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Das Dasein arabischer Scheichs ist für westliche Betrachter schwer zuverstehen. Unermesslicher Reichtum paart sich mit skurrilen Lebensgewohnheiten,Archaisches und Modernes bilden ein so eigentümlichesAmalgam, dass heute Tausendundeine Nacht in gläsernen Wolkenkratzernbeheimatet scheint.Ursprünglich bezeichnete der Titel »Scheich« das Oberhaupt eines Stammesoder einen geistlichen Führer. Seit der Umwandlung der Territorien amGolf in autoritär regierte Nationalstaaten jedoch nahmen den Titelsämtliche Mitglieder einer herrschenden Familie an. Die so entstandenenClans behandeln die (noch)…mehr

Produktbeschreibung
Das Dasein arabischer Scheichs ist für westliche Betrachter schwer zuverstehen. Unermesslicher Reichtum paart sich mit skurrilen Lebensgewohnheiten,Archaisches und Modernes bilden ein so eigentümlichesAmalgam, dass heute Tausendundeine Nacht in gläsernen Wolkenkratzernbeheimatet scheint.Ursprünglich bezeichnete der Titel »Scheich« das Oberhaupt eines Stammesoder einen geistlichen Führer. Seit der Umwandlung der Territorien amGolf in autoritär regierte Nationalstaaten jedoch nahmen den Titelsämtliche Mitglieder einer herrschenden Familie an. Die so entstandenenClans behandeln die (noch) sprudelnden Einnahmen aus Öl und Gas -wie die Oligarchen - als ihre Privatschatulle. Doch können ständig sichvermehrende Clans weiterhin aus der Palastkasse ausgehalten werden?Gern mietet man für private Zwecke ganze Luxushotels in westlichenMetropolen an, und natürlich sollte auch ein Jagdfalke seinen Besitzerstandesgemäß auf Reisen begleiten dürfen. Darüber hinaus werdenauch spektakuläre nationale Großprojekte in Angriff genommen, Ablegerwestlicher Museen wie Ufos in den Wüstensand gesetzt.Wolfgang Kemp öffnet uns mit seinem ebenso kenntnisreichen wieunterhaltsamen Essay den Blick in eine Welt, die - wie einst das Serail -für Fremde sonst verschlossen bleibt.
Autorenporträt
Wolfgang Kemp, Jahrgang 1946, war Professor für Kunstgeschichte in Kassel, Marburg und Hamburg. Seit seiner Emeritierung lehrt er an der Leuphana Universität Lüneburg. Zahlreiche Gastprofessuren führten ihn u. a. an die Harvard University, ans Wissenschaftskolleg Berlin und ans Getty Research Center in Los Angeles. Neben zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen zur Kunstgeschichte, Architektur und Fotografie schreibt er regelmäßig für die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«, die »Süddeutsche Zeitung«, die »Zeit« und den »Merkur«. Zuletzt sind von ihm erschienen »Foreign affairs. Die Abenteuer einiger Engländer in Deutschland 1900-1947« (2010) und »Der explizite Betrachter: zur Rezeption zeitgenössischer Kunst« (2015).

Anne Hamilton arbeitet als Lektorin und Herausgeberin für den zu Klampen Verlag. Dort gab sie »Lufthunde« (2008), »Zur Zukunft des Abendlandes« (2009), »Finderglück« (2010), »Islam und Toleranz« (2011), »Das Elend des Kulturalismus« (2011), »Faulheit« (2012), »Verehrte Denker« (2012), "Wie sich das Bürgertum in Form hält« (2012), »Goethes Autorität« (2013), »Gegen den Strom« (2013), »Die City« (2013), »Humor« (2014), »Beckett bei Karl Valentin« (2014), »Architektur« (2014), »Die Invasion der Barbaren« (2014), »Beschädigte Schönheit« (2014), »Im Reformhaus« (2015), »Sinnliche Vernunft« (2015), »Alle meine Kleider« (2015), »Am Zauberfluss« (2015), »Regisseurstheater« (2016), »Fälschungen, Verwandlungen« (2016), »Der Oligarch« (2016), »Die Niederlage der politischen Vernunft« (2017), »Scham« (2017), »Der Scheich« (2018), »Rüpel und Rebell« (2018), »Was vom Adel blieb« (2018), »Kulturpessimismus« (2018), »Der Osten« (2019) und »Unsere Wünsche« (2019) heraus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2018

Ab welcher Höhe werden Wolkenkratzer obszön?
Mit westlichen Maßstäben gemessen: Wolfgang Kemp schreibt einen polemischen Essay über die arabische Welt

Wolfgang Kemp möchte in seinem Essay die Typologie des "Scheichs" entwerfen, in durchaus polemischer Absicht. Vieles stimmt, was Kemp schreibt. Wenn er etwa die Korruption und die Kleptokratie in Saudi-Arabien aufspießt, die geringe Wettbewerbsfähigkeit der meisten arabischen Volkswirtschaften, die Willkür der Justiz, die doppelte Moral nicht weniger Prinzen und einfacher Saudis, die sich öffentlich anders geben als privat verhalten. Oder wenn er auf die Bedingungen kommt, unter denen die asiatischen Bauarbeiter malochen. Wobei Kemp verschweigt oder nicht weiß, dass die internationale Kritik inzwischen zur Verbesserung dieser Zustände geführt hat.

Selbst die überzeugenden Passagen des Buchs, zu denen auch das Kapitel über die Museen und den Kunstbetrieb am Golf zählt - schließlich ist der Autor von Haus aus ein renommierter Kunsthistoriker und ein gewiefter Beobachter des Kunstbetriebs -, leiden unter zu vielen Fehlern und Vorurteilen. Von den zahlreichen falsch geschriebenen Namen sehen wir dabei einmal ab. Aber wenn der frühere Chef der Religionspolizei von Mekka als Reaktionär dargestellt wird, entgeht dem Autor zugleich, dass dieser Mann einer der wichtigsten systemimmanenten Kritiker des wahhabitischen Islams geworden ist.

Auch war Abdullah, saudischer König von 2005 bis 2015, nie Verteidigungsminister des Landes, wie Kemp behauptet. Der Autor nimmt es überhaupt mit der Geschichte nicht so genau. Dem Attentäter auf König Faisal unterstellt er, den König 1975 getötet zu haben, weil er mit seiner Apanage von 3500 Dollar im Monat nicht zufrieden gewesen sei. Dabei tötete Faisal Bin Musaid den König aus Rache, weil er ihn für den Tod seines Bruders Khalid verantwortlich machte. Der war bei Protesten gegen die Einführung des Fernsehens, die Faisal angeordnet hatte, umgekommen. Das passt aber weniger in Kemps Story.

Kemp übt das Verfahren, westliche Konzepte auf die arabischen Verhältnisse anzuwenden. Unbestritten ist, dass die Arabische Halbinsel die westliche Form der Demokratie nicht kennt. Hätte sich Kemp aber wirklich mit der arabischen Stammesgesellschaft beschäftigt, wäre ihm nicht entgangen, dass es dort mehr basisdemokratische Prozesse als bei uns gibt. Stattdessen macht er sich über die Vereinigten Arabischen Emirate als eine "zum Staat aufgestiegene Duty-Free-Zone" lustig.

Ärgerlich ist es, wenn der Autor behauptet, die saudische Königsfamilie habe bis 1996 "nichts für die heiligen Stätten getan". Allein ein Vergleich mit alten Fotos widerlegt diese Behauptung rasch. Für die Reputation des Hauses Saud ist nichts wichtiger als der reibungslose Ablauf der Wallfahrt. Ärgerlich auch, dass Kemp die Höhe des Burj Khalifa in Dubai (868 Meter) "obszön" nennt, dem Islam unterstellt, dessen Expansionsverlangen beruhe "unter anderem auf der Förderung größtmöglicher Fruchtbarkeitsraten", und davon berichtet, der Architekt eines Projekts sei "ein Deutscher, allerdings ein zum Islam konvertierter". Also ein schlechter Deutscher?

Kemp bekommt vieles nicht mit, was in Saudi-Arabien geschieht. Etwa dass die reaktionären Religionsgelehrten Autorität einbüßen und ihre privilegierte Stellung verlieren. Denn die Menschen wollen ein normales Leben führen, und das Haus Saud, das die Monatsgehälter der Religionsgelehrten zahlt, nimmt diese immer entschiedener an die kurze Leine. Und in seinem Antiamerikanismus entgeht ihm, wie mit dem Ende der Pax Americana der Nahe Osten zerfällt und dadurch nicht besser wird.

Kemp beklagt, dass es in Dubai kein "nennenswertes Zentrum, keine attraktive Altstadt" gebe. Unverdrossen scheint er das alte Arabien zu suchen. Wer aber will sich heute noch in Bagdad, Damaskus oder Kairo niederlassen, den Städten mit "attraktiven Altstädten"? Dubai ist hingegen mit seinen modernen Zentren in der arabischen Welt der vergangenen zweihundert Jahre die einzige Erfolgsgeschichte. Herablassend nennt Kemp das eine bloße "Leihkultur". Ihm entgeht, dass in Dubai nicht der Islam radikal ist, sondern der Kapitalismus. Das passt ins Bild dieses verunglückten Essays über die arabische Welt.

RAINER HERMANN

Wolfgang Kemp: "Der Scheich".

Zu Klampen Verlag, Springe bei Hannover 2018. 208 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Ab welcher Höhe werden Wolkenkratzer obszön?
Mit westlichen Maßstäben gemessen: Wolfgang Kemp schreibt einen polemischen Essay über die arabische Welt

Wolfgang Kemp möchte in seinem Essay die Typologie des "Scheichs" entwerfen, in durchaus polemischer Absicht. Vieles stimmt, was Kemp schreibt. Wenn er etwa die Korruption und die Kleptokratie in Saudi-Arabien aufspießt, die geringe Wettbewerbsfähigkeit der meisten arabischen Volkswirtschaften, die Willkür der Justiz, die doppelte Moral nicht weniger Prinzen und einfacher Saudis, die sich öffentlich anders geben als privat verhalten. Oder wenn er auf die Bedingungen kommt, unter denen die asiatischen Bauarbeiter malochen. Wobei Kemp verschweigt oder nicht weiß, dass die internationale Kritik inzwischen zur Verbesserung dieser Zustände geführt hat.

Selbst die überzeugenden Passagen des Buchs, zu denen auch das Kapitel über die Museen und den Kunstbetrieb am Golf zählt - schließlich ist der Autor von Haus aus ein renommierter Kunsthistoriker und ein gewiefter Beobachter des Kunstbetriebs -, leiden unter zu vielen Fehlern und Vorurteilen. Von den zahlreichen falsch geschriebenen Namen sehen wir dabei einmal ab. Aber wenn der frühere Chef der Religionspolizei von Mekka als Reaktionär dargestellt wird, entgeht dem Autor zugleich, dass dieser Mann einer der wichtigsten systemimmanenten Kritiker des wahhabitischen Islams geworden ist.

Auch war Abdullah, saudischer König von 2005 bis 2015, nie Verteidigungsminister des Landes, wie Kemp behauptet. Der Autor nimmt es überhaupt mit der Geschichte nicht so genau. Dem Attentäter auf König Faisal unterstellt er, den König 1975 getötet zu haben, weil er mit seiner Apanage von 3500 Dollar im Monat nicht zufrieden gewesen sei. Dabei tötete Faisal Bin Musaid den König aus Rache, weil er ihn für den Tod seines Bruders Khalid verantwortlich machte. Der war bei Protesten gegen die Einführung des Fernsehens, die Faisal angeordnet hatte, umgekommen. Das passt aber weniger in Kemps Story.

Kemp übt das Verfahren, westliche Konzepte auf die arabischen Verhältnisse anzuwenden. Unbestritten ist, dass die Arabische Halbinsel die westliche Form der Demokratie nicht kennt. Hätte sich Kemp aber wirklich mit der arabischen Stammesgesellschaft beschäftigt, wäre ihm nicht entgangen, dass es dort mehr basisdemokratische Prozesse als bei uns gibt. Stattdessen macht er sich über die Vereinigten Arabischen Emirate als eine "zum Staat aufgestiegene Duty-Free-Zone" lustig.

Ärgerlich ist es, wenn der Autor behauptet, die saudische Königsfamilie habe bis 1996 "nichts für die heiligen Stätten getan". Allein ein Vergleich mit alten Fotos widerlegt diese Behauptung rasch. Für die Reputation des Hauses Saud ist nichts wichtiger als der reibungslose Ablauf der Wallfahrt. Ärgerlich auch, dass Kemp die Höhe des Burj Khalifa in Dubai (868 Meter) "obszön" nennt, dem Islam unterstellt, dessen Expansionsverlangen beruhe "unter anderem auf der Förderung größtmöglicher Fruchtbarkeitsraten", und davon berichtet, der Architekt eines Projekts sei "ein Deutscher, allerdings ein zum Islam konvertierter". Also ein schlechter Deutscher?

Kemp bekommt vieles nicht mit, was in Saudi-Arabien geschieht. Etwa dass die reaktionären Religionsgelehrten Autorität einbüßen und ihre privilegierte Stellung verlieren. Denn die Menschen wollen ein normales Leben führen, und das Haus Saud, das die Monatsgehälter der Religionsgelehrten zahlt, nimmt diese immer entschiedener an die kurze Leine. Und in seinem Antiamerikanismus entgeht ihm, wie mit dem Ende der Pax Americana der Nahe Osten zerfällt und dadurch nicht besser wird.

Kemp beklagt, dass es in Dubai kein "nennenswertes Zentrum, keine attraktive Altstadt" gebe. Unverdrossen scheint er das alte Arabien zu suchen. Wer aber will sich heute noch in Bagdad, Damaskus oder Kairo niederlassen, den Städten mit "attraktiven Altstädten"? Dubai ist hingegen mit seinen modernen Zentren in der arabischen Welt der vergangenen zweihundert Jahre die einzige Erfolgsgeschichte. Herablassend nennt Kemp das eine bloße "Leihkultur". Ihm entgeht, dass in Dubai nicht der Islam radikal ist, sondern der Kapitalismus. Das passt ins Bild dieses verunglückten Essays über die arabische Welt.

RAINER HERMANN

Wolfgang Kemp: "Der Scheich".

Zu Klampen Verlag, Springe bei Hannover 2018. 208 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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