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Als Anfang der achtziger Jahre Wolfgang Pohrt die öffentliche Bühne betrat, wurde den Lesern schnell klar, dass da jemand einen neuen Ton anschlug. Pohrt verstand es, seine Thesen mit großer Schärfe, Klugheit und Eleganz zu formulieren. Seine Kritik an den Grünen und der Friedensbewegung ist legendär, vor allem, seit diese nationale Töne anschlugen und die Nation nicht mehr abschaffen, sondern retten wollten. In der Biographie wird daran erinnert, dass die Linke in Deutschland zwar versagt hat, aber dank Wolfgang Pohrt das Niveau der Kritik an ihr weit besser war, als sie es verdient hatte,…mehr

Produktbeschreibung
Als Anfang der achtziger Jahre Wolfgang Pohrt die öffentliche Bühne betrat, wurde den Lesern schnell klar, dass da jemand einen neuen Ton anschlug. Pohrt verstand es, seine Thesen mit großer Schärfe, Klugheit und Eleganz zu formulieren. Seine Kritik an den Grünen und der Friedensbewegung ist legendär, vor allem, seit diese nationale Töne anschlugen und die Nation nicht mehr abschaffen, sondern retten wollten. In der Biographie wird daran erinnert, dass die Linke in Deutschland zwar versagt hat, aber dank Wolfgang Pohrt das Niveau der Kritik an ihr weit besser war, als sie es verdient hatte, man kann sagen, dass ein realistisches Bild von ihr nur deshalb erhalten geblieben ist, weil Pohrt sich ihrer Fehler und Eigenarten angenommen und damit die Mythenbildung erschwert hat. Mit seiner großen Massenbewusstseinsstudie der Deutschen und dem Konkret-Kongress 1993 kündigte sich sein Abschied an, aber noch heute macht sich sein Einfluss bemerkbar, als ob seine Gedanken wie ein schwacherunterirdischer Strom immer wieder einen Nerv treffen und eine Reaktion erzeugen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2022

Kritik an sich
Klaus Bittermann erklärt Wolfgang Pohrt

Dass der furchterregende Einzelkämpfer nicht nur höhnisch, sondern auch ausgelassen lachen konnte, hätte man aus seinen Schriften nie geschlossen. Aber in Klaus Bittermanns Buch "Der Intellektuelle als Unruhestifter: Wolfgang Pohrt" sieht man den Gegenstand des Werkes auf zwei Fotos tatsächlich mit leuchtenden Augen der Liebe seines Lebens zeigen, dass er sich freuen kann wie ein junger Hund. Man reibt sich die Augen, wenn man das Datum der Aufnahmen liest: 1977. In diesem Jahr scheiterte in Stammheim und Mogadischu ein radikaler, gegen die Westbindung der Bundesrepublik gerichteter Antiimperialismus, der die äußerste, terroristische Konsequenz aus den Ansichten des politischen Milieus gezogen hatte, dem Wolfgang Pohrt entstammte.

Lautstark waren zehn Jahre zuvor Parolen gerufen worden, deren Auslegung als Handlungsanweisungen die 1977 an ihrem Tiefpunkt angelangte Militanz der RAF vom Verhalten Gleichaltriger schied, die sich, als aus der Revolution nichts wurde, von der eigenen Vergangenheit (und den Bewaffneten, die an sie erinnerten) distanzierten und damit für Pohrt den Wunsch artikulierten, "unter den wohlwollenden Blicken der Macht und unter dem Beifall der Menge auch mal auf den Bösewicht spucken zu dürfen".

Vor solchen Widerrufen dessen, was man zuvor krakeelt hatte, ekelte sich Pohrt so sehr, dass er lieber selbst den Bösewicht gab, der es sich nicht nur mit den Staatsfrommen, sondern bald auch mit den Militanten verdarb, die er verspottete, weil sie noch im Gefängnis martialische Deklarationen aufsetzten. Methodisch nahm der Publizist fortan öffentlich die Lebenslügen anderer, aber auch die selbst zusammengeschweißte eigene Rechtschaffenheitsrüstung auseinander, zur Demonstration der Schonungslosigkeit seiner Kritik "in trüben Zeiten der Rückzugsgefechte", die er schon in seinen frühen Dreißigern durchmachte.

Mehrfach erklärte Pohrt danach die "Geschäftsaufgabe" seines polemischen Einmannbetriebs. Über das Ausbleiben inhaltlicher Antworten auf seine Strafpredigten führte er penibel Buch. Was ihn dagegen nicht interessierte, waren beleidigte oder anderweitig emotionale Reaktionen, die sich ihm entgegenwarfen, wenn er etwa im Pazifismus der frühen Grünen schon den beißenden Sprengmittelgeruch tatendurstiger Selbstgerechtigkeit witterte, der explosionsartig freigesetzt wird, wo realitätsfernes Friedfertigkeitsgehabe in generalstabsmäßigen Pragmatismus umschlägt.

Mit einem letzten Seufzer gab Pohrt schließlich seinen Befund erwiesener Überflüssigkeit sozialtheoretischen Denkens bekannt. Gerade in solchen Augenblicken der Selbstverneinung aber war er, wie Klaus Bittermann herausschmeckt, dem Grundimpuls seines Treibens am nächsten, weil er nicht Meinungen produzieren oder bestätigen wollte, sondern auf koordiniertes Handeln zur Beendigung blind weiter ratternder historischer Mechanismen abzielte. Pohrt habe sich, schreibt Bittermann treffend, mit seinen Selbstbeschädigungen mutwillig der Chance "beraubt, einfach so weiterzumachen wie bisher und ein Auskommen als professioneller Kommentator zu finden".

Lange vor den sozialen Medien nämlich war das öffentliche Meinen rings um Pohrt geprägt von heute alltäglichen, nahezu willkürlichen Parteinahmen mit dem einzig erkennbaren Zweck der Bildung und Bestätigung von Gemein- und Gefolgschaften oder, wie Pohrt voll Verachtung schrieb, "Banden".

Das Lebens- und Denkbild eines Menschen, der eigensinnig genug war, selbst bestimmen zu wollen, wann er argumentierte, wann er schimpfte und wann er schwieg, hat sein Biograph nun einer von allen beim Meinungsrummel störenden Begründungsanforderungen befreiten Zwitscher- und Plapperpublizistik zu ihrer wohl ausbleibenden Beschämung vorgelegt. Das ist unter den vielen unzeitgemäßen Streichen des Verlegers und Autors Bittermann, die er sich im Geist seines verstorbenen Freundes Pohrt erlaubt, gewiss der gelungenste. DIETMAR DATH

Klaus Bittermann: "Der Intellektuelle als Unruhestifter". Wolfgang Pohrt. Eine Biographie.

Edition Tiamat, Berlin 2022. 696 S., geb., 36,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FAS-Rezension

Man spürt beim Lesen dieser Kritik Claudius Seidls die Lust, mit der er anhand der Pohrt-Biografie eine Archäologie der heutigen Linken betreiben kann. Pohrt war ein scharfer Polemiker und in vielem sah er sehr klar, schreibt Seidl, dem die Biografie Anlass ist, Pohrts Leben und seine Stellung in den Debatten der siebziger und achtziger Jahre nachzuzeichnen. Frappierende Aktualität hat für vor allem ihn Pohrts Kritik am "Antizionismus" deutscher Linker in dieser Zeit, die - damals schon! - über die "Endlösung der Palästinenserfrage" durch Israel schwadronierten. Die Figur Pohrts sollte die deutsche Öffentlichkeit auch zu einer kritischen Sebstbefragung veranlassen, findet Seidl: Wie kann es kommen, dass ein so brillanter Polemiker seinerzeit alles andere als in die Systeme und Apparate integriert war und eine marginale Existenz fristen musste? Er hat ja vor allem in minoritären Organen wie der konkret und der taz publiziert, auf die die Journalisten der "großen" Medien seinerzeit doch eher von oben herab blickten. Bittermanns große Biografie ist für Seidl darum auch so etwas wie eine Wiedergutmachung.

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