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Es scheint widersprüchlich: Einerseits erklärt man das Konzept der Nationalliteratur für tot, andererseits hat die Forschung zu Nation, Nationalismus und Nationalstaat Hochkonjunktur. Sicher ist: Der Zusammenhang von Erzählen und nationaler Verortung ist nicht erledigt. Welche Rolle spielt denn aber die Kategorie des Nationalen bei der Tradierung von Imaginationsstrukturen? Und auf welcher (kultur)theoretischen und methodischen Basis lässt sich heute in der westeuropäischen Literaturwissenschaft (wieder) über Nationales sprechen? Ausgehend von den Problemen des Diskurses 'Schweizer Literatur'…mehr

Produktbeschreibung
Es scheint widersprüchlich: Einerseits erklärt man das Konzept der Nationalliteratur für tot, andererseits hat die Forschung zu Nation, Nationalismus und Nationalstaat Hochkonjunktur. Sicher ist: Der Zusammenhang von Erzählen und nationaler Verortung ist nicht erledigt. Welche Rolle spielt denn aber die Kategorie des Nationalen bei der Tradierung von Imaginationsstrukturen? Und auf welcher (kultur)theoretischen und methodischen Basis lässt sich heute in der westeuropäischen Literaturwissenschaft (wieder) über Nationales sprechen? Ausgehend von den Problemen des Diskurses 'Schweizer Literatur' haben die Herausgeber die fantomatische Dimension des nationalliterarischen Diskurses zur Debatte gestellt, Kultur- und Literaturwissenschaftler sowie Schriftstellerinnen und Schriftsteller reflektieren die Fragestellung in Bezug auf unterschiedliche (Inter)Nationen.
Autorenporträt
Reto Sorg, geboren 1960, hat in Bern und Berlin Literatur, Geschichte und Kunstgeschichte studiert. Er leitet das Robert Walser-Zentrum in Bern. Zudem arbeitet er als Autor sowie als Entwickler und Berater in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2004

Knochenarbeit
Ist "Nationalliteratur" immer noch aktuell? Ein Sammelband

Wie geht man um mit überkommenen wissenschaftlichen Kategorien, die trotz gründlicher Dekonstruktion beharrlich an ihren angestammten Orten umgehen? Dieser von Corina Caduff und Reto Sorg herausgegebene Band stellt sich dem Nachleben der Nationalliteratur und fordert, zur Analyse dieser weder ganz vergangenen noch wirklich präsenten Größe einen "Diskurs des Phantoms" zu etablieren: "Es gibt keine Geister, aber wir müssen mit ihnen reden", so bringt Friederike Kretzen das Unternehmen auf den Punkt, in dem Literaturwissenschaftler und Schriftsteller, darunter Aleida Assmann, Jacques Le Rider, Robert Schindel, Yoko Tawada und Klaus Theweleit "Knochenarbeit an Geistern" (Kretzen) zu leisten versuchen.

Ausgehend von der "Imagination und Tradition des Schweizerischen als Problem", gehen die Beiträge komparatistisch und kulturwissenschaftlich vor. Michael Böhler, Jürgen Fohrmann und Thomas Macho demonstrieren in literaturhistorischen Untersuchungen, wie in der Frage nach dem Nationalen gerade das Spezifische immer auch das Allgemeine ist und die angebliche Einmaligkeit der Nation ihre Austauschbarkeit markiert. Thomas Macho analysiert den Zusammenhang zwischen Nation und Sprache, "die - vielleicht als das Phantom par excellence - nationale Identitäten zugleich konstituiert und verrät". In diesem Allgemeingültigen aufgehoben ist wiederum die in der Einleitung zitierte Rede Dürrenmatts vom "Phantomhaften der Sprache", die er auf die spezifische Situation des deutschschweizer Schriftstellers zwischen Dialekt und Schriftsprache bezieht und die hier von Peter Bichsel reflektiert wird.

Wie bereits die ihm zugrundeliegende Tagung (F.A.Z. vom 24. Juni 2003) kennzeichnet den Band die Begegnung von Literatur und Literaturwissenschaft auf gleicher Augenhöhe. Literatur wird als eigenständiges Forschungsmedium ernst genommen und zugleich, etwa im Beitrag von Sigrid Weigel, auf ihre besondere, gleichsam phantomhafte Funktion für die nationale Traditionsbildung hin befragt.

Hervorragend gelingt diese Verbindung etwa in Fleur Jaeggys Text, der vom lückenhaften Weiterleben der Sprache der Vorfahren in den Kindern handelt. Indem die Literatur nicht nur als Objekt der Literaturwissenschaft verwendet wird, will der Band nicht zuletzt an den Punkt der Trennung von Literatur und Wissenschaft zurückgehen, mit der sich nach 1800 im deutschen Raum auch das Konzept der Nationalliteratur durchsetzt. Wie es Geister zu tun pflegen, hat das Phantom seine Beschwörer also an den Ort seines Ursprungs zurückgeführt. Das Gespräch mit den Geistern wird fortgesetzt werden müssen.

ESTHER KILCHMANN

Corina Caduff/Reto Sorg (Hg): "Nationale Literaturen heute - ein Fantom?" Zur Imagination und Tradition des Schweizerischen als Problem. Wilhelm Fink Verlag, München 2004. 315 S., geb., 39,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Knochenarbeit an Geistern", genauer gesagt am Phantom der Nationalliteratur soll mit diesem Band, dem eine Tagung zugrunde liegt, verrichtet werden, so das erklärte Ziel der Herausgeber. Nationalliteratur wird hier begriffen als eine längst überkommene, aber dennoch gebräuchliche Kategorie, der man komparatistisch und kulturwissenschaftlich beikommen will. Rezensentin Esther Kilchmann begrüßt diese Unternehmung, die Literatur als eigenständiges Forschungsmedium ernst nimmt. Hervorragend gelungen findet sie etwa einen Text von Fleur Jaeggy, der sich dem Weiterleben der Sprache der Vorfahren in Kindern widmet. Völlig erschöpfend wird das Phänomen von den Beiträgern wie Robert Schindel, Peter Bichsel und Klaus Theweleit allerdings nicht untersucht, vielmehr scheint das verdienstvolle Unterfangen, das "Gespräch mit den Geistern", fortzusetzen sein.

© Perlentaucher Medien GmbH