit Kunst Handel treiben? Sammeln, Erhalten und Forschen - das sind doch seine Kernaufgaben. Aber kann eine Institution, die unter schrumpfenden Etats zu leiden hat und mit Besucherrekorden aufwarten soll, diese Arbeit weiter leisten? In sieben Kapiteln geht Walter Grasskamp der Frage nach, wie zeitgemäß das Kunstmuseum noch ist. Er greift prominente Streitfälle der letzten Jahre auf und führt hinter die Kulissen einer ehrwürdigen Institution, die zunehmend nur noch als Ausstellungshalle wahrgenommen wird. Ist das Museum gar ein…mehr

Produktbeschreibung
Darf ein Kunstmuseum Werke aus seinem Bestand verkaufen? Darf es mit Kunst Handel treiben? Sammeln, Erhalten und Forschen - das sind doch seine Kernaufgaben. Aber kann eine Institution, die unter schrumpfenden Etats zu leiden hat und mit Besucherrekorden aufwarten soll, diese Arbeit weiter leisten?
In sieben Kapiteln geht Walter Grasskamp der Frage nach, wie zeitgemäß das Kunstmuseum noch ist. Er greift prominente Streitfälle der letzten Jahre auf und führt hinter die Kulissen einer ehrwürdigen Institution, die zunehmend nur noch als Ausstellungshalle wahrgenommen wird. Ist das Museum gar ein Opfer seines Erfolgs? Oder sind die vom Autor identifizierten Paradoxien des Kunstmuseums Schuld an der Krise? Denn nicht nur fehlende Anschaffungsetats machen den Museen zu schaffen, auch die Kunst selbst: Wie soll man mit Werken umgehen, die sich gegen ihre Erhaltung wehren? Wie hoch ist der Depotschwund? Und verdrängt die monumentale Gegenwartskunst ausgerechnet im Museum die historische Sammlung?
Autorenporträt
Walter Grasskamp ist Kunstkritiker und Professor für Kunstgeschichte an der Akademie der Bildenden Künste in München. Bei C.H.Beck ist zuletzt von ihm erschienen: André Malraux und das imaginäre Museum (2014).

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2016

Die Folgekosten des Materialverhaus

Verfall ist schön, aber leider nicht erlaubt: Walter Grasskamp nimmt ein meist übersehenes Problem der Museen mit Gegenwartskunst ins Visier.

Von Julia Voss

Dieses Buch wird an einigen Stellen so unverhofft lustig, dass es einen fast vergessen lässt, wie ernst und ehrwürdig sein Gegenstand doch eigentlich ist. Den Witz trägt natürlich einmal der Autor selbst hinein: Walter Grasskamp zählt zu den großen Stilisten unter den Kunsthistorikern und Kritikern, auch zu den Humoristen. Von diesem Autor würde man auch eine Geschichte des Rasenmähers lesen, denn selbst diese Lektüre wäre, wenn er denn darüber schriebe, sicher ein Genuss. Tatsächlich hat Grasskamp bereits ein breites Themenfeld in den vergangenen dreißig Jahren bearbeitet: von der Rezeption der Moderne in der Nachkriegszeit über das Cover der Beatles-LP "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" bis hin zu den Werken von Hans Haacke oder zum Imaginären Museum von André Malraux.

Was nun unter dem Titel "Das Kunstmuseum, eine erfolgreiche Fehlkonstruktion" vorliegt, bietet einerseits eine unterhaltsame Zusammenschau der Krisen- und Aufbruchsliteratur, die in den vergangenen Jahrzehnten zu Niedergang und Zukunft der Institution erschienen ist. Andererseits legt Grasskamp selbst den Finger in eine Wunde, die bisher in den meisten Diagnosen übersehen wurde, deshalb aber nicht weniger tückisch ist.

Als Ausgangspunkt nimmt er dabei Phänomene aus dem Alltag des Museumslebens, etwa den Gigantismus der Gegenwartskunst, den er treffend "Formatwucher" nennt und dessen Folgen er so beschreibt: "Kurioserweise behaupten sich gerade die flächendeckenden Großformate in den Museumssuiten der Gegenwart am besten, während die kleinen Formate der Nachkriegszeit fast überall mit einer gewissen Peinlichkeit ins Depot geschubst worden sind, als seien sie über Nacht eingelaufen." In den Museen findet demnach ein Verdrängungswettbewerb statt, der über die Größe ausgetragen wird und dazu führt, dass die Gegenwart die Vergangenheit überrollt. Die Direktorin der Stuttgarter Staatsgalerie, Christiane Lange, die Grasskamp zitiert, hat das in Zahlen so ausgedrückt: "500 Jahre Kunstgeschichte auf 1000 Quadratmetern, 5 Jahre Gegenwartskunst auf 5000 Quadratmetern."

Damit wäre aber auch bereits der zweite Grund benannt, warum dieses Buch mitunter so komisch ist. Grasskamp schreibt über Kunstmuseen, und da bleibt es eben nicht aus, dass er auch über Kunst schreibt, insbesondere über die alles dominierende Gegenwartskunst. Und diese ist im zwanzigsten Jahrhundert eindeutig lustiger geworden, häufig unfreiwillig. Von dem Künstler und Kritiker Brian O'Doherty stammt die Beobachtung, dass der White Cube, der laborweiße Ausstellungsraum der Moderne, in der Lage sei, jeden Gegenstand in Kunst zu verwandeln. Ein Standaschenbecher würde darin zu einem fast schon sakralen Gegenstand, ein Feuerlöscher sähe aus wie ein ästhetisches Scherzrätsel. Ebendieses Hexenwerk des White Cube hat zur Folge, dass der erstaunlichste Materialverhau ins Museum einziehen kann, vorausgesetzt, es finden sich genügend Kunsthistoriker, die darin eine höhere Denksportaufgabe für ihre Zunft entdecken, und genügend Händler, die ein Marktpotential erkennen. Gegen diese Gepflogenheiten des Kunstbetriebs erhebt Grasskamp keine Einwände. Er stört sich an etwas anderem: den Folgekosten.

Die Folgekosten sind Grasskamps zentrales Argument dafür, das Museum eine "erfolgreiche Fehlkonstruktion" zu nennen. Anhand vieler Fallbeispiele führt er vor, wie die Gegenwartskunst den Institutionen, die sie sammelt und bewahrt, Schwierigkeiten aufbürdet, die mit jedem Jahr zunehmen. Der Blick zurück in die Vergangenheit veranschaulicht eine fatale Entwicklung. Schon im neunzehnten Jahrhundert wurden die Leinwände zum Experimentierfeld. Die Produkte der Farbindustrie ersetzten nach und nach die selbst hergestellten Pigmente und Lösungsmittel der Malerwerkstätten. Die Künstler wurden daraufhin, wie Grasskamp schreibt, zur "zahlenden Testkundschaft". Wer aber übernahm die Haftung? Als im neunzehnten Jahrhundert etwa Heinrich Zügel, Maler und Professor der Münchner Kunstakademie, an der auch Grasskamp seit 1995 lehrt, die Hiobsbotschaft erreichte, dass sein vielgerühmtes Gemälde "Die Schafschur" Sprünge zeigte und ganze Partien abrutschten, musste er es noch selbst zurücknehmen. Die mit Asphalt gemischte Untermalung löste sich auf, den legendären Kaufpreis von 120 000 Gulden ließ sich der Käufer zurückerstatten. Zügel hatte in seinen ersten Ehejahren damit jede Menge Schulden.

Im zwanzigsten Jahrhundert aber haben die Materialexperimente noch zugenommen, was nicht dramatisch wäre, wenn, so der Autor, "diese Kunst außerhalb der Museen so lange zirkulieren würde, bis sie ihr Haltbarkeitsdatum überschritten hat, statt vorher noch ins Museum zu drängen". Tut sie aber nicht. Das Buch führt den Fall Dieter Roth aus: Die Emanuel-Hoffmann-Stiftung kaufte 1989 das Werk "Selbstturm/Löwenturm" für ihre Sammlung, die im Baseler Museum für Gegenwartskunst lagert. Die erworbenen Plastiken bestehen aus gegossener Schokolade und Zucker, wobei es anfangs noch hieß, der Künstler habe den Zerfall ausdrücklich gewünscht.

Das änderte sich schnell, als das Werk im Museum ankam. Roth regte nun den Einbau eines Klimageräts an, das die Räume entfeuchten sollte, und erlaubte auch, dass mit Begasung gegen Insekten vorgegangen wurde. Seitdem werden die Objekte des Künstlers arbeitsteilig verwaltet: Kunsthistoriker begeistern sich weiterhin für seine angeblich radikale Haltung, für den konzeptuellen Verfall, für die Museumsverweigerung. Hinter den Kulissen kämpfen die Restauratoren für den Erhalt. Grasskamp spricht von einer "prospektiven Sklavenhaltung", bei der die Restauratoren in Folgehaft genommen werden. Ein Einzelfall ist Roth nicht. Mark Rothko? "Fatale Materialexperimente", die zum Verblassen und Auslaugen der Leinwände geführt haben. Das Harvard Art Museum sah sich gezwungen, eine fünfteilige Wandarbeit von 1964 mit der "compensating illumination" einer Beamerprojektion zu beleuchten, um den ursprünglichen Farbeindruck wiederherzustellen. Nam June Paik? "Zwischen Kunstmaterial und Elektroschrott." Joseph Beuys? Im Buch kommt der Restaurator Ulfried Biermann zu Wort: Theoretisch sei es Beuys egal, ob seine Objekte restauriert werden, praktisch aber sehe es anders aus. Kurzum: Die Pose der jovialen Verfallskünstler ist ein Witz auf Kosten der Museumsrestauratoren.

Um Missverständnisse auszuschließen: Roth, Beuys, Rothko oder Paik wird nicht grundsätzlich der ästhetische Reiz abgesprochen. Den Hinweis aber auf die Folgekosten wird man ernst nehmen müssen. Das Ewigkeitsversprechen, das die Museen vermeintlich geben, werden sie nicht halten können. Zu viel hat sich dafür bereits in den Depots angestaut, zu schnell rücken die nächsten Werke nach, zu kurz ist ihre Haltbarkeit. Was daraus folgt? Für die erste Hilfe macht Grasskamp einen Vorschlag: Restauratoren müssen in die Ankaufskommissionen der Museen berufen werden.

Walter Grasskamp: "Das Kunstmuseum".

Eine erfolgreiche Fehlkonstruktion.

Verlag C. H. Beck, München 2016. 187 S., Abb., br., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensentin Hannelore Schlaffer bekommt viel zu denken mit Walter Grasskamp und seiner Erkundung von Kunstmarkt, Publikum und Museum. Vor allem, da der Autor Genie und Geschäft und Verstand miteinander konfrontiert. Der Professor für Kunstgeschichte bleibt nicht einfach Bewunderer der Werke, meint Schlaffer, sondern wird kritischer Beobachter der Künstler und der Museumsleute und des musealen Alltags. Das wirft für Schlaffer einiges ab an Vergnügen und Erkenntnis, etwa über Sponsoring und Verkaufsverbote, Finanzierung und Sanierung und das Museum als Spiegel von Wirtschaft und Gesellschaft. Dass der Autor nicht urteilt, sondern den Leser als kritischer Beobachter höchstens zum Urteilen anleitet, gefällt Schlaffer gut. Die Frage, was das Museum heute ist oder sein kann, meint sie, ließe sich von hier aus, mit diesem "temperamentvollen" wie "erhellenden" Buch, eventuell erörtern.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.04.2016

NEUE TASCHENBÜCHER
Grasskamp über
die Museumskrise
Seit einem halben Jahrhundert wird die ehrwürdige Institution des Kunstmuseums von wechselnden Standpunkten aus kritisch befragt. Walter Grasskamp fasst unter dem prägnanten Titel „Das Kunstmuseum. Eine erfolgreiche Fehlkonstruktion“ die Diskurse der letzten Jahrzehnte geschickt zusammen und untersucht dann anhand jüngerer Streitfälle die aktuellen Probleme, die das Museum bei seinen Kernaufgaben – dem Sammeln, Bewahren, Erforschen und Ausstellen – behindern. Der Hinweis, dass in der Gründerzeit noch mehr als die Hälfte des Berliner Museumsetats für Ankäufe bestimmt war, heute aber weniger als fünf Prozent für Erwerbungen, Restaurierungen und Untersuchungen zur Verfügung stehen, zeigt den elementaren Wandel wohl am brutalsten. Wie also finanzieren die Museen heute ihre Ankäufe und wie ihre Sonderausstellungen? Wie gehen sie mit neueren Kunstwerken um, die sich, wie manches von Joseph Beuys oder Dieter Roth, von selber auflösen? Wie retten sie die ältere Kunst vor dem Ansturm des Neuen? Und was geschieht mit angebotenen Künstler-Nachlässen? Walter Grasskamps kühle Analyse ersetzt ganze Serien von Symposien. GOTTFRIED KNAPP
  
Walter Grasskamp: Das Kunstmuseum. Eine erfolgreiche Fehlkonstruktion. C.H. Beck Verlag, München 2016.
188 Seiten, 18 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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"Schlank, flott geschrieben und trotzdem eine sehr grundsätzliche Bestandsaufnahme".
Barbara Basting, Die Wochenzeitung, 5. Mai 2016