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Mit einer geradezu unheimlichen Menschenkenntnis schildert Joshua Ferris seine Grübler und Neurotiker, seine hochintelligenten und sensiblen Männer und Frauen, die so gern aus ihrer Haut möchten. Seine Stories beleuchten die absurden Seiten des Alltags und balancieren souverän auf dem schmalen Grat zwischen Komik und Tragik.
Ein Pärchen bereitet sich auf die Dinnerparty mit einem anderen Pärchen vor, indem es über den zu erwartenden langweiligen Abend lästert - und wird unangenehm auf sich selbst zurückgeworfen, als die Gäste einfach ausbleiben. Ein Mann heuert einen Arbeiter für die
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Produktbeschreibung
Mit einer geradezu unheimlichen Menschenkenntnis schildert Joshua Ferris seine Grübler und Neurotiker, seine hochintelligenten und sensiblen Männer und Frauen, die so gern aus ihrer Haut möchten. Seine Stories beleuchten die absurden Seiten des Alltags und balancieren souverän auf dem schmalen Grat zwischen Komik und Tragik.

Ein Pärchen bereitet sich auf die Dinnerparty mit einem anderen Pärchen vor, indem es über den zu erwartenden langweiligen Abend lästert - und wird unangenehm auf sich selbst zurückgeworfen, als die Gäste einfach ausbleiben. Ein Mann heuert einen Arbeiter für die Räumung seines Lagers an und lässt sich durch dessen Wortkargheit derart in Rage bringen, dass er ihn am liebsten tot sähe. Ein pensionierter Witwer in Florida erhält zum Geburtstag den Besuch einer Prostuituierten, den er schlecht verkraftet, ein hoffnungsvoller Fernsehautor verdirbt sich auf einer angesagten Hollywoodparty noch die letzten Chancen ...
Autorenporträt
Ferris, JoshuaJoshua Ferris wurde 1974 in Illinois geboren. Sein erster Roman »Wir waren unsterblich« erschien in 24 Ländern, wurde mit dem Hemingway Foundation/PEN Award ausgezeichnet und für die Shortlist des National Book Award nominiert. Sein dritter Roman »Mein fremdes Leben« wurde 2014 mit dem Dylan Thomas Prize ausgezeichnet und kam auf die Shortlist des Man Booker Prize. Joshua Ferris lebt mit Frau und Kind in New York.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.10.2018

Krächzende, ächzende Unglücksraben
Okay, ein Abschluss in Harvard – und was noch? Joshua Ferris schildert in seinem Erzählungsband
„Männer, die sich schlecht benehmen“ das Leben unter dem Imperativ der Selbstoptimierung als melancholischen Slapstick
VON MEIKE FESSMANN
Die Angst, aus ihrem Leben nicht das Maximum herauszuholen, sitzt ihnen im Nacken. Sie wissen nicht, wo die Messlatte hängt, aber sie wollen sie unbedingt reißen. In dauernder Anspannung strecken sie sich nach der Decke, mühen sich ab, in der Freizeit noch mehr als bei der Arbeit. Den entscheidenden Moment dürfen sie auf keinen Fall verpassen, und dann müssen sie ganz genau das Richtige tun. Aber was soll das sein? Und wer kann garantieren, nicht sofort übertroffen zu werden? Wer das Maximum anstrebt, hat immer Luft nach oben. Es ist ein spezieller Typus New Yorker Großstadtneurotiker, den der in Brooklyn lebende Joshua Ferris in seinem Erzählungsband „Männer, die sich schlecht benehmen“ am häufigsten in Szene setzt. Doch nicht alle Geschichten spielen in New York, und nicht immer sind seine Protagonisten in der Rushhour des Lebens.
Ein Rentnerpaar beispielsweise zieht in der Erzählung „Der Hypochonder“ von Ohio nach Florida, um den Ruhestand dort zu verbringen. Doch gleich am ersten Tag kommt die Frau bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Der Mann fühlt sich einsam in der luxuriösen Seniorenresidenz. Er erzählt jedem von seinen Krankheiten, den Ärzten und dass es für das Leben „keine Betriebsanleitung“ gibt. Selbst als ihm die Enkelin am Telefon zum „Burzeltag“ gratuliert, wie der einfallsreiche Übersetzer Marcus Ingendaay ihr „Happy birfday“ übersetzt, lässt er seinem Lamento freien Lauf. Immerhin schickt ihm sein bester Freund eine Prostituierte. So kommen seine Lebensgeister wieder in Schwung.
„Die Brise“ heißt eine ebenso sehnsuchtsvolle wie paranoide Erzählung, in der eine Frau auf ihrem Balkon die erste Frühlingsluft schnuppert und vom Gefühl überwältigt wird, sie müsse unbedingt etwas Besonderes tun: mit ihrem Mann in den Central Park? Nur ein Picknick oder wilder Sex in den Büschen? Man könnte auch in eine Lounge gehen und mit einem Drink vom Hochhaus auf den Park blicken oder Freunde zu einem Treffen animieren. Vielleicht wäre ein gemütlicher Italiener das Richtige? Was aber, wenn die anderen Gäste fröhlicher sind und sie sich anöden? Ist es nicht schon viel zu spät, um loszufahren? Oder sollte man statt der U-Bahn einfach mal ein Taxi nehmen?
Es ist typisch für Joshua Ferris, dass er diese Überlegungen nicht als inneren Monolog erzählt. Er gestaltet sie als rasche Abfolge von Variationen mit unklarem Wirklichkeitsstatus. Blitzschnell tastet er seine Protagonisten von innen und außen ab und entwirft ein hektisches Screening der Stimmungsumschwünge in unterschiedlichen Szenarien. Wörtliche Dialoge wechseln sich mit indirekt wiedergegebenen Gesprächsfetzen ab. Und so begleiten wir Sarah und Jay in verschiedene Situationen, teilen Momente der Euphorie, gefährliche Differenzen, befriedete Augenblicke. Wir spüren seinen Widerstand und ihre wachsende Ungeduld. Und wissen bis zum Schluss nicht, ob sie die Wohnung überhaupt verlassen haben.
Die Panik, den eigenen Ansprüchen nicht zu genügen und aus den vielen Optionen womöglich die falsche zu wählen, treibt viele Figuren um. Sie beschimpfen sich vor dem Spiegel oder nutzen den Spiegel eines Gästebads, um sich zu stabilisieren. So macht es ein drittklassiger Drehbuchautor, der nach tagelangem Hin und Her, ob die per Mail verschickte Einladung überhaupt ihm gelten kann, doch auf die Party einer erfolgreichen Kollegin gegangen ist. Als trockener Alkoholiker fühlt er sich ausgeschlossen und ungeschickt, bis er hemmungslos zu trinken beginnt.
Die stille „Implosion“ von Paarbeziehungen unter Optimierungsdruck beschreibt der 1974 in Illinois geborene, in Florida aufgewachsene Joshua Ferris mit diabolischer Präzision. Der Wettlauf um die Rettung ist mit Missverständnissen gepflastert. Sophie und Tom sind eigentlich auf dem Weg zu einem Abendessen mit ihren Eltern. Da meint Sophie die Frau zu entdecken, mit der ihr Mann eine Affäre hatte. Und schon schert sie aus und setzt sich auf deren Spur. Sie beobachtet die Frau und vergleicht sich mit ihr. „Schöner“ ist die andere auf jeden Fall. Womöglich lachen alle über ihre Zuverlässigkeit als Notärztin mit Harvard-Abschluss. Hat ihr Mann nicht neulich gesagt, alle hätten Affären?
Während Sophie sich immer weiter in die Herausforderung hineinsteigert und am Ende in sexuelles Brachland vorwagt, greift ihr Mann zum beruhigenden Klassifikationsmuster dualen Denkens. Für ihn ist die Sache klar: Entweder seine Frau verzeiht ihm den vermeintlichen Fehltritt (tatsächlich handelt es sich um ein längeres Verhältnis) oder eben nicht. Doch im Restaurant warten nicht nur die Schwiegereltern. Es wartet auch eine böse Überraschung auf ihn.
Im 2017 erschienenen Original trägt der Sammelband mit elf Geschichten den Titel „The Dinner Party“, nach einer vor zehn Jahren erschienenen Erzählung. Sie verwandelt das latente Unglück ungewollter Kinderlosigkeit in einen melancholischen Slapstick, der die Absehbarkeit durchschnittlicher Lebensläufe ebenso karikiert wie als Wunschbild zeigt.
Auch wenn der deutsche Titel, „Männer, die sich schlecht benehmen“, prosaischer klingt, trifft er den Tenor der Geschichten gut. In seinem Debütroman „Wir waren unsterblich“ („Then We Came to the End“, 2007) hat Joshua Ferris vom Büroalltag erzählt und wählte dafür die Perspektive eines „Wir“. Auch in seinen Erzählungen sind die Perspektiven oft so miteinander verknotet, dass sie sich kaum unterscheiden lassen. Das hat Methode. Die Männer sind als Charaktere einfacher gestrickt und partizipieren am rhetorischen Aufwand weiblicher Weltdeutung.
„Ein Mann ist ein Ungeheuer“, heißt es über den fremdgehenden Anwalt Tom, der sich in der Mittagspause zu seiner Geliebten chauffieren lässt. Seine „Reise in einem Zeitportal“ – „whoosh!“ – macht ihm durch die ökonomische Verquickung mit der Arbeit zusätzliches Vergnügen. Wie in Don DeLillos „Cosmopolis“ wird das Auto zum filmreifen Symbol männlichen Rückzugs in eine Sphäre aus Macht, Sex und Geld: „Es gibt nämlich etwas, das zeitreisende Männer noch weniger kümmert als die Außenwelt vor der Scheibe, und das sind die Gefühle von anderen.“
Eine Geschichte spielt in Prag, wo einem dickleibigen amerikanischen Werbefachmann der „historische Mist“ erheblich auf die Nerven geht. Doch New York ist der ideale Schauplatz für den Stoff dieser Stories. Sie erzählen von Lebensläufen unter dem Druck der Selbstoptimierung, von Glückszwang und Bewertungskategorien, von Networking und der Qual der Wahl und vor allem von der „Angst, nie das zu erreichen, was immer haarscharf unerreichbar war“. Es sind Geschichten einer überspannten Gegenwart, in der zu viele Optionen in ständiger Reichweite sind, um nicht darüber zu stolpern, dass „andere Leute glücklicher sind bzw. mehr aus ihrem Leben herausholen“.
Joshua Ferris ist dort am besten, wo er die Einsicht in diese Dynamik melancholisch grundiert, etwa wenn er den Ex-Geliebten einer Mutter, die ihrem Sohn erklärt, Männer seien die „Sauerei“ nicht wert, die sie ständig machen, über den Jungen denken lässt: „Der Kleine ist wirklich ein Unglücksrabe (...). In so einem Leben geht nie etwas von selbst und nie etwas gut aus.“ Es gibt größere Katastrophen, als sich zwischen vielen Optionen entscheiden zu müssen. Dass es sich bei den Neurosen moderner Großstadtbewohner trotz allem um Privilegien handelt, ist offensichtlich. Die Geschwindigkeit des Schlagabtauschs und der Sinn für Komik dieser Geschichten erinnern an Sitcoms. Joshua Ferris transferiert den Hang zum Aufgekratzten in einen Tonfall, der dem stillen Lesen entgegenkommt und dennoch sein Tempo hält – ein erstaunliches Kunststück.
Im Restaurant warten nicht nur
die Schwiegereltern. Es wartet
auch eine böse Überraschung
Es gibt größere Katastrophen,
als sich zwischen vielen
Optionen entscheiden zu müssen
Männer, die mit Stiften spielen: Joshua Ferris bei der Präsentation seines neuen Erzählungsbandes im Juli 2018 in Turin.
Foto: imago/ZUMA Press
Joshua Ferris: Männer, die sich schlecht benehmen. Stories. Aus dem Amerikanischen von Marcus Ingendaay. Luchterhand Literaturverlag, München 2018. 288 Seiten, 20 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.02.2019

Rat mal, wer nicht zum Essen kommt

Die Konstellation erinnert etwas an Edward Albees Drama "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?", in dem sich zwei Ehepaare im Verlauf einer Nacht gegenseitig zerfleischen, aber in der Kurzgeschichte "Die Dinnerparty" des 1974 in Illinois geborenen Joshua Ferris kommt das zweite Ehepaar gar nicht erst zu Besuch, die ganz große Zimmerschlacht bleibt also aus. In Sorge um die nicht eintreffenden Freunde fährt der Ehemann des Paares, das die Einladung ausgesprochen hatte, schließlich bei dem anderen Paar zu Hause vorbei, um nach dem Rechten zu sehen, und was muss er da feststellen? Die Freunde, längst wohl eher schon Feinde, sind offenbar ganz bewusst nicht ans Telefon gegangen, und nicht nur das: Sie feiern auch noch ihre eigene Party, von welcher der Mann alsbald als ungebetener Gast vertrieben wird. Wieder zurück bei seiner Frau, erfährt er allerdings nicht die traute Solidarisierung in Zweisamkeit, sondern die Sache wird noch schlimmer.

Für dramatische Dinner hat Ferris ein Händchen - in der Story "Im Lauf des Abends" kulminiert die Handlung in einem New Yorker Restaurant, als ein Mann in Gegenwart seiner Schwiegereltern von der Kellnerin erkannt und entlarvt wird als deren Liebhaber. Derartig zuspitzende Zufälle ereignen sich in Ferris' Fiktionen vielleicht etwas häufiger als im gewöhnlichen Leben - dafür bekommt man allerdings zünftige amerikanische Kurzgeschichten auf der Höhe der Zeit serviert, die gelegentlich auch einen trockenen Witz entfalten wie in "Der Hypochonder": Hier feiert ein schrulliger Witwer in Florida auf seltsame Art Geburtstag und bekommt - ausnahmsweise - angenehmen Dinnerbesuch.

wiel.

Joshua Ferris: "Männer, die sich schlecht benehmen". Storys.

Aus dem Amerikanischen von Marcus Ingendaay. Luchterhand Verlag, München 2018. 286 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einfach grandios findet Rezensentin Meike Fessmann diesen Erzählband des amerikanischen Schriftstellers Joshua Ferris. Wenn ihr der Autor hier von neurotischen New Yorkern erzählt, die meist um sich, ihre Ansprüche, Ängste und Beziehungen kreisen, amüsiert sich die Kritikerin nicht nur über Dialogwitz, Drive und Schlagkraft der einzelnen Szenen, sondern sie erkennt durchaus auch den melancholischen Grundton, mit dem Ferris die Verzweiflung seiner Helden am Selbstoptimierungswahn schildert. Wie Marcus Ingendaay Ferris' Erzählton, den Fessmann als "Abfolge von Variationen mit unklarem Wirklichkeitsstatus" beschreibt, ins Deutsche übertragen hat, ringt der Rezensentin ebenfalls größte Anerkennung ab.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Joshua Ferris transferiert den Hang zum Aufgekratzten in einen Tonfall, der de, stillen Leser entgegenkommt und dennoch sein Tempo hält - ein erstaunliches Kunststück.« Meike Fessmann / Süddeutsche Zeitung