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Die Bewegung Black Lives Matter hat die Lebenswelten Schwarzer Menschen auch in Europa in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Doch was die Geschichte anbelangt, bleibt die Schwarze Präsenz auf dem Kontinent weiterhin ausgespart. Mit ihrer fulminanten historischen Gesamtdarstellung, die von Schweden über Deutschland bis nach Griechenland führt, füllt Olivette Otele endlich diesen allzu weißen Fleck in der Geschichtsschreibung Europas.Otele erzählt von Personenschicksalen und Schauplätzen der Begegnung, vom engen Austausch zwischen Afrika und Europa, der mit den römischen Expansionsbewegungen…mehr

Produktbeschreibung
Die Bewegung Black Lives Matter hat die Lebenswelten Schwarzer Menschen auch in Europa in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Doch was die Geschichte anbelangt, bleibt die Schwarze Präsenz auf dem Kontinent weiterhin ausgespart. Mit ihrer fulminanten historischen Gesamtdarstellung, die von Schweden über Deutschland bis nach Griechenland führt, füllt Olivette Otele endlich diesen allzu weißen Fleck in der Geschichtsschreibung Europas.Otele erzählt von Personenschicksalen und Schauplätzen der Begegnung, vom engen Austausch zwischen Afrika und Europa, der mit den römischen Expansionsbewegungen begann und im historischen Verlauf heute oftmals vergessene Schwarze Heilige, Herrscher und Intellektuelle hervorbrachte. Auf diese Weise macht sie die Konjunkturen der mitnichten immer gleichbleibenden Unterdrückung Schwarzer Menschen fassbar: den Terror der Sklaverei, Schwarze Körperlichkeit und ihre Exotisierung, ebenso aber auch die Schwarzen Widerstandsbewegungen und Bruderschaften, diefür die Freiheit kämpften und die Vorgeschichte der Proteste unserer Tage darstellen.Mit politischer Verve, aber mit Blick für die Ambivalenzen zeichnet Otele das revolutionäre Bild eines immer schon »afrikanischen« Europas, das nötig ist, um die Auseinandersetzungen der Gegenwart und der Zukunft zu verstehen.
Autorenporträt
Olivette Otele, 1970 geboren in Yaoundé/Kamerun, studierte an der Pariser Sorbonne und ist heute Professorin für die Geschichte der Sklaverei an der Universität Bristol. Sie ist die erste Woman of Colour überhaupt, die im Vereinten Königreich eine Geschichtsprofessur bekleidet. Zudem amtiert sie als Vizepräsidentin der Royal Historical Society. Sie gilt als eine der wichtigsten Forscherinnen zur Schwarzen Geschichte, wobei ein Schwerpunkt ihrer Arbeit auf dem kollektiven Gedächtnis in postkolonialen Gesellschaften und afroeuropäischen Erinnerungskulturen liegt. Sie tritt international regelmäßig in den Medien auf und wurde von der BBC 2019 zu einer der 100 inspirierendsten Frauen gewählt. Sie twittert unter @OlivetteOtele.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Rezensent Jens Balzer empfiehlt das Buch der britischen Historikerin Olivette Otele über afroeuropäische Biografien aus zwei Jahrtausenden. Inwieweit solche Lebensgeschichten und Legenden wie die des Gelehrten Juan Latino in Granada, des schwarzen Märtyrers Mauritius oder auch die heutiger Rapperinnen europäische Kultur und Geschichte geprägt haben und wie sich allmählich Ideen eines rassischen Unterschieds durchsetzen, erörtert Otele laut Balzer in einer gelungenen Verbindung aus Exzeptionellem und Exemplarischen. Etwas weniger Spunghaftigkeit und mehr Stringenz hätten dem Buch nicht geschadet, erklärt Balzer.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.2022

Die Spur des Mauritius
Olivette Otele über afrikanische Europäer

Als die amerikanische Autorin Gretchen Gerzina vor mehr als dreißig Jahren bei der Recherche zu ihrem Buch "Black London" auf der Suche nach einem Exemplar von Peter Fryers Pionierstudie zur langen Geschichte schwarzer Menschen in Großbritannien eine Londoner Buchhandlung betrat, beschied sie die Verkäuferin, vor 1945 hätten gar keine Schwarzen in Großbritannien gelebt. Ob eine solche Episode heute noch denkbar ist? In den vergangenen Jahren erschienen jedenfalls zahlreiche substanzielle historische Darlegungen zu "afrikanischen Europäern". Ihre Geschichte kann daher schwerlich als "unerzählt" gelten, wie der Untertitel von Olivette Oteles Studie behauptet. Ihr Buch ist gleichwohl willkommen, denn es bietet eine breit angelegte, gut zugängliche Synthese der Geschichte von Afroeuropäern von der Antike bis in die Gegenwart, die neben aus der Forschung bereits bekannten Aspekten viele neue Facetten beiträgt. Besonderes Augenmerk legt die Verfasserin darauf, wie sich auf Religion, "Rasse", Klasse und Geschlecht basierende soziale Hierarchien über die Zeit beständig wandelten, aber weiterhin höchst wirkmächtig sind.

Die in Kamerun geborene, in Frankreich aufgewachsene und ausgebildete Autorin war die erste schwarze Geschichtsprofessorin in Großbritannien und bekleidet seit zwei Jahren den neu geschaffenen Lehrstuhl für die Geschichte der Sklaverei an der Universität Bristol, in jener Stadt also, in der wenige Monate vor Oteles Berufung Demonstrierende die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston ins Hafenbecken warfen. Damit wollten sie auf der Verbindung zwischen der Vergangenheit der Sklavenhandelsnation England und dem aktuellen Rassismus verweisen, ein Thema, das im Zentrum von Oteles wissenschaftlicher und politischer Arbeit steht.

Zu den Vorzügen von Oteles Studie gehört die Verknüpfung der Geschichten von "gewöhnlichen" und "außergewöhnlichen" Persönlichkeiten, um auf diese Weise die Komplexität des afroeuropäischen Erbes deutlich zu machen. Dabei holt sie zeitlich weit aus. Außergewöhnlich etwa waren das sagenumwobene Leben und vor allem Nachleben von Mauritius, einem vermeintlich in Ägypten geborenen römischen Legionär, der 287 n. Chr. auf Befehl von Kaiser Maximian in Gallien hingerichtet wurde, weil er, so die Erzählung, Jupiter nicht habe huldigen wollen und sich zudem gesträubt habe, an der Christenverfolgung teilzunehmen. Die Legende vom "Heiligen Mauritius" verbreitete sich im Mittelalter in vielen Teilen Europas und fand ihren Ausdruck etwa in einer im dreizehnten Jahrhundert errichteten Statue im Magdeburger Dom. Seine afrikanischen Züge, schreibt Otele, hätten für seine Zeitgenossen kein Problem dargestellt, da er selbst Ausdruck der grenzüberschreitenden gemeinsamen Werte war, die durch das starke Römische Reich verkörpert wurden. Schwarze Heilige hätten im mittelalterlichen Europa eine eine bemerkenswerte und zugleich ambivalente Rolle gespielt. Ihre damalige Wahrnehmung verweise etwa auf sich langsam verändernde Vorstellungen von "Rasse", die bereits Aspekte späterer rigider Definitionen vorwegnahmen.

Im Kontext des transatlantischen Sklavenhandels wurden Afrikaner dann auf der untersten Stufe der Rassenhierarchien platziert. Der europäische Wettbewerb um Waren und Sklavenmärkte transformierte die Beziehungen zwischen Europa und Afrika nachhaltig. Dies illustriert Otele etwa am Beispiel des afroniederländischen Geistlichen Jacobus Capitein, der 1742 an der Universität Leiden eine Dissertation mit dem Titel "Über die Sklaverei als nicht im Widerspruch zu christlicher Freiheit stehend" verteidigte und im Anschluss als Missionar nach Westafrika ging, wo er später desillusioniert und hoch verschuldet starb.

Im abschließenden Kapitel des Buches untersucht die Autorin, inwiefern Gender und im Besonderen dem Afrofeminismus eine wichtige Bedeutung bei der Herausbildung afroeuropäischer Identitäten zukommen. Sie beleuchtet des Weiteren die Diskrepanzen innerhalb der Europäischen Union im Umgang mit Diskriminierung und endet mit einem klaren Appell: Der Weg der Gleichberechtigung von schwarzen Menschen in Europa könne nur durch Zugang zu politischer Macht und einer bedeutsamen Repräsentation in allen Disziplinen, Branchen und Institutionen erreicht werden. ANDREAS ECKERT

Olivette Otele: "Afrikanische Europäer". Eine unerzählte Geschichte.

Aus dem Englischen von Yasemin Dinçer. Wagenbach Verlag, Berlin 2022. 304 S., geb., 28,- Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.06.2022

Was sie verbindet
Die Historikerin Olivette Otele erzählt Biografien „Afrikanischer Europäer“ von der Antike bis zu den
Afrofeministinnen von heute. Und schreibt damit die Geschichte eines Kontinents neu
VON PETER BURSCHEL
Juan Latino war ein Wunderkind, ein Ausnahmegelehrter des 16. Jahrhunderts, Latinist, Humanist, Dichter hoher Herren – und er war Sklave und schwarz. Selbst in Andalusien geboren, stammten seine Eltern wohl aus Westafrika. Als Lehrstuhlinhaber an der Universität Granada heiratete er möglicherweise noch vor der endgültigen Freilassung eine seiner weißen Schülerinnen aus wohlhabendem adeligen Haus und gründete eine Familie, mit der er standesgemäß umgeben von Dienerinnen und Dienern mitten im christlichen Zentrum von Granada lebte, wo er am Endes des Jahrhunderts hochbetagt starb.
Eine Volkszählung des Jahres 1561 weist in seinem Viertel mehr als 50 Sklaven aus. Obwohl Juan Latino sich der Unterstützung – und des Schutzes – einflussreicher Freunde und Gönner sicher sein konnte, scheint er doch sehr genau gewusst zu haben, wie ungewöhnlich, ja wie prekär seine Existenz war. So betont er in seinen Dichtungen immer wieder, dass er aus Äthiopien stamme, um auf diese Weise seine afrikanische Herkunft und damit seine schwarze Hautfarbe in ein biblisch-christliches Licht zu rücken. Auffällig sind zudem seine Versuche, die Äthiopier von den Morisken abzugrenzen, jenen spanischen Muslimen, die gezwungen worden waren, zum Christentum zu konvertieren.
Es sind Lebensgeschichten wie die von Juan Latino, die das Buch „Afrikanische Europäer“ ausmachen, und das vor allem deshalb, weil es die Verfasserin – die in Bristol lehrende Historikerin Olivette Otele – versteht, sie als „Ausnahmegeschichten“ so in den Blick zu nehmen, dass sie ihre Bedingungen, Umgebungen und Gefährdungen preisgeben.
Die Lebensgeschichte Juan Latinos wird auf diese Weise zu einer Geschichte des außergewöhnlich Normalen, die nicht zuletzt tiefe Einblicke in die Spielräume der Selbstwahrnehmung von „Schwarzsein“ im 16. Jahrhundert ermöglicht. Indem die Verfasserin die Lebensgeschichten von Afroeuropäerinnen und Afroeuropäern darüber hinaus durchgängig körper-, geschlechter- und religionsgeschichtlich taxiert, gelingt es ihr, aus Geschichten eine Geschichte zu machen, die bislang in der Tat „unerzählt“ geblieben ist, wie es im Untertitel heißt.
Eine Geschichte, die noch dazu von der Antike bis in die Gegenwart reicht und deshalb in besonderer Weise geeignet ist, den Wandel gesellschaftlicher und kultureller Wahrnehmungs- und Deutungsmuster – wie die von Hautfarbe – in der longue durée zu beobachten: vom römischen Legionär Mauritius im 3. Jahrhundert, der es bis zum Heiligen brachte, bis hin zu den Afrofeministinnen unserer Tage. Das aber heißt auch: Indem die Verfasserin afroeuropäische Lebensgeschichten über gemeinsame Erfahrungen der In-, vor allem aber der Exklusion miteinander in Beziehung setzt, legt sie Zusammenhänge frei, die es ermöglichen, europäische Geschichte neu zu denken und neu zu schreiben.
Das vorliegende Buch umfasst sieben Kapitel, die moderat chronologisch angeordnet sind, wobei der chronologische Zuschnitt auch konzeptionell überzeugen kann. So haben zum Beispiel der transatlantische Sklavenhandel „und die Erfindung von race“ in Europa ebenso ein eigenes Kapitel erhalten wie das postkoloniale kollektive „Ent-Erinnern“ („un-remembering“) ehemaliger europäischer Kolonialmächte oder Kolonialgesellschaften.
Gleichzeitig erlauben es die afroeuropäischen Lebensgeschichten immer wieder, die Frage nach Körper, Geschlecht und Religion zu variieren und zu differenzieren, was in einigen Fällen regelrechte Exkurse entstehen lässt: so zur sexualisierten Gewalt gegen schwarze Frauen – oder zur politischen Bedeutung von „Afrohaar“; zu afroeuropäischen Erfahrungen „doppelter Herkunft“ („dual heritage“) ebenso wie zu interethnischen Lebensgemeinschaften; aber auch zu Formen des Widerstands, zu Handlungsspielräumen und Karrieremustern.
So produktiv die Verfasserin das Konzept der Untersuchung von „Ausnahmegeschichten“ ohne Frage macht: Es setzt auch Grenzen – oder erschwert doch zumindest systematische Analysen von Entwicklungen langer Dauer. Um nur ein Beispiel zu nennen: Obwohl die Wahrnehmung und Deutung von Hautfarbe in allen Kapiteln thematisiert wird, bleibt der Prozess, in dessen Verlauf die Hautfarbe zu einem kollektiven Medium gesellschaftlicher und kultureller Taxierung wurde, weitgehend unsichtbar. Konkret: Wir erfahren nicht, dass die Hautfarbe erst im Laufe der frühen Neuzeit zu jenem überindividuellen Unterscheidungsmerkmal wurde, das es erlaubte, europäisch-afroeuropäische Begegnungen und Beziehungen chromatisch zu strukturieren, zu klassifizieren und nicht zuletzt auch zu hierarchisieren. Und wir erfahren auch nicht, dass im Laufe dieses Prozesses ein Begriff anthropologisiert (und popularisiert) wurde, der bis zur Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert mehr oder weniger ausschließlich die Abstammung von Hunden und Pferden bezeichnet hatte: der Begriff der „Rasse“.
Und doch: Die Vorteile des Konzepts überwiegen schon deshalb, weil es die afroeuropäischen Erfahrungen – so unterschiedlich sie waren und sind – in eine dynamische und komplexe Geschichte verwandelt, die eine Geschichte von Gewalt, aber auch von „Identität und Befreiung“ ist, wie das abschließende Kapitel noch einmal nachdrücklich vor Augen führt. Eine Geschichte, die den Latinisten Juan Latino, den Missionar Jacobus Capitein, den Boxer Battling Siki, die Kulturanthropologin Gloria Wekker und die Journalistin Rokhaya Diallo über die Jahrhunderte miteinander verbindet.
Eine Geschichte, die Olivette Otele zugleich als Appell für politische – und institutionelle – Partizipation von Afroeuropäerinnen und Afroeuropäern versteht, die ihre Anwesenheit lange Zeit nur auf „Zehenspitzen“ geltend machen konnten.
Zu lange konnten sie ihre
Anwesenheit nur auf
„Zehenspitzen“ geltend machen
Die 1970 in Kamerun geborene britische Historikerin Olivette Otele ist Professorin für die Geschichte der Sklaverei an der Universität Bristol. Foto: JLK/Wagenbach
Figuren verschiedener Jahrhunderte und aus dem Sachbuch von Olivette Otele: Der niederländische Missionar und
Geistliche Jacobus Capitein, geboren etwa 1717, der Boxer Battling Siki, Jahrgang 1897 und die
französische Journalistin Rokhaya Diallo, 1978 geboren.
Foto: imago/Artokoloro/Everett Collection/Pascal Le Segretain/Getty.
Olivette Otele:
Afrikanische Europäer. Eine unerzählte Geschichte. Aus dem Englischen von Yasemin Dinçer. Wagenbach, Berlin 2022. 304 Seiten, 28 Euro.
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