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Die meisten Merkmale im Tierreich lassen sich evolutionsbiologisch durch natürliche Auslese erklären: Sie bieten einen Überlebensvorteil gegenüber anderen und haben sich deshalb durchgesetzt. Anders sieht es dagegen bei den farbenprächtigen Federkleidern und dem hochkomplexen und aufwendigen Balzverhalten vieler Vogelmännchen aus: Wie konnten sich diese schönen, aber aus evolutionsbiologischer Sicht scheinbar sinnlosen, ja hinderlichen Merkmale überhaupt entwickeln? Richard Prum, Professor für Ornithologie an der Yale University, beruft sich ausgerechnet auf Darwin, um der natürlichen Auslese…mehr

Produktbeschreibung
Die meisten Merkmale im Tierreich lassen sich evolutionsbiologisch durch natürliche Auslese erklären: Sie bieten einen Überlebensvorteil gegenüber anderen und haben sich deshalb durchgesetzt. Anders sieht es dagegen bei den farbenprächtigen Federkleidern und dem hochkomplexen und aufwendigen Balzverhalten vieler Vogelmännchen aus: Wie konnten sich diese schönen, aber aus evolutionsbiologischer Sicht scheinbar sinnlosen, ja hinderlichen Merkmale überhaupt entwickeln?
Richard Prum, Professor für Ornithologie an der Yale University, beruft sich ausgerechnet auf Darwin, um der natürlichen Auslese eine andere Triebkraft zur Seite zu stellen: eine ästhetische Evolution, die ihren Ausdruck in der Partnerwahl findet und eben nicht auf Funktionalität zu reduzieren ist; stattdessen geht es hier um sexuelle Erregung und persönliche Affinität. Schließlich wagt Prum den Sprung von den Vögeln zu uns: Welche Auswirkungen haben Schönheit und individuelles Begehren auf die menschliche Evolution
Autorenporträt
Richard O. Prum, 1961 geboren, ist Professor für Ornithologie an der Yale University. Schon in jungen Jahren begann er damit, intensiv Vögel zu beoachten. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Evolutionsbiologie, vor allem der Evolutionsornithologie und der sexuellen Selektion. Mit Die Evolution der Schönheit war Prum 2019 für den Pulitzer-Preis nominiert. 
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.2022

Extravagant sei die Balz

Reizende Ornamente: Der Ornithologe Richard O. Prum erläutert Darwins Konzept der sexuellen Auslese - und schlägt dabei etwas über die Stränge.

Die Balz des in den Regenwäldern Südostasiens heimischen Argusfasans ist ein wunderbares Schauspiel. Die Männchen legen einen Balzplatz auf einer Kuppe an und halten ihn sauber. Sie schlagen mit den Flügeln, werfen Laub beiseite und picken überhängende Zweige weg. Am Ende der Balz stellt das Männchen seine verlängerten Flügelfedern wie einen Fächer kegelförmig auf, und die strahlenförmig angeordneten Augenreihen auf diesen Federn laufen zum wirklichen Auge des Männchens hin zusammen.

Die Extravaganz solcher Ornamente und Verhaltensweisen, wie sie der Argusfasan zeigt, ist eine Herausforderung an die Theorie der natürlichen Auslese: Anpassungen sollten nützlich in der Auseinandersetzung mit der belebten und unbelebten Umwelt sein, aber welchen Nutzen können solche Ornamente außerhalb der Partnerwahl haben? Sie verschwenden ja wertvolle Energie und erregen die Aufmerksamkeit von Räubern.

Darwin gestand dem amerikanischen Botaniker Asa Gray, dass er sich beim Anblick einer Pfauenfeder jedes Mal krank fühle. Aber er löste den Widerspruch zwischen natürlicher Auslese und der Vielzahl offensichtlich nicht dem Überleben förderlicher Merkmale im Tierreich schließlich mit seiner Theorie der sexuellen Auslese auf. Die verdankte sich der Einsicht, dass biologische Fitness zwei Komponenten hat - Fortpflanzungserfolg und Überleben. Die infrage stehenden Merkmale können entstehen und erhalten bleiben, wenn sie ihrem Träger einen hohen Fortpflanzungserfolg verschaffen und damit mögliche Nachteile beim Überleben kompensieren.

Darwin schlug vor, dass die Vorliebe von Weibchen für aufwendige Ornamente auf eine subjektive Empfindung für Schönheit zurückzuführen sei, die nichts mit der Nützlichkeit dieser Merkmale im Überlebenskampf zu tun habe. Viele von Darwins Zeitgenossen hielten nur sehr wenig von dieser Theorie. Sie behaupteten, es gebe keine Beweise dafür, dass Weibchen aktiv ihre Partner auswählen. Die Theorie schlief viele Jahrzehnte einen Dornröschenschlaf - obwohl einige Größen der Evolutionsbiologie wie August Weismann, Ronald Fisher und John Maynard Smith sich mit ihr befassten - und wurde erst am Beginn der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts wieder zu einem zentralen Thema der Evolutionsbiologie.

Richard Prum, Professor für Ornithologie an der Yale University, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Darwins Theorie zur sexuellen Auslese den ihr zustehenden Platz zuzuweisen. Das zentrale Argument seines Buches ist, dass Evolutionsbiologen Darwins wirklich "gefährliche Idee" verworfen haben, nämlich, dass die subjektive und ästhetische Erfahrung von Schönheit durch (weibliche) Tiere der Schlüssel für die Erklärung von "Schönheit" und ästhetischer Extravaganz in der Tierwelt und insbesondere bei Vögeln ist.

Prum schreckt nicht davor zurück, komplizierte Erklärungsversuche vorzustellen, aber sein Buch ist vor allem eine faszinierende Kompilation außergewöhnlicher Paarungsrituale im Tierreich. Er beginnt mit einer ausführlichen Beschreibung des Balzrituals des Argusfasans, er schildert, wie stammesgeschichtliche Information das Paarungsverhalten der Schnurrvögel erhellt und wie innovatives Paarungsverhalten entstehen kann. Er widmet ein Kapitel dem außergewöhnlichen Sexleben von Enten - einer der wenigen Vogelgruppen, die einen Penis haben -, und natürlich werden auch die Balzrituale der Laubenvögel behandelt, die mit ihren geschmückten Lauben Weibchen anzulocken versuchen.

All diese Vielfalt erklärt Prum mit den willkürlichen ästhetischen Vorlieben der Weibchen, die zu einem Prozess der "Runaway"-Auslese führen kann (ein Prozess, den Ronald Fisher 1930 vorschlug und mathematisch formalisierte): Die Vorliebe für ein Merkmal und das Merkmal entwickeln eine genetische Korrelation, wodurch sich Vorliebe bei Weibchen und die Ausprägung des Merkmals bei Männchen so lange aufschaukeln, bis die Kosten für das Überleben des Männchens zu hoch werden und durch den Paarungserfolg nicht mehr ausgeglichen werden können.

Der Bösewicht in Prums Schilderung ist die sogenannte "adaptive Partnerwahl" - die Hypothese, dass die Wahl des Partners auf Signalen beruht, die Information über die Qualität der Männchen geben und dem wählenden Tier oder dessen Nachkommen damit besseres Überleben oder mehr Nachkommen versprechen. In Prums Augen ist diese Theorie kalt, utilitaristisch und sogar eugenisch, da eine oft nur ungenügend begründete genetische Qualität in den Mittelpunkt gestellt würde. Und Prum macht nicht bei Tieren halt. Er benutzt die Behauptung der sexuellen Autonomie von weiblichen Vögeln als Unterstützung für den Feminismus. Doch Beispiele für hochgehaltene Werte in der Tierwelt zu finden mag zwar befriedigend sein, aber es bedeutet auch, dass man vor vielen nicht so erfreulichen Phänomen die Augen verschließen muss: Kindestötung bei Löwen oder Blässhühnern, erzwungene Paarungen oder sexueller Kannibalismus etwa wollen da nicht ins Bild passen.

Richard Prums Buch hinterlässt deshalb sehr gemischte Gefühle. Auf der einen Seite bietet er eine außerordentlich breite und gut verständliche Darstellung einiger Aspekte eines dynamischen Forschungsfelds. Auf der anderen Seite ist dieses Buch eine entschieden einseitige Streitschrift in einer noch offenen Debatte, deren Daten und Argumente nur eine kleine Zahl von Experten wirklich durchschauen können. Denn in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung verlaufen die Fronten weitaus weniger eindeutig, als Prum behauptet. Darwins und Fishers Theorie fristet keineswegs ein Nischendasein - die beiden Arbeiten von Russell Lande und Mark Kirkpatrick, die in den Achtzigerjahren den "Runaway"-Prozess auf eine moderne Grundlage stellten, gehören zu den meistzitierten Arbeiten auf dem Feld der Arbeiten zur sexuellen Auslese.

Und Prum ignoriert neuere Arbeiten, die weder seine bevorzugte Theorie noch adaptive Partnerwahl in den Vordergrund stellen, sondern kognitive und neurale Mechanismen betrachten: Sinnesorgane und das Zentralnervensystem zeigen demnach einen "bias" für gewisse Reizkonfigurationen, und dieser Mechanismus kann auch zu der extravaganten Ausprägung von Merkmalen führen. Hält man sich an das große Wissen des Autors über das Verhalten von Vögeln, kann man Prums Buch trotzdem mit Gewinn lesen. THOMAS WEBER

Richard O. Prum: "Die Evolution der Schönheit". Darwins vergessene Theorie zur Partnerwahl.

Aus dem Englischen von Frank Born. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2022. 464 S., geb., 45,- .

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Rezensentin Susanne Billig ist begeistert von diesem Buch, in dem der Ornithologe Richard O. Prum die gängigen Ansichten der Evolutionstheorie modifiziert. Dass Prum nebenbei die Biologie von eugenischen und gestrigem Denken befreit, nimmt die Rezensentin gern mit. Prum hat lange in Surinam zum Balzverhalten von Schnurrvögeln geforscht und vertritt die Auffassung, dass Vögel durchaus Sinn für Ästhetik und Erotik haben. Nach der herkömmlichen Theorie bevorzugen weibliche Vögel Männchen mit buntem Federkleid und schönem Gesang, weil Ornamente angeblich für Gesundheit und gute Gene stehen. Bei Prum stehen sie für Schönheit, und wenn sich Betörende und Betörte paaren, kommt es zu einer Explosion. Oder, wie Billig zitiert: "Schönheit passiert."

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