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Als Tini ihr Baby verliert, steht für die Mittdreißigerin und ihren Freund Fritzemann die Welt still. Eine Rückkehr ins "normale" Leben scheint unmöglich, der eigene Körper wird plötzlich zum Feind. Auf Tini wartet ein Leben im Konjunktiv, sie wird von quälenden Fragen heimgesucht, Fragen nach Schicksal und Schuld, nach Strafe und Gerechtigkeit. Ganz allmählich gelingt es den beiden, sich aus der lähmenden Ohnmacht herauszuarbeiten.

Produktbeschreibung
Als Tini ihr Baby verliert, steht für die Mittdreißigerin und ihren Freund Fritzemann die Welt still. Eine Rückkehr ins "normale" Leben scheint unmöglich, der eigene Körper wird plötzlich zum Feind. Auf Tini wartet ein Leben im Konjunktiv, sie wird von quälenden Fragen heimgesucht, Fragen nach Schicksal und Schuld, nach Strafe und Gerechtigkeit. Ganz allmählich gelingt es den beiden, sich aus der lähmenden Ohnmacht herauszuarbeiten.
Autorenporträt
*1977 in Dresden. Studierte Philosophie und Psychologie in Dresden und Berlin. Sie arbeitet als Comiczeichnerin und Karikaturistin in Berlin. 2013 Gründung von Parallelallee, ein kleiner Verlag für Comics und illustrierte Literatur. www.pararallelallee.de
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2019

Sein Name
überall
Tina Brenneisen erzählt vom Verlust ihres
Kindes: „Das Licht, das Schatten leert“
VON CHRISTOPH HAAS
Zwei Tendenzen gibt es unter den autobiografischen Comics. Da sind einerseits diejenigen, die Alltägliches, fast schon Banales erzählen. Sie leben vom Reiz der Exhibition, von der schamlosen, teils selbstironischen Zurschaustellung mittelständischer Neurosen. Einer der Begründer und unbestrittener Meister dieser Disziplin ist Robert Crumb. Und andererseits sind da die Comics, die von schweren Schicksalsschlägen erzählen, von furchtbaren Ereignissen, nach denen für die Beteiligten nichts mehr sein kann wie zuvor. Hierzu gehören etwa „Maus. Die Geschichte eines Überlebenden“ von Art Spiegelman (1986, 1991) oder „Die Leichtigkeit“ (2016) der früheren Charlie Hebdo-Redakteurin Catherine Meurisse.
In „Das Licht, das Schatten leert“ geht es nicht um den Holocaust, auch nicht um einen blutigen Terroranschlag, und doch ist dies eine herzzerreißende Lektüre: Die in Berlin ansässige Zeichnerin Tina Brenneisen berichtet mit maximaler Offenheit von der Totgeburt ihres Kindes und davon, was diese katastrophale Erfahrung in ihrem Leben angerichtet hat. Tini, wie sie sich im Comic nennt, und ihr Partner Fritzemann sind zunächst guter Dinge. Zum ersten Mal werden sie Eltern. Sie freuen sich auf ihren Sohn, der Lasse heißen soll, und als die Fruchtblase platzt, fahren sie nicht weiter beunruhigt ins Krankenhaus. Dort erfahren sie die Schockdiagnose: Das Kind ist tot. Ursache: ein von den Ärzten fahrlässig nicht erkannter Schwangerschaftsdiabetes. Was folgt, ist eine Tortur, der vergebliche Versuch, das Baby wenigstens auf natürliche Weise zur Welt zu bringen, bevor es nach Stunden schließlich doch per Kaiserschnitt geholt werden muss.
Aber das ist erst der Anfang. Aus dem Krankenhaus heimgekehrt, fühlt Tini sich doppelt versehrt, physisch wie psychisch. „Ich selbst habe gerade überhaupt kein Verhältnis zu meinem Körper“, denkt sie, im Bett liegend wie in einem Grab. „In meinen Augen hat er versagt. Er hat mich nicht rechtzeitig gewarnt. Ich vertraue ihm nicht mehr.“ Ein Panel zeigt sie mit einem Rumpf, der durch einen offenen, leeren Sarg ersetzt worden ist. Immer wieder kritzeln sie und Fritzemann sich den Namen ihres Sohnes wechselseitig mit Filzstiften überall auf den Körper – ein verzweifelter Versuch, den Verlust, den sie erlitten haben, sich begreiflich zu machen und das Kind wenigstens im Medium der Schrift so nah wie möglich präsent zu halten. Zugleich hadert Tini, obwohl sie, in der DDR geboren, zuvor nie etwas mit Religion zu tun hatte, heftig und in hilfloser Wut mit Gott, dem sie seine „extreme Fiesheit“ vorwirft: „Was ist es denn sonst, ein Menschenkind neun Monate gedeihen zu lassen und ihm dann einfach die Luft abzuschnüren?“
Wie Wellen um einen Stein, den man ins Wasser geworfen hat, dehnt sich das Unglück, das Tini heimsucht, in konzentrischen Kreisen aus. Als sie sich zunächst völlig von allem zurückzieht, will sie auch ihre Eltern und ihre Schwester nicht sehen. Diese reagieren beleidigt, mit völligem Unverständnis. Bei einem Besuch der Eltern kommt es dann zu peinlichen Szenen und einem Zerwürfnis. In Tini brechen alte Wunden auf; sie erinnert sich schmerzlich daran, wie ihre Eltern stets ihre Bedürfnisse und Interessen ignoriert haben. Eine gelungene Kommunikation, geschweige denn ein liebevoller Umgang der Eltern mit ihrer Tochter, erweist sich als unmöglich. Als der Vater am Gartentor den Außenspiegel des Autos abfährt, führt dies bei der Mutter zu einem heftigen Gefühlsausbruch: Ginge jetzt noch der Motor kaputt, es wäre eine Katastrophe! Tinis Leid dagegen lässt sie unberührt.
Allein die Wucht, die dieser Comic in rein stofflicher Hinsicht besitzt, ist ungeheuerlich. Umso beachtlicher ist, dass Tina Brenneisen sich hierauf nicht verlassen, sondern sich auch um einen dramaturgisch kluge Gliederung bemüht hat. Sie erzählt nicht strikt chronologisch, sondern beginnt mit hochemotionalen Schlüsselszenen nach der Geburt; Erklärungen, wie es zu ihnen gekommen ist, liefert sie später nach. In ihren herbstlich kolorierten Zeichnungen kümmert Brenneisen sich oft wenig um Perspektiven und Proportionen. Was sonst ein Mangel wäre, erscheint hier, wo es um den Verlust so vieler Sicherheiten geht, gerade angemessen. In der erschütterndsten Szene des Bandes schreit Tini, während sie den aus der Leichenkammer geholten Lasse im Arm hält, zwei Mal halb irre: „Wir müssen hier weg! Wir sind die Toten!“ Angesichts solcher Erfahrungen kann am Ende kein Happy End stehen. Tini kann sich nur langsam, vorsichtig in die Welt zurücktasten – und schon diese Erfahrung hat für sie wohl etwas Erlösendes.
Tina Brenneisen
(Text/Zeichnungen):
Das Licht, das Schatten leert.
Edition Moderne, Zürich 2019.
240 Seiten, 29 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.01.2020

Nach dreimal unerwartet frühem Sterben

Die Comiczeichner Tina Brenneisen, Nick Drnaso und Luz zeigen in ihren sensationellen neuen Büchern, was das Weiterlebenmüssen für diejenigen, denen Menschen genommen wurden, bedeutet.

In diesem Jahr sind drei herausragende Comics erschienen, die thematisch eines eint: das Leben nach dem Tod. Nicht im religiösen Sinne, sondern als Fallstudien über Hinterbliebene, Weiterlebenmüssende also. Und zugleich erzählen alle drei Comics beklemmend über unsere Gegenwart, obwohl der eine als Paarporträt ganz privat ist, der zweite als Phänomenologie der Sozialen Medien ganz öffentlich und der dritte als Hommage an ein Redaktionskollektiv ganz politisch. Was den Stil betrifft, sind sie sowohl graphisch als auch erzählerisch denkbar unterschiedlich angelegt. Der erste Comic heißt "Das Licht, das Schatten leert" und kommt aus Deutschland, geschrieben und gezeichnet hat ihn Tina Brenneisen. Der zweite heißt "Sabrina" und kommt aus den Vereinigten Staaten, geschrieben und gezeichnet hat ihn Nick Drnaso. Der dritte heißt "Wir waren Charlie" und kommt aus Frankreich, geschrieben und gezeichnet hat ihn Luz.

Luz ist ein Pseudonym, und trotzdem ist Rénald Luzier (wie der Autor mit bürgerlichem Namen heißt) der berühmteste dieser drei Comic-Künstler. Nicht, dass er sich Berühmtheit je auf die Weise gewünscht hätte, in der sie ihn ereilte: Am 7. Januar 2015 überlebte Luz das Attentat auf die Pariser Satirezeitschrift "Charlie Hebdo", und zwar deshalb, weil es an seinem Geburtstag stattfand und seine Freundin ihn nicht rechtzeitig zur wöchentlichen Konferenz aus dem Haus ließ. Als er dann in der Rue Nicolas Appert vor dem Redaktionssitz eintraf, fielen drinnen gerade die tödlichen Schüsse. Über dieses Erlebnis, vor allem aber seine daraus resultierende Traumatisierung hat Luz schon wenige Monate danach den Comicband "Katharsis" publiziert. Zugleich verließ er damals die Redaktion von "Charlie Hebdo". Er hielt die ständige Konfrontation mit der Vergangenheit nicht mehr aus.

Wieso dann nun mit "Wir waren Charlie" (im Original: "Indélébiles" - Unauslöschliche), erschienen beim Reprodukt Verlag, der mittlerweile ersten deutschen Adresse für "Autoren-Comics", ein weiteres Buch aus seiner Feder zu diesem Thema? Weil Luz zwar immer noch unter Polizeischutz steht, aber so weit ins Leben zurückgefunden hat, dass er nun seine schönen Erinnerungen an zwanzig Jahre bei "Charlie Hebdo" aufgezeichnet hat. Selbstverständlich stehen aber auch sie weiter im Schatten seiner acht Freunde, die beim Attentat von 2015 starben, zumal zwei von ihnen, der Chefredakteur Charb und der Zeichnerveteran Cabu, die Mentoren von Luz bei der Zeitschrift waren. Liebevoll - was zumindest bei Charbs brachialem Humorverständnis etwas heißen will - holt Luz diese beiden Persönlichkeiten vor unseren Augen ins Leben zurück, macht sie tatsächlich unauslöschlich, zumindest solange wir leben, die wir diesen Comic gelesen haben.

Zu Beginn erwacht der Luz der Geschichte aus unruhigen Träumen, und die Passagen, die zeitlich nach dem Mord angesiedelt sind, hat der wandlungsreiche Zeichner als dominant blau aquarellierte Bilder angelegt - Nocturnes, aus denen sich dann die in schwarzweißem karikaturesken Strich gehaltenen Rückblicke auf seine Zeit in der Redaktion entwickeln. Man erfährt darin erstaunliche Interna über die Arbeit in diesem Satiremagazin und noch viel mehr über die charakterlichen Unterschiede der Belegschaft; die Geschichte von "Charlie Hebdo" wird ohne Kenntnis von Luz' Comic künftig nicht mehr erzählt werden können.

Aber noch viel interessanter ist das Selbstverständnis der Redaktion als kritische Intellektuelle, das in der Öffentlichkeit keinen breiten Widerhall gefunden hat. "Wir waren Charlie" ist somit eine politische Erzählung sondergleichen, weil hier die Frage nach Meinungsfreiheit und dem Willen, sie zu verteidigen, ständig präsent ist. Und beim Finale des mehr als dreihundertseitigen Bandes, wenn in die schwarzweißen Rückblicke plötzlich blaue Aquarellfarbe einzieht, überführt Luz auch sein Presse-Ideal in die Gegenwart, ehe ganz am Ende, auf den letzten im Jetzt angesiedelten beiden Seiten, der Pinsel als Werkzeug des Aquarellkünstlers gegen die Feder des Karikaturisten getauscht wird: ein Bekenntnis zur eigenen Geschichte und zugleich die Wiedergeburt des 2015 von ihm selbst begrabenen Karikaturisten Luz.

Unter den drei Comics zum Weiterlebenmüssen ist dieser der einzige, der auf einer rundweg positiven Note endet. An Nick Drnasos "Sabrina" ist seit dessen Erscheinen dagegen bewundert worden, wie kompromisslos skeptisch diese Geschichte erzählt wird. Als erstem Comic überhaupt brachte das dem Buch im vergangenen Frühjahr die Nominierung auf der Shortlist des Man-Booker-Preises ein, der angesehensten literarischen Auszeichnung der englischsprachigen Welt. Er gewann zwar nicht, doch in der ganzen Welt riss man sich um die Übersetzungsrechte; in Deutschland machte mit Blumenbar ein Verlag das Rennen, der noch nie einen Comic publiziert hatte. Doch "Sabrina" passt perfekt zu dem auf anspruchsvolle Literatur spezialisierten feinen Haus, das zur Aufbau-Verlagsgruppe gehört. Mit Karen Köhler sicherte man sich zudem eine Übersetzerin, die selbst zu den meistbeachteten jungen deutschsprachigen Autorinnen gehört; sie absolvierte die Aufgabe gemeinsam mit Daniel Beskos, der als Chef des Mairisch Verlags mit Comics ebenso vertraut umgeht wie mit Literatur. Das Resultat überzeugt sprachlich durchweg, und das will angesichts der Textfülle und Stimmvariationsbreite im zweihundertseitigen "Sabrina" einiges heißen.

Wobei Drnaso immer wieder auch ganz ruhige, also "stumme" Sequenzen zwischenschaltet, Nebengeräusche haben gleich gar keinen Platz in seinem Comic; wenn etwa das Autoradio eingeschaltet wird, "hört" man als Leser nichts. Hauptgeräusche dagegen sind extrem präsent: Türklingeln oder -klopfen etwa, ganz zu schweigen von einem daheim gehörten Radioprogramm, das ein apokalyptischer Verschwörungstheoretiker bestreitet: Ganze Doppelseiten in "Sabrina" sind mit seinem Sermon gefüllt, und dazu passiert in den Bildern selbst nicht mehr, als dass Teddy King, ein junger Mann, immer faszinierter diesen wirren Worten der Welterklärung, einem Konfusianismus, lauscht.

Teddy war der Freund der Titelheldin, jener Sabrina, die aber im Comic nur ganz zu Beginn in ihrer Heimatstadt Chicago auftritt, weil sie kurz danach verschwindet und, wie man nach einem Drittel der Handlung erfährt, bestialisch ermordet wird. Die schreckliche Bestätigung stammt vom Täter selbst, der seinen Mord filmte, die Videokassetten an Medienhäuser ins ganze Land verschickte und sich dann selbst umbrachte. Man kennt solche Fälle aus der (nicht nur) amerikanischen Wirklichkeit zur Genüge, und natürlich gelangt auch hier eine Kopie des Snuff-Videos ins Internet. Zugleich artikulieren sich über die unterschiedlichsten medialen Kanäle Zweifler am Geschehen. Was so etwas für die Angehörigen bedeutet, kann man sich denken. Man konnte es aber noch nie so deutlich sehen wie in Drnasos "Sabrina".

Dabei stehen im Mittelpunkt dieses Comics nicht Teddy oder Sabrinas Schwester Sandra, sondern das Zentrum ist der in Colorado lebende Air-Force-Angehörige Calvin Wrobel, ein Schulfreund von Teddy, bei dem dieser Zuflucht sucht, weil er mit der Gegenwart nach Sabrinas Verschwinden nicht mehr zurechtkommt. Calvin hat seine eigenen familiären Probleme, doch er kümmert sich einfühlsam um den Gast, obwohl der immer unzugänglicher wird. Zugleich gerät Calvin, der bei der Air Force für Internet-Überwachungstechnik zuständig ist, in den Fokus der Medien, die nach dem Auftauchen des Hinrichtungsvideos nach Angehörigen gieren, und der Verschwörungstheroretiker, denen er als Militär perfekt in die krude Gedankenwelt passt.

Der medial vermittelte, aber auch angezettelte Ausnahmezustand ist das eigentliche Thema von "Sabrina", einem meisterhaft komponierten Bilderroman, dem man den Einfluss von Chris Ware nicht nur in den Zeichnungen anmerkt. Sie sind bewusst statisch, die Figuren gleichen in ihrer reduzierten Individualität bisweilen Piktogrammen, zur Unterscheidung gerade der Militärangehörigen in Uniform braucht es genaue Lektüre. Diese Welt wird aus Worten konstruiert - und dekonstruiert.

Bei Tina Brenneisens "Das Licht, das Schatten leert" ist es genau umgekehrt: Hier sprechen vor allem die Bilder. Die Geschichte ist erklärtermaßen autobiographisch, es geht um die Verarbeitung eines kurz vor der geplanten Geburt im Mutterleib gestorbenen Kindes. Wie die Berliner Zeichnerin die Verzweiflung des Elternpaares ins Bild setzt, mit immer wieder deformierten Konturen und expressivem Form- und Farbeinsatz, das gleicht einem graphischen Schrei. Entsprechend intensiv ist das Lektüreerlebnis, aber es entspricht in seiner Gewalttätigkeit dem unerwarteten Einbruch des Todes in das Leben einer Familie, die nun nicht einmal weiß, ob sie es je sein wird - Lasse, wie der Sohn hätte heißen sollen, war das erste Kind. Die Trauer der Eltern ist derart überwältigend, dass für die Umwelt keinerlei Raum bleibt: weder metaphorisch noch buchstäblich. Beide verriegeln sich in ihrer Wohnung, und wenn es denn doch einmal zu Konfrontationen mit der Außenwelt kommt, sind das agoraphobische Erlebnisse. Und radikale Enttäuschungen über die Tatsache, dass alle anderen Leben einfach weitergehen.

Nicht nur, weil der Tod ungeborener Kinder oft tabuisiert wird, ist dieser Comic ein Ausnahmefall. Er ist es auch in seiner paradox erscheinenden Lebensbejahung, die er schließlich doch vermittelt. Tina Brenneisen zeichnete ihn gewissermaßen als Therapie, 230 Seiten lang. Freunde überredeten sie dazu, ihn beim Leibinger-Comicbuchpreis einzureichen; er gewann, doch bis zur Publikation vergingen noch einmal zwei Jahre, weil Brenneisen zögerte, diese höchstpersönliche Geschichte allgemein zugänglich zu machen. Dass es nun bei der Edition Moderne, einem höchst ambitionierten Schweizer Comicverlag, der immer schon ein starkes autofiktionales Segment hatte (Tardi, Satrapi, Sacco, Guibert, David B.), geschieht, ist ein Glück für den deutschen Comic.

Aus drei Ländern kommen diese drei Comics, doch sie sprechen mit einer Stimme, sosehr sie sich auch unterscheiden: davon, dass vorzeitiges Sterben viel mehr tötet als die jeweiligen Todesopfer. Mit ihnen stirbt auch die Welt ihrer Vertrauten, wie die sie kannten, und der doppelte Verlust macht die Bewältigung des Schmerzes vielfach schwieriger. Tina Brenneisen, Nick Drnaso und Luz haben Bücher geschaffen, die auch die Glücklichen, die keine derartigen Erfahrungen gemacht haben, verstehen lassen, was da geschieht. Sie bauen die Welt für die Leidtragenden ein Stück weit wieder auf. Der Rest ist dann an uns.

ANDREAS PLATTHAUS.

Tina Brenneisen: "Das Licht, das Schatten leert".

Edition Moderne, Zürich 2019. 240 S., br., 29,- [Euro].

Nick Drnaso: "Sabrina".

Aus dem Amerikanischen von Karen Köhler und Daniel Beskos. Blumenbar Verlag, Berlin 2019. 205 S., geb., 26,- [Euro].

Luz: "Wir waren Charlie".

Aus dem Französischen von Vincent Julien Piot, Karola Bartsch und Tobias Müller. Reprodukt Verlag, Berlin 2019. 320 S., br., 29,- [Euro].

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