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Deutsch oder nicht Deutsch, das ist hier NICHT die Frage
Özlem Topçu und Richard C. Schneider sind neben vielen Dingen auch zwei Deutsche - das ist für viele immer noch nicht selbstverständlich. In ihrem politischen, gesellschaftskritischen Sachbuch blicken sie auch als "Jude" und "Türkin" ein Jahr lang auf Deutschland, seine Debatten zu Integration, Rassismus, Antisemitismus und den Umgang mit dem "Anderen", mal irritiert, mal überrascht, oft wütend. Es ist nicht nur die Sicht zweier Journalisten, die am Diskurs über das Verhältnis zwischen Mehrheitsgesellschaft und Minderheiten…mehr

Produktbeschreibung
Deutsch oder nicht Deutsch, das ist hier NICHT die Frage

Özlem Topçu und Richard C. Schneider sind neben vielen Dingen auch zwei Deutsche - das ist für viele immer noch nicht selbstverständlich. In ihrem politischen, gesellschaftskritischen Sachbuch blicken sie auch als "Jude" und "Türkin" ein Jahr lang auf Deutschland, seine Debatten zu Integration, Rassismus, Antisemitismus und den Umgang mit dem "Anderen", mal irritiert, mal überrascht, oft wütend. Es ist nicht nur die Sicht zweier Journalisten, die am Diskurs über das Verhältnis zwischen Mehrheitsgesellschaft und Minderheiten teilnehmen, sondern die zweier Freunde, die sich ihre deutschen Geschichten erzählen. Und miteinander können sie auch über ihre Ganz-, Halb- und Viertel-Identitäten diskutieren, denn sie wissen, was es heißt, in unterschiedlichen Kulturen und Gesellschaften beheimatet zu sein.
Ein Briefwechsel voller Humor, Einsichten und Geschichten aus zwei deutschen Welten.
Autorenporträt
Geboren 1977 in Flensburg als Tochter türkischer 'Gastarbeiter', Studium der Islamwissenschaft, Politik und Medienwissenschaft. Von 2009 bis 2021 arbeitete sie als Politik-Redakteurin bei DIE ZEIT, heute ist sie stellvertretende Leiterin des Auslandsressorts beim SPIEGEL. Zahlreiche Preise (z.B. Theodor-Wolff-Preis) und Stipendien. Mitglied der antirassistischen Leseshow "Hate Poetry", Mentoring-Programm "Neue deutsche Medienmacher*innen". Buch: "Wir neuen Deutschen", Rowohlt 2012. Sie lebt in Hamburg. Geboren 1957 in München als Kind ungarischer Holocaust-Überlebender. Studium der Germanistik, Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte. Seit 1987 bei der ARD, 2006 bis 2015 Studioleiter und Chefkorrespondent im ARD-Studio Tel Aviv, 2016/17 dieselbe Position ARD Studio Rom. Seit 2017 Editor-at-Large beim BR/ARD. Zahlreiche Fernsehpreise, darunter Bayerischer Fernsehpreis, Grimme, Lehraufträge an Universitäten in Deutschland, Schweiz und Italien. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, zuletzt: "Alltag im Ausnahmezustand", DVA 2018. Er lebt in Tel Aviv. https://richard-c-schneider.de
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2022

Gut für den
Moment
Briefe über deutsche Identität
und den Verlust der Eltern
Die unangenehmen Momente im Briefwechsel zwischen Özlem Topçu und Richard C. Schneider sind keine schlechte Sache. Er schreibt, sie sei eben auch nur das kleine türkische Mädchen von Gastarbeitern, und sie nennt ihn ihren liebsten alten weißen Juden. Die Freundschaft zwischen den beiden Journalisten besteht aber zum Glück nicht allein daraus, abgebrüht und möglichst politisch unkorrekt miteinander zu sprechen.
Über ein Jahr schrieben sich Özlem Topçu, die seit 2021 das Auslandsressort des Spiegel leitet und davor für die Zeit schrieb, und der Journalist Richard C. Schneider, lange Leiter des ARD-Studios in Tel Aviv. Den ersten Brief schreibt Topçu im November 2020, da machte sich in Großbritannien gerade die Corona-Variante Alpha breit und es wird bekannt, dass das Forscherehepaar Özlem Türeci und Uğur Şahin aus Mainz auf bestem Wege ist, einen Impfstoff zu entwickeln. Topçu schreibt von einem Gefühl zu den Erfolgsnachrichten um die Wissenschaftler, das ihr gleich peinlich ist: Stolz.
Von dieser Ambivalenz der Gefühle zur eigenen Geschichte, zur eigenen Identität und zum Deutschsein handelt „Wie hättet ihr uns denn gerne“, vom Leben und Sein zwischen Deutschland und den anderen Ländern, in Schneiders und Topçus Fall also Israel und der Türkei. Die Briefe sind intellektueller Austausch, Ventil für Wut und manchmal Flirt zwischen München und Istanbul, zwischen Hamburg und Tel Aviv. „Ist man hier, will man dort sein. Ist man dort, will man hier sein“, finden beide.
Der Briefwechsel wird auch zu einem Protokoll der Jahre 2020 und 2021, und von gesellschaftlichen Diskursen, die schon weit weg erscheinen. Interessant zum Beispiel, wie die Welt im Februar 2021 war, als in Deutschland erhitzt darüber diskutiert wurde, ob man „Zigeunerschnitzel“ sagen darf oder nicht.
Als ungleiches Paar verstehen sich die beiden nicht, auch wenn manches natürlich doch dafür spricht. Richard C. Schneider ist 1957 in München geboren, Özlem Topçu 20 Jahre später in Flensburg. Er ist Sohn ungarischer Juden, sie Tochter sogenannter bulgarisch-türkischer Gastarbeiter. Ein bestimmendes Thema des Buchs ist der Tod der Elterngeneration, der ersten, die nach Deutschland kam. Özlem Topçus Vater stirbt während des Briefwechsels. Die im Sterben liegende, fast 100-jährige Mutter von Schneider war in mehreren KZs und wird, wie Schneider erschütternd beschreibt, in ihrer Demenz geistig wieder ins Lager zurückgeworfen. Mit der Generation seiner Eltern, schreibt Schneider lakonisch, verschwinde nicht nur ein „Mahnmal“ für die Shoah, sondern auch ein Bollwerk gegen Deutschland.
Die bitteren Sätze im Buch kommen von Schneider. „Juden zu hassen, ist immer ein wunderbarer Klebstoff für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, nicht wahr?“ ist so einer. Sein zweiter Vorname Chaim verbirgt sich in Deutschland hinter einem C. Als er Leiter des ARD-Studios in Tel Aviv wurde, sei er darum gebeten worden, weil der ganze Name angeblich zu lang für eine Bauchbinde wäre. Mit dem Alter ist er nicht milder, sondern sensibler geworden gegenüber dem Antisemitismus, schreibt er, gegenüber Frauen, die seine schönen jüdischen Hände lobten, oder einer gefeierten Serie wie „Unorthodox“, die er für zutiefst antisemitisch hält, was er auf Topçus Nachfrage über vier Seiten hinweg erläutert.
„Wie hättet ihr uns denn gerne“ ist eine Beschwerde über Unrecht, Vergessen und Dummheit, über betroffene deutsche Gesichter, und doch auch eine Umarmung von Deutschland und den Deutschen. Ein Land, in dem es, wie Topçu erzählt, in jedem Haus eine gute und eine böse Oma gibt. Eine, die sich immer über alles beschwerte, und eine, die ihre Eltern in die Türkei telefonieren ließ. Es gibt für Leute wie ihn und sie wahrscheinlich keinen besseren Ort, meint Özlem Topçu, und deutet auf vieles, was hierzulande vielleicht doch besser wurde im Umgang mit „den Anderen“. Schneider relativiert das dann gleich wieder und fragt zurück, wo sie eigentlich ihre Wut verstecke.
Ein ungleiches Paar ist es nicht, das hier spricht, einfach zwei unterschiedliche Menschen, die sich schätzen, füreinander interessieren und einander widersprechen. Mehr bräuchte man für das Zusammenleben im Land vielleicht gar nicht, in dem ein Viertel der Bevölkerung auch eine Türkei oder ein Israel oder einen anderen Ort außerhalb Deutschlands hat, der zu Herkunft und Heimat gehört. Topçu und Schneider einigen sich irgendwann auf dies: Für den Moment ist es gut, mehr kann man nicht erwarten.
AURELIE VON BLAZEKOVIC
Im Alter sei er nicht milder,
sondern sensibler geworden
gegenüber Antisemitismus
Özlem Topçu,
Richard C. Schneider: Wie hättet ihr uns denn gerne? Ein Briefwechsel zur deutschen Realität. Muslimisch, jüdisch, deutsch – ein Erfahrungsbericht. Droemer Verlag, München 2022. 272 Seiten, 18 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Aurelie von Blazekovic weiß nach diesem Briefwechsel zwischen zwei prominenten Journalisten, dass es für ein besseres Zusammenleben im Land Interesse und Wertschätzung bräuchte. Das sei nicht wenig, aber eigentlich auch nicht zu viel verlangt. Wenn Richard Schneider von seiner hundertjährigen Mutter erzählt, die im Alter von Demenz und ihren Holocausterfahrungen heimgesucht wird, wenn er den Antisemitismus der allseits gefeierten Serie "Unorthodox" brandmarkt oder wenn Özlem Topçu von ihrem Stolz über das Mainzer Forscherpaar Özlem Türeci und Uğur Şahin bekennt, dann spürt die Kritikerin, wie viel "Unrecht, Vergessen und Dummheit" es noch immer in Deutschland gibt. Die Bitterkeit in diesem Briefwechsel versteht sie.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Würde man all die klugen und dabei so offenkundigen Wahrheiten rot markieren, das ganze Buch wäre eine glühendrote Papier-Landschaft." Illustrierte Neue Welt 20220516