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Man kennt sie aus dem Film von Truffaut als die Frau, die Jules und Jim liebte. Aber Helen Hessel, geb. Grund, war nicht nur eine Gestalt in den Phantasien der anderen, sie war eine Autorin eigenen Rechts. Geboren und aufgewachsen in Berlin, wollte sie zunächst Malerin werden und wurde Schülerin bei Käthe Kollwitz. 1912 ging sie nach Paris, lernte dort Franz Hessel kennen, den sie 1914 heiratete. Zum Schreiben fand sie erst ab Anfang der 1920er Jahre und publizierte Aphorismen, Paris-Feuilletons und Mode-Artikel. Zwischen 1921 und 1938 hat sie zahlreiche Artikel in deutschen Zeitungen und…mehr

Produktbeschreibung
Man kennt sie aus dem Film von Truffaut als die Frau, die Jules und Jim liebte. Aber Helen Hessel, geb. Grund, war nicht nur eine Gestalt in den Phantasien der anderen, sie war eine Autorin eigenen Rechts. Geboren und aufgewachsen in Berlin, wollte sie zunächst Malerin werden und wurde Schülerin bei Käthe Kollwitz. 1912 ging sie nach Paris, lernte dort Franz Hessel kennen, den sie 1914 heiratete. Zum Schreiben fand sie erst ab Anfang der 1920er Jahre und publizierte Aphorismen, Paris-Feuilletons und Mode-Artikel. Zwischen 1921 und 1938 hat sie zahlreiche Artikel in deutschen Zeitungen und Zeitschriften publiziert, die ein lebendiges Bild vom Pariser Leben, vor allem aus der Welt der Mode vermitteln. Helen Hessel hatte ihre eigene Auffassung vom 'Wesen der Mode' (das sie 1934 in einem ausführlichen Vortrag beschrieb); sie besaß ein feines Gespür für den Zusammenhang von Zeitströmungen und Kleidungsstilen, in denen sie wie in Physiognomien zu lesen vermochte.In zahlreichen Facettenthematisiert sie das Verhältnis der Mode zu den Wandlungen weiblicher Selbstdefinition - samt den Unterschieden, die sich dabei zwischen Frankreich und Deutschland zeigten. Ihre Tätigkeit als Korrespondentin der 'Frankfurter Zeitung' (meist unter ihrem Mädchennamen Helen Grund) wurde bald auch von dem Bruch des Jahres 1933 geprägt; zunächst konnte sie noch weiter publizieren; nach 1937 schwand diese Möglichkeit trotz der Scheidung von ihrem jüdischen Ehemann zusehends; ihre letzten Texte erschienen 1938 in der einstigen Ullstein-Zeitschrift 'Die Dame'.Der vorliegende Band versammelt erstmals Helen Hessels wichtigste Artikel und gibt eine Auswahl der Zeichnungen und Fotografien bedeutender Künstler wieder, die ihre Texte begleiteten, unter ihnen Yva, Marianne Breslauer, Man Ray und Marietta Riederer. Der Band ermöglicht damit eine kleine Zeitreise.Helen Hessel (1886-1982) entstammte einer Berliner Bankiersfamilie und begann als Malerin. Obwohl sie 1912 in der Berliner Secession vertreten war, gab sie diese Laufbahn auf. Das Jahr 1912 bedeutete auch insofern einen Wendepunkt ihres Lebens, als sie in Paris den Schriftsteller Franz Hessel kennenlernte, den sie 1913 heiratete. Ihr erster Sohn Ulrich kam Ende Juli 1914 auf die Welt, den sie während der Kriegsjahre allein erziehen mußte. Ab 1919 bei München lebend, kam es dort zur 'amour fou' mit Henri-Pierre Roché, dem engsten Freund ihres Mannes. 1925 ging sie als Mode-Korrespondentin der 'Frankfurter Zeitung' nach Paris, während Franz Hessel in Berlin blieb; erst im November 1938 konnte sie ihn zur Emigration überreden und ihn nach Paris holen. Während des Krieges untertützte sie ihren zweiten Sohn Stéphane in der Aktivität für die Résistance. Nach 1945 lebte sie in den USA, übersetzte aus dem Englischen ins Deut sche (z. B. Nabokovs 'Lolita'). 1950 nach Paris zurückgekehrt,verstarb sie dort 1982 mit 96 Jahren.Die HerausgeberinMila Ganeva ist Professorin für deutsche Literatur und Film an der Miami University, Ohio. Veröffentlichungen zur Mode im Film, Modejournalismus und-fotografie, Filmgeschichte.Manfred Flügge hat zahlreiche biographische Bücher publiziert, u.a. zu Franz und Helen Hessel, Heinrich Mann und zur deutschen Emigration in Frankreich
Autorenporträt
Manfred Flügge, geb. 1946, wuchs im Ruhrgebiet auf, studierte Romanistik und Geschichte in Münster i. W. und in Lille. Von 1976-88 war er Dozent an der Freien Universität Berlin. Er lebt als freier Autor in Berlin. Er verfasste erfolgreiche Biographien u. a. von Marta Feuchtwanger, Heinrich Mann und Stéphane Hessel.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einer geistreichen Frau begegnet Lothar Müller in diesem reich illustrierten Band mit Zeitungs- und Magazinartikeln von Helen Hessel, der Frau von Franz Hessel. Wie talentiert diese Autorin war, erfährt er beim Lesen von Impressionen, Szenen und Eindrücken aus dem Paris der 20er Jahre und vor allem von Hessels Texten über Mode und Modeschöpfer (von Lanvin bis Chanel). Hier, meint der Rezensent, gelingen der Autorin Reflexionen des Verhältnisses von Haute Couture und Konfektion und über die Verwandlungskunst der Mode als Waffe im Kampf der Geschlechter. Am besten leuchten ihm die Texte als Faksimiles der Originale ein, wie sie der Band teilweise bietet. Die Illustration, erklärt Müller, gehört in der Modeschriftstellerei unbedingt dazu.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.02.2015

Viele Frauen in einer Person
Fast war sie als Autorin hinter den Filmbildern von „Jules et Jim“ verschwunden: Jetzt kann
die Mode-Journalistin Helen Hessel in ihren Feuilletons von 1921 bis 1938 wieder entdeckt werden
VON LOTHAR MÜLLER
Eigentlich hatte sie Malerin werden wollen, aber daraus wurde nichts, obwohl laut Katalog die Berliner Sezession 1912 eine ihrer Aktstudien ausstellte. Da war sie 26 Jahre alt und lernte in Paris den Schriftsteller Franz Hessel kennen, der wie sie aus Berlin gebürtig war. Sie heiratete ihn im Sommer 1913, brachte in den folgenden Jahren zwei Söhne zur Welt und durchlebte nach dem Ersten Weltkrieg eine Affäre mit dem französischen Autor Henri-Pierre Roché, die – anders als sie selbst – Jahrzehnte später weltberühmt wurde, als François Truffaut 1962 Rochés Roman „Jules et Jim“ (1953) verfilmte und Jeanne Moreau ihren Part in dem Dreiecksverhältnis spielte.
  Inzwischen ist Helen Hessel, die mit 96 Jahren 1982 in Paris starb, aus dem Schatten des Films herausgetreten. Die Tagebücher von Franz Hessel wurden zugänglich, ihre Auftritte in seinen Romanen wurden erforscht, der Ruhm ihres jüngeren Sohnes Stéphane Hessel strahlte auf sie zurück, Marie-Françoise Peteuils Biografie über sie erschien 2013 auch auf Deutsch, aber eines blieb undeutlich: dass die Frau, die zwischen den beiden Schriftstellern stand, ihrerseits eine überaus talentierte Autorin war. Es war bekannt, dass sie seit den 1920er-Jahren in deutschen, gelegentlich auch französischen Zeitschriften und Tageszeitungen erfolgreich als Modeschriftstellerin tätig war, aber es gab kaum etwas von ihr zu lesen.
  Das hat sich nun geändert. Mila Ganeva, Film-, Mode- und Literaturhistorikerin in Oxford, Ohio, hat in Zeitungsarchiven und Bibliotheken über 250 Artikel von Helene Hessel, die unter ihrem Mädchennamen Helene Grund publizierte, ausfindig gemacht, bibliografisch erfasst und eine umfangreiche Auswahl daraus in einem reich illustrierten Band zusammengestellt, zu dem Manfred Flügge, der seit Jahrzehnten die Geschichte der Hessels erforscht, ein Nachwort verfasst hat.
  Sichtbar wird, wie Helene Hessel um 1910 ihre Lust am Schreiben beim Verfassen von Aphorismen („Treue ist Faulheit“, „Eine Glatze ist noch kein Beweis“, „Man soll einen Kuß nicht nach dem Geräusch beurteilen“) entdeckte, die Stefan Großmann gern in seine Zeitschrift Das Tage-Buch aufnahm. Wie sie dann in Paris ab 1924 an der Professionalisierung ihrer Produktion arbeitete, zunächst mit Großstadt-Feuilletons mit Boulevard-Impressionen, Straßenszenen und Eindrücken aus Schnellrestaurants , aus denen sich aber rasch ihr Interessenzentrum und der Stoff herausschälte, in dem sie ihren ganz eigenen Ton fand: die Mode, genauer die Mode der „modernen Frau“.
  Sie schrieb für den Querschnitt , Die Dame , auch für Le Monde illustré , ihr Haupteinkommen aber erzielte sie als Korrespondentin der Frankfurter Zeitung , für deren Beilagen (Für die Frau , Das IllustrierteBlatt, BäderBlatt, Stadtblatt) sie bis 1938 aus Paris, der europäischen Hauptstadt der Mode, berichtete. Es ist sehr schön, dass dieser Band manche Ausgaben dieser Beilagen faksimiliert enthält. Illustrationen und Text gehören in der Modeschriftstellerei zusammen, zumal in der Zeit, in der Helen Hessel schreibt, wo die Beziehungen zum Film eng sind und die Mannequins über den Laufsteg hinaus durch die Fotografie zu öffentlichen Wesen werden, in denen sich die Mode verkörpert.
  Und so schreibt Helen Hessel: „Ein Tailleur gibt den Vorwand zu vielen Blusen, den schlichtesten und den kompliziertesten, ein Kleid wird in seiner Wirkung variiert durch das Geflecht, die Schleifen, die Farben, die Schnallen der Gürtel. Tauscht man nun gar die Strohkappe gegen den breitrandigen Hut, die geknöpfte Wolljacke mit ihren Taschen gegen den farbigen Seidenbolero, so kann nur der Eingeweihte, was sage ich, die Eingeweihte wissen, dass ein Wechsel des Zubehörs genügte, um die Erscheinung zu verändern und der neuen Situation anzupassen.“ 
  Man kann die hier versammelten Texte als eine Chronik der Pariser Mode und ihrer führenden Modeschöpfer (vom Haus Lanvin über Jean Patou bis zu Coco Chanel, Edward Molyneux und Mainbocher) lesen, auch als kleinen Führer durch die Welt zwischen Picasso, Man Ray und den Surrealisten, aber es steckt mehr darin: eine beständige Reflexion des Verhältnisses von Haute Couture und Konfektion, von Eleganz und sozialer Öffnung der Mode, greifbar etwa beim Besuch im Atelier von Renate Green im Jahr 1932, der Propagandistin der Einfachheit, die wenig später den Surrealisten Philippe Soupault heiratete und zu Ré Soupault wurde.
  Die fortwährende Verwandlung mit einfachen Mitteln als Ideal der Mode wird nach 1929, in den Jahren der Weltwirtschaftskrise zu einem Zentralmotiv Helen Hessels. Aber der Grund ihrer Plädoyers für die Mode als Verwandlungskunst liegt tiefer: „Die Mode ist eine Waffe im Kampf der Geschlechter. Eine geistreiche Frau ist mit ihrer Hilfe imstande, der naturbedingten Polygamie des Mannes gerecht zu werden, viele Frauen in einer Person zu sein.“
  
Helen Hessel: Ich schreibe aus Paris. Über die Mode, das Leben und die Liebe. Herausgegeben und kommentiert von Mila Ganeva. Mit einem Nachwort von Manfred Flügge. Nimbus Verlag, Wädenswil 2014. 380 Seiten, 32 Euro.
Straßenszene in Paris, 1937 aufgenommen von Marianne Breslauer, die Fotos zu Artikeln von Helen Hessel beisteuerte.
Foto: Marianne Breslauer / Fotostiftung Schweiz
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