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Der autobiografische Bericht von einem Mann voller Rätsel - von einem Juden aus Baku am Kaspischen Meer, der zum Muslim wurde. Essad Bey war zu seiner Zeit ein weltbekannter Orientexperte und faszinierend-schillernder Bestsellerautor Aiserbaidschan und die Region am Kaspischen Meer - seit dem Ölrausch Mitte des 19. Jahrhunderts im Fokus globaler Interessen, strategisches Spielfeld kolonialen Strebens und klandestines Ziel von Hitlers imperialen Plänen im Osten. Essad Beys »autobiografischer« Bericht führt in die Zeit um den Ersten Weltkrieg und präsentiert die lokalen Akteure, die ersten…mehr

Produktbeschreibung
Der autobiografische Bericht von einem Mann voller Rätsel - von einem Juden aus Baku am Kaspischen Meer, der zum Muslim wurde. Essad Bey war zu seiner Zeit ein weltbekannter Orientexperte und faszinierend-schillernder Bestsellerautor Aiserbaidschan und die Region am Kaspischen Meer - seit dem Ölrausch Mitte des 19. Jahrhunderts im Fokus globaler Interessen, strategisches Spielfeld kolonialen Strebens und klandestines Ziel von Hitlers imperialen Plänen im Osten. Essad Beys »autobiografischer« Bericht führt in die Zeit um den Ersten Weltkrieg und präsentiert die lokalen Akteure, die ersten Ölmillionäre, ethnische, religiöse und politische Konflikte zwischen Aserbaidschanern, Armeniern und Persern, Bolschewisten und Monarchisten, Christen, Juden und Muslimen rund um die erste Rohbenzin-, die »Naphtha«-Industrie. Vor dem Hintergrund einer Weltgeschichte, die sich in den wenigen Straßen, Pfaden, Hütten und Palästen der explosionsartig wachsenden Stadt Baku abspielt, schildert Essad Bey seine eigene Kindheit und Jugend als Sohn eines Ölbarons. Wurde die Glaubwürdigkeit der autobiografischen Details vielfach angezweifelt, lässt sich an der Eindrücklichkeit des Berichts noch die bis in die Gegenwart aktuelle Gemengelage an einer der erdölreichsten Regionen der Erde verstehen. Essad Beys Bericht verfügt über eine Authentizität, wie sie nur die Literatur auszeichnet.
Autorenporträt
Essad Bey, neben Kurban Said Pseudonym von Lew Nussimbaum (geb. 1905 in Kiew, Ukraine, oder Baku, Aserbaidschan, gest. 1942 in Positano, Italien) entstammte einer jüdischen Familien mit Wurzeln in Georgien und Weißrussland. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Baku, der Hauptstadt des ersten Ölbooms, bis er 1918 14-jährig gemeinsam mit seinem Vater über Persien, zurück über Baku nach Georgien und die Türkei geflohen ist, um in den 1920er-Jahren in Berlin zu stranden. Dort begann er unter verschiedenen Pseudonymen seine sprunghafte schriftstellerische Karriere, mindestens 16 Bücher entstammen seiner Feder, darunter Biographien von Lenin, Reza Schah und dem letzten Zaren Nikolaus II. Spätestens 1922 konvertierte er zum Islam und nannte sich fortan hauptsächlich Essad Bey. Den Weltbesteller Ali und Nino veröffentlichte er unter dem Pseudonym Kurban Said. Nach Stationen in Wien, New York und Hollywood starb er, auf der Flucht vor den Nazis, südlich von Neapel. Noch von seinem Sterbebett aus ersuchte er die italienischen Behörden, eine Biographie Benito Mussolinis schreiben zu dürfen. Sein abenteuerliches Leben und die Fährten, die er mit seinen wechselnden Identitäten gelegt hat, erschloss zuletzt Tom Reiss in "Der Orientalist" (dt. Ausgabe 2008). Sebastian Januszewski ist Mitarbeiter am Literaturhaus Berlin und veranstaltet regelmäßig literarische Führungen. Er hat im November 2017 in der Reihe Frankfurter Buntbücher (Nr. 62) "Essad Bey in Berlin (1921-1933)" veröffentlicht. Marko Martin lebt, sofern nicht auf Reisen, als Schriftsteller in Berlin. In der Anderen Bibliothek erschienen seine Bücher Schlafende Hunde (Band 298) und Die Nacht von San Salvador (Band 345) und Dissidentisches Denken (Band 415).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.08.2018

Abenteuer eines Chamäleons
„Öl und Blut im Orient“: Vor neunzig Jahren begannen unsere Islamdebatten
mit dem Buch des 24-jährigen, zum Islam konvertierten Juden Essad Bey
VON STEFAN WEIDNER
Man verschlingt dieses Buch in einem Zug, aber bis zum Schluss wissen wir nicht, worum es sich eigentlich handelt: Um ein orientalisches Märchen, um einen Schelmenroman, eine romanhafte Autobiografie, einen Augenzeugenbericht, eine Kulturgeschichte, ein zeitgeschichtliches Sachbuch, eine antibolschewistische Propagandaschrift? Die Frage nach Genre und Wahrheitsgehalt ist alles andere als akademisch. Die leichthin angeschlagenen Themen sind bis heute von größter Sprengkraft.
So schillernd wie das Buch ist sein Autor. Zu seinen Lebzeiten (1905 – 1942) war Essad Bey zwar berühmt und berüchtigt, aber kaum jemand wusste, wer er wirklich war: Für die einen ein Jude, für die anderen ein Muslim, für die einen ein Deutscher, für die anderen ein Russe oder einfach nur ein Spion, Hochstapler, Scharlatan. Halbwegs gesicherte Informationen haben wir über ihn erst seit der großartigen Biografie von Tom Reiss, „Der Orientalist“ (Deutsch 2008).
Lev Nussimbaum, wie er ursprünglich hieß, war das einzige Kind eines im Ölgeschäft zu Wohlstand gekommenen ukrainisch-jüdischen Kaufmanns. Von der bolschewistischen Revolution aus Baku nach Europa vertrieben, ging er in Berlin auf das russische Gymnasium. 1922 konvertierte er in Berlin zum Islam; weniger aus religiösen Gründen als aus Faszination für eine Kultur, die er als offenherziger und kosmopolitischer erlebt hatte als die der Kommunisten und Nationalisten, die seine Familie vertrieben und enteignet hatten. Aus Lev wurde der arabische Name für Löwe, Essad. Unter diesem Namen veröffentlichte er die meisten seiner Bücher, allerdings nicht sein bekanntestes. Wie Reiss nachgewiesen hat, ist Essad Bey nämlich auch der Autor von „Ali und Nino“, einem populären, noch heute lesenswerten Liebesroman aus dem Kaukasus, geschrieben auf Deutsch und publiziert 1937 in Wien unter dem Pseudonym Kurban Said.
Bereits mit Anfang zwanzig regelmäßiger Mitarbeiter der renommierten „Literarischen Welt“, wurde Essad Bey mit seinem nun wieder aufgelegten Erstling auf einen Schlag ein skandalumwitterter Bestsellerautor, gegen den pensionierte deutsche Generäle ebenso polemisierten wie eine kuriose Allianz aus Bolschewisten, Muslimen und Antisemiten.
Obwohl von 1935 an mit Publikationsverbot belegt (deshalb das Pseudonym Kurban Said) und zur Flucht nach Italien genötigt, blieb er bis zu seinem frühen Tod aufgrund einer Gefäßkrankheit ein Anhänger der Faschisten. Ihnen allein traute er zu, den Bolschewismus zu besiegen. Zwar war er ein Vielschreiber. Doch dass er nahezu völlig aus unserem kulturellen Gedächtnis gelöscht wurde, ist ein Unglück. Er war nicht nur einer der wenigen Vorkriegsautoren, die ein populäres, kundiges und sympathisches Orientbild vermittelten; er war von heute aus gesehen auch Urahn und Vorfahre all jener aus der islamischen Welt zugewanderten Autoren, die sich für das Deutsche als ihre Literatursprache entschieden haben. Und auch nach neunzig Jahren liest sich „Öl und Blut im Orient“ wie eben erst geschrieben.
So wenig Essad Bey davor zurückschreckt, die im Titel anklingenden Klischees zu bedienen, so sehr hat er sich zugleich den Kampf gegen Vorurteile auf die Fahnen geschrieben. Nach einigen süffisanten Anekdoten aus dem Harem eines Sultans erklärt Essad Bey aus Anlass der bolschewistischen Plünderungen Bakus von 1918: „Ein Harem ist in den Häusern des Mittelstandes das Zimmer, das die Frau des Hauses – meistens nur eine – mit ihren Kindern bewohnt.“ Und setzt hinzu: „Auch ich wurde geplündert; ich führte die Leute selbst durch mein Zimmer und machte sie auf das und jenes aufmerksam, was sie eventuell gebrauchen könnten. Sie dankten verwundert und griffen zu.“
Mit dem Harem verhält es sich wie mit den europäischen Ethnologen, die nach Baku kommen, um Dinge zu finden, welche die Einwohner seit jeher kannten. Den Tempel der Feueranbeter zum Beispiel, dessen Entdeckung „trotz eifrigen Suchens der Gelehrten nur einem glücklichen Zufall zu verdanken gewesen sei“, wie Essad Bey ironisch schreibt, steht „inmitten des Ölbetriebs und ist ein beliebter Ausflugsort der Stadtbewohner.“
Mit einem Federstrich werden die Anthropologen abgefertigt, die Schädel vermessend durch die Welt zogen: „Die Leute auf dem Lande haben nämlich keine Schädel, die den üblichen Proportionen entsprechen. Der Schädel des Bauern ist willkürlich geformt und entspricht nicht seinen Rassemerkmalen, sondern dem Schönheitssinn seiner Eltern oder noch besser der geltenden Mode“ – Kinderschädel sind formbar! Auch sonst erteilt Essad Bey allen Konzepten von Blut und Rasse eine entschiedene Absage. Mag er mit den Faschisten sympathisiert haben, in seinen Schriften ist er ein Humanist. Die Verbrechen der Bolschewisten werden klar benannt; aber dieselbe Empörung gilt der katastrophalen Situation der einfachen Arbeiter auf den Ölfeldern.
Dabei erspart uns Essad Bey weder die brutalen Details der durchaus wechselseitigen Massaker von Muslimen und Armeniern, noch die nicht weniger brutale Vorgehensweise mal der deutschen, mal der englischen Eroberer Bakus. Das alles wird zusammengehalten vom erzählerischen Rahmen der mit zahlreichen, teils sicher erfundenen Anekdoten angereicherten Jugend- und Fluchtgeschichte. Wir wissen seit der Biografie von Tom Reiss aber auch, dass erschreckend viel daran wahr ist: Die behütete Kindheit inmitten der verfeindeten Ölbarone von Baku, die vorrevolutionären Wirren, der Selbstmord der Mutter, die eine Freundin des jungen Stalin war, die Flucht über das Meer und durch die Wüste, die Verstecke in Kellern und Palästen, bei Freunden und Fremden.
Essad Bey ist ein Simplicissimus des zwanzigsten Jahrhunderts, nur dass der Orient sich seit 1914 nicht in einem dreißigjährigen, sondern einem über hundertjährigen Krieg befindet. Trotzdem wünscht man sich beinah, es würde in der Realität so zugehen wie in diesem Buch: „Die Rettung kam, wie immer, unerwartet und im letzten Augenblick, fast wie in einem Kolportageroman schlimmster Sorte.“
Bis der unerwartete Augenblick endlich eintritt, können wir uns mit diesem bibliophil gestalteten Buch trösten, abgerundet durch eine biografische Skizze über den Autor von Sebastian Januszewski und eine Ortsbegehung Marko Martins in Baku, wo die Erbdiktatur der Aliyevs die blutige Groteske, die Essad Bey geschildert hat, laufend um neue Spielarten erweitert.
Mit einem Federstrich fertigt
Essad Bey die Anthropologen ab,
die ständig Schädel vermessen
Dieser Mann war ein
Simplicissimus des
zwanzigsten Jahrhunderts
Der „Tempel der Feueranbeter“ in Suratschani bei Baku, hier in einer undatierten Aufnahme eines russischen Fotografen. Als Essad Bey den Tempel nach dem Ersten Weltkrieg besucht, steht er „inmitten des Ölbetriebs und ist ein beliebter Ausflugsort der Stadtbewohner“.
Foto: oh
Essad Bey: Öl und Blut im Orient. Autobiographischer Bericht. Mit einem Nachwort von Sebastian Januszewski und einem Essay von Marko Martin. Die Andere Bibliothek, Berlin 2018. 360 Seiten, 42 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ist dieses Buch nun ein orientalisches Märchen, ein Schelmenroman, eine Autobiografie oder eine antibolschewistische Propagandaschrift, fragt sich Rezensent Stefan Weidner nach der Lektüre von Essad Beys 1929 erstmals veröffentlichten Werk "Öl und Blut im Orient". Im Grunde egal, denn das Buch "schillert" wie sein Autor, fährt der Kritiker fort, der zunächst Beys Biografie resümiert: Geboren unter dem Namen Lev Nussimbaum als Sohn eines ukrainisch-jüdischen Ölbarons, floh er im Zuge der bolschewistischen Revolution von Baku nach Berlin, konvertierte zum Islam, publizierte früh in der "Literarischen Welt", schrieb nach einem Publikationsverbot unter dem Namen Kurban Said und floh nach Italien, wo er sich bis zu seinem frühen Tod den Faschisten anschloss. Von Faschismus entdeckt der Rezensent in diesem seiner Meinung nach brandaktuellen Werk allerdings keine Spur - vielmehr lernt er den Autor als "Humanisten" kennen, der ein ebenso aufgeschlossenes wie kenntnisreiches Bild des Orients vermittele, gegen Klischees und "Blut- und Boden"-Konzepte anschreibe, die Verbrechen der Bolschewisten benenne, zudem amüsante Anekdoten liefere. Die "bibliophile" Edition, das instruktive Bey-Porträt von Sebastian Januszewski und Marko Martins Ortsbegehung in Baku lassen den Rezensenten eine klare Leseempfehlung aussprechen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Man verschlingt dieses Buch in einem Zug ... " Stefan Weidner Süddeutsche Zeitung 20180831