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Der Berliner Journalist Theodor Wolff (1868-1943) schrieb auch Sachbücher, Theaterstücke und Romane. Sein letztes Werk war »Die Schwimmerin« und erschien 1937 bei Oprecht in Zürich - Wolff lebte da schon drei Jahre im südfranzösischen Exil. Der »Roman aus der Gegenwart«, so der Untertitel, erzählt die Geschichte der Liebe eines älteren Mannes zu einer jungen Frau vor der Folie der politischen und wirtschaftlichen Erschütterungen der Epoche. Der Mann ist Bankier, Hedonist und »Mann ohne Eigenschaften« (nicht umsonst heißt er Ulrich), der sich aus allem raushält - also das Gegenteil Wolffs. Sie,…mehr

Produktbeschreibung
Der Berliner Journalist Theodor Wolff (1868-1943) schrieb auch Sachbücher, Theaterstücke und Romane. Sein letztes Werk war »Die Schwimmerin« und erschien 1937 bei Oprecht in Zürich - Wolff lebte da schon drei Jahre im südfranzösischen Exil. Der »Roman aus der Gegenwart«, so der Untertitel, erzählt die Geschichte der Liebe eines älteren Mannes zu einer jungen Frau vor der Folie der politischen und wirtschaftlichen Erschütterungen der Epoche. Der Mann ist Bankier, Hedonist und »Mann ohne Eigenschaften« (nicht umsonst heißt er Ulrich), der sich aus allem raushält - also das Gegenteil Wolffs. Sie, Gerda Rohr, ist politisch aktiv, brennt für die linksrevolutionären Bewegungen und hält seine Passivität nicht aus. Man kann in ihr Wolffs ehemalige Sekretärin, Ilse Stöbe (1911-1942), erkennen, eine Widerstandskämpferin und sowjetische Spionin, die von den Nazis hingerichtet wurde. Der Roman ist alles andere als ein Thesenstück, gar eine Sammlung von Leitartikeln: Er ist voller Schwung, ungewöhnlichen Formulierungen und atmosphärisch eine fulminante und genaue Schilderung dessen, was wir aus »Babylon Berlin« kennen - oder zu kennen glauben. Wolffs Roman ist vieles zugleich: Liebesgeschichte, Sozialgeschichte, Porträt Berlins - man kann anhand der geschilderten Topographie die Wege der Protagonisten abgehen -, ein wehmütiger Nachruf auf die Weimarer Republik, Vorahnung des bevorstehenden Untergangs, Beschreibung des Lebens im Exil. Und das alles in einer Sprache, die mittels überraschender Bilder erzählt.
Autorenporträt
Theodor Wolff war von 1906 bis 1933 Chefredakteur des »Berliner Tageblatts« und damit der einflußreichste Journalist der Weimarer Republik. Noch heute erinnert der Theodor-Wolff-Preis, der wichtigste deutsche Journalistenpreis, an ihn. Und im Theodor-Wolff-Park in Berlin ist die letzte Zeile seines letzten Artikels zitiert: »Geht hin und wählt!« Wolff emigrierte mit seiner Familie nach Südfrankreich, wurde aber im Mai 1943 in Nizza von italienischen Besatzungssoldaten verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert. Im Gefängnis Moabit zog er sich eine Krankheit zu, an der er am 20. November 1943 im Jüdischen Krankenhaus, Berlin, starb. Ilse Stöbe wurde im September 1942 verhaftet und am 22. Dezember in Plötzensee hingerichtet. An sie erinnert eine Gedenktafel vor dem Haus Frankfurter Allee 233 in Berlin. Ute Kröger studierte Germanistik, Philosophie und Geschichte. Sie lebt und arbeitet als Lite raturwissenschaftlerin und Lektorin in Zürich. Publikationen zu Kultur-, Theater- und Literaturgeschichte der deutschsprachigen Schweiz und ihren Institutionen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Thomas Steinfeld räumt ein, dass ein Joseph Roth Zeitgeschichte eindringlicher erfassen konnte als Theodor Wolff. Auch scheinen ihm der adjektivische Stil und das Kolportagehafte diesen letzten Roman von Wolff aus dem Exil nicht eben attraktiver zu machen. Dennoch folgt er der Geschichte des Bankiers Faber und seiner Liebe zu einer Frau nicht ohne Faszination. Abgesehen vom Berlin der Weimarer Zeit vermittelt der Text laut Steinfeld auch die trivialen "Glücksfantasien" seiner Figuren, ohne sie zu denunzieren, und erzählt vom Opportunismus einer gesellschaftlichen Klasse, von Arbeitslosigkeit und dem Erwachen des Nationalsozialismus.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.01.2022

In Watte und Seidenpapier
Theodor Wolffs merkwürdiger Exilroman „Die Schwimmerin“, sein letztes Buch, wird neu entdeckt
Vier Jahre schon hatte Theodor Wolff, bis zum März 1933 Chefredakteur des liberalen Berliner Tageblatts, im Exil gelebt, als er sein letztes Buch schrieb: „Die Schwimmerin“, einen Zeitroman der Weimarer Republik, eine Liebesgeschichte, vielleicht auch ein Buch der Kolportage und zugleich auch nichts von alledem. Zuerst erschienen in einem Züricher Verlag und bald nach der Veröffentlichung vergessen, wurde er nun wiederveröffentlicht und ist eine seltsame Entdeckung: Für einen Zeitroman enthält er zu wenig Geschichte, für eine Liebesgeschichte zu wenig Liebe, und weil man sich nicht sicher sein kann, welcher Mensch sich in welcher Figur verbirgt, taugt er auch als Kolportage wenig. Doch ist „Die Schwimmerin“ ein seltsames, vielleicht nicht gutes, aber interessantes Werk, und zwar nicht nur, weil sich danach der Plan einer verschwundenen Stadt namens Berlin zeichnen ließe.
Ulrich heißt der Held dieses Buches, wie der Protagonist des einige Jahre zuvor erschienenen Romans „Der Mann ohne Eigenschaften“. Der Nachname lautet „Faber“, der „Tätige“, wobei dieses Prädikat nicht immer zutrifft. Von Beruf ist er Bankier, und Bindungen geht er, mit einer Ausnahme, aus Prinzip nicht ein, nicht einmal zu Wohnungen.
Beobachten aber kann er, und der Erzähler beobachtet mit ihm: „Das Sonnenlicht, das durch die weitgeöffneten Fenster des Salons eindrang“, heißt es über eine Geliebte des Bankiers, „umspielte die Falten dieses mattgrünen Kreises, betastete den Hals und das kleine rosige Ohr und veranstaltete Beleuchtungseffekte in dem blonden Haar.“ Ein Überangebot von Adjektiven wird man in diesem Satz finden, eine Beflissenheit gegenüber verbreiteten Vorstellungen von weiblicher Grazie wie gegenüber dem landläufig Schönen überhaupt. Aber dann ist da auch die Formulierung von den „Beleuchtungseffekten“, die von der Sonne „veranstaltet“ werden. Von solchen Wendungen lebt das Buch: Es ist, als glaubte der Erzähler seine eigene Geschichte allenfalls zur Hälfte und schöbe sie wie etwas Fremdes vor sich her.
Noch ein Beispiel: „Lord Lothberry gehörte zu jenen Persönlichkeiten, deren Gerechtigkeit den Erdball überleuchtete und unter Umständen ausgeschaltet werden konnte wie ein gewöhnliches elektrisches Lampenlicht.“ Es gibt viele solcher Formulierungen in diesem Buch: Sie bedienen einen Enthusiasmus der Lektüre, wie er vermeintlich Trivialromanen zukommt, indem sie sich zugleich vom Trivialen distanzieren. Und sie richten sich gegen die konservative Abwehr der Massenkultur, indem sie die Wünsche und Glücksfantasien, von denen das Triviale lebt, an keiner Stelle denunzieren, sondern zu durchdringen versichern. So geht schließlich die ganze, abenteuerliche Geschichte, in der sich der Bankier in eine noch sehr junge, sehr sportliche, sehr schöne Frau verliebt, sie zu einem selbständigen, erwachsenen Wesen zu erziehen versucht und damit scheiternd Erfolg hat, während zugleich das Finanzinstitut untergeht und die Welt den Fanatikern und den Skrupellosen in die Hände fällt.
Theodor Wolff lebte in Nizza, als er diesen Roman schrieb, unter noch behaglichen Umständen (1943 wurde er dann im Mai an die Gestapo ausgeliefert, ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht und starb im September 1943 im Jüdischen Krankenhaus Berlin). Über die Entstehungsgründe des Buches heißt es manchmal, der Autor habe Geld gebraucht. Das mag so sein oder auch nicht. Das Exil jedenfalls ist ihm anzumerken, in jeder Zeile und auch in der „großbauchigen“ Birne, „der man anmerkte, dass sie, bis zuletzt noch in Watte und Seidenpapier eingehüllt, sorgfältig gepflegt worden war“. Ein jedes Bild, dass der Autor zeichnet, jede Szene, die er schildert, erscheint in einer Dringlichkeit, als habe er sie herbeischwören wollen: Damit sie bloß nicht vergessen werde, im Guten und im Schlechten, während man, als sie tatsächlich gegenwärtig war, nicht viel ästhetische Energie auf sie verschwendete.
Selbstverständlich ist „die Schwimmerin“ auch ein politisches Buch. Es erzählt von einer Klasse, die von Politik nichts verstehen, aber opportunistisch bleiben wollte bis zuletzt. Es berichtet von Armut, Gewalt und Arbeitslosigkeit sowie von den Umständen, in denen sich der Nationalsozialismus durchsetzen konnte. Es gibt Romane, die analytischer und eindringlicher von dieser Zeitgeschichte sprechen, Joseph Roth in der „Kapuzinergruft“, um nur ein Beispiel zu nennen. Theodor Wolffs Buch ist anders: Er selbst hatte sich gewünscht, es möge ein Film daraus werden, mit der österreichischen Schauspielern Elisabeth Bergner in der Hauptrolle und in den Vereinigten Staaten produziert. Die „Beleuchtungseffekte“, von denen dieser Roman lebt, wären einem solchen Unternehmen entgegengekommen.
THOMAS STEINFELD
Er hat sich gewünscht, es möge
ein Film mit Elisabeth Bergner
daraus werden
Theodor Wolff:
Die Schwimmerin. Roman aus der Gegenwart.
Mit einem Nachwort von Ute Kröger.
Weidle, Bonn 2021.
353 Seiten, 25 Euro.
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