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An der nördlichsten Küste Islands entspringt eine Quelle, die Überlieferungen zufolge über geheimnisvolle Heilkräfte verfügt. Als ein heftiger Vulkanausbruch Island - damals eine dänische Kolonie - im 18. Jh. verwüstet, wird im fernen Kopenhagen die Zwangsdeportation der Bevölkerung geplant. Der junge Wissenschafter Magnús Egede wird auf die Insel geschickt, um die Umsetzung dieses Plans zu betreiben - stattdessen jedoch verfällt er der Faszination der rauen Landschaft, ihrer Archaik und der Schönheit von Sesselja, einem stummen Mädchen aus den Westfjorden. Als Magnús von einem Eisbären schwer…mehr

Produktbeschreibung
An der nördlichsten Küste Islands entspringt eine Quelle, die Überlieferungen zufolge über geheimnisvolle Heilkräfte verfügt. Als ein heftiger Vulkanausbruch Island - damals eine dänische Kolonie - im 18. Jh. verwüstet, wird im fernen Kopenhagen die Zwangsdeportation der Bevölkerung geplant. Der junge Wissenschafter Magnús Egede wird auf die Insel geschickt, um die Umsetzung dieses Plans zu betreiben - stattdessen jedoch verfällt er der Faszination der rauen Landschaft, ihrer Archaik und der Schönheit von Sesselja, einem stummen Mädchen aus den Westfjorden. Als Magnús von einem Eisbären schwer verletzt wird, ist es das Wasser aus dem Quell des Lebens am Rande der bewohnbaren Welt, mit dem Sesselja ihn heilt - nur um ihn wieder zu verlieren...
Autorenporträt
geboren 1971 in Reykjavík, studierte altnordische Literatur in Bergen (Norwegen) und forscht vor allem zur Dichtung des skandinavischen Mittelalters. Er publizierte zwei Gedichtbände und mehrere Romane, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. Sowohl sein Romandebüt ¿Die Landschaft hat immer recht¿ (dt. 2018)  als auch sein neuester Roman ¿Quell des Lebens¿ wurde für den Isländischen Literaturpreis nominiert. Bergsveinn Birgisson lebt in Bergen, wo er auch an der Universität lehrt. In norwegischer Übersetzung erscheinen Birgissons Romane im ausgewählten Literaturprogramm des Pelikanen Forlag, der Karl Ove Knausgård gehört. Zuletzt erschienen: ¿Die Landschaft hat immer recht¿ (2018) und "Quell des Lebens" (2020).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.07.2020

Ein Schiff wird kommen

In Bergsveinn Birgissons Historienroman "Quell des Lebens" bereitet ein Wissenschaftler der Zwangsevakuierung Islands den Weg.

Der Nordraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 1785. Dies sind die Abenteuer des Magisters Magnús ? relíus Egede auf Island - einem unverstandenen Winkel des dänisch-norwegischen Reiches, Lichtjahre von Kopenhagen entfernt und gerade erst heimgesucht von einer Pocken-Epidemie sowie der jüngsten einer ganzen Reihe schlimmer Katastrophen: dem Ausbruch des "Laki-Kraters" unweit des Vatnajökull im Juni 1783.

Monatelang hatte der Vulkan damals Feuer gespuckt. Selbst Nordamerika und Europa, wo der nachfolgende Winter ungewöhnlich kalt ausfiel, bekamen die Folgen zu spüren. Aber am verheerendsten war die Lage auf Island selbst. "Viel Asche hat sich hier über Felder und Höfe gelegt", notiert Egede, fiktiver Held in Bergsveinn Birgissons Roman "Quell des Lebens": "Viehkadaver liegen auf Wiesen und Gräben wie Treibholz an der Küste."

Egede ist Däne und als Mann der Aufklärung beseelt vom Glauben an eine neue, von Wissenschaftlern wie ihm ermöglichte Zeit. Er soll eine nordwestliche Region Islands im Auftrag der Krone vermessen, ihren Zustand nach den Katastrophen beschreiben und so eine Grundlage für die in Kopenhagen so gut wie beschlossene Zwangsevakuierung derjenigen Isländer liefern, die man in den Manufakturen der Heimat gebrauchen kann. Wie Kolonialisten eben so rechnen und planen.

Im Vergleich mit Birgissons Debüt "Die Landschaft hat immer recht", das charmant aus dem Schreibärmel geschüttelt wurde, von schrulligen Fischern im modernen Island erzählte und bis dato das einzige ins Deutsche übersetzte Buch des Autors war, wirkt "Quell des Lebens" eher wie ein routiniert geplantes Projekt. Der nostalgische Ton ist zuweilen etwas angestrengt und anstrengend, der Autor fast kehlmannmäßig eingenommen von der eigenen Fabulierkunst: "Es war in jenen Tagen, als das Leben des isländischen Volkes an einem seiden Faden hing." Aber ein solider Schmöker ist "Quell des Lebens" trotzdem, und er wurde mittlerweile sogar für den renommierten Literaturpreis des Nordischen Rats 2020 nominiert, also den bedeutendsten Literaturpreis in Nordeuropa, der Ende Oktober vergeben wird.

Berichterstatter des Geschehens im Roman ist zum einen Egede, der sich auf dem Rücken eines Pferdes durch ein ärmliches, dreckiges und verregnetes Land schleppt und seine Beobachtungen in Briefform für Kopenhagen festhält. Zum anderen schildert ein namenloser Erzähler, was zwischen diesen Briefen und selbst in den wirren Träumen des Epileptikers Egede geschieht: als ausführliche Ergänzung und teils Korrektur.

Ein kurzes Vorspiel beschreibt die Katastrophen auf Island und eine Szene in der königlichen Zinskammer in Kopenhagen: Ein Kammerherr namens Levetzow, gerade aus Islands Osten zurück und wenig später sein Gouverneur, schimpft Ende 1784 wie ein Rohrspatz über das viele Geld, das die Krone auf die Insel geschickt hat, ohne dass die Wirtschaft dort aufblühen würde. Er schlägt die Zwangsumsiedlung von 20 000 arbeitsfähigen Isländern nach Dänemark und Norwegen vor. Wobei man wissen muss, dass es damals nur etwa 39 000 Isländer gab. Es ist ein Auftakt im Kostümfilmformat, vielleicht beschwingt dadurch, dass sich Paramount Pictures 2017 schon die Rechte an Birgissons literarischem Sachbuch "Der schwarze Wikinger" gesichert hat.

Dann offenes Meer. Magister Egede bereitet sich an Bord eines Schiffes nach Island darauf vor, den Nordwesten der Insel so genau wie noch niemand vor ihm zu vermessen und nebenher zu erkunden, wie es um die Bewohner bestellt ist, denen man Inzucht, Degeneration, Hexerei und schlimmes Zeug wie Kontakte zu holländischen Seeleuten nachsagt: "Sie töten Menschen und verwenden die Leichen als Fischköder, stopfen heilige Bücher in die Ritzen der Häuser. Sie verkaufen ihre Kinder an holländische Fischer."

In diesem Moment ahnt Egede nicht, wie sehr ihn der Versuch, sich ein nüchternes Bild von diesen Insulanern zu machen, herausfordern wird. Er wird viel Not sehen und einfachste Lebensumstände. Aber er wird auch Zivilisation finden, wo er sie nicht erwartete, und sich immer wieder mit unerklärlichen Dingen auseinandersetzen müssen, wie er, der "in der Rolle des Wissenschaftlers gefangen" ist, es niemals tun wollte.

Nicht zuletzt wird Egede einem "Seehundmann" begegnen, der ebenso gut einem Roman von Cooper oder Stevenson entnommen sein könnte. Und Sesselja, einer Frau mit herausgeschnittener Zunge. Sie erschüttert Egedes rührenden, aber eben nicht unbeirrbaren Glauben an das Rationale und wird sich ihrerseits bald auf eine abenteuerliche Reise hin zu der titelgebenden Quelle begeben.

Nebenher lobpreist "Quell des Lebens" die isländische Landschaft, die seit Jahren durch industrielle Großprojekte wie ein geplantes Wasserkraftwerk in der Region Strandir verschandelt wird, und ihre stolzen Bewohner, die "über Geschehnisse in alten Sagen" sprechen, "als sei dies alles gestern gewesen". Sie vermögen der Vorstellung eines Lebens in Kopenhagen trotz allem wenig abzugewinnen, schimpfen lieber über Kirche und Krone und sagen: "Unser König, das sind die Schiffe, mit denen wir Handel treiben." Das Original des Buches erschien hundert Jahre nach dem Unionsvertrag 1918, mit dem Island ein souveräner, von Dänemark unabhängiger Staat wurde.

Die Behauptung des Erzählers im Epilog, die Evakuierung der arbeitsfähigen Isländer sei nach Egedes Reise 1785 wirklich umgesetzt und die Landschaft anschließend an dänische Adelige verscherbelt worden (die sie wiederum an amerikanische Unternehmer vertickten), ist als Schelmenstreich eines Autors zu werten, der auch schon eine Isländersaga erfunden hat. Birgisson spricht auf Anfrage von "kontrafaktischer Geschichte". Er legt Wert darauf, viele Details des Romans wie Levetzows Vorschlag zur Zwangsevakuierung Islands, der weit gediehen sei, in Archivquellen gefunden zu haben; unter anderem ging er im Staatsarchiv die gesamte Korrespondenz zwischen Island und Kopenhagen durch, auch Briefe und Annalen, in denen die Not auf Island beschrieben wurde. Im Epilog aber habe er eine "gefühlsmäßige Wirklichkeit" vermitteln wollen, die mit der Gegenwart korrespondiere - eine Gegenwart, in der Teile Islands an ausländische Milliardäre veräußert würden.

Leider kam niemand auf die Idee, eine solche Erläuterung dem Roman hinzuzufügen. Auch wenn es natürlich irgendwie zum Thema passt, man denke nur an die Walknochen, die der Wissenschaftsmann Magnús ? relíus Egede auf seiner Reise durch den Norden Islands entdeckt und seinen Auftraggebern in Kopenhagen als "allgemeinen Beweis für die Riesen als Urbewohner der Erde" zu verkaufen versucht.

MATTHIAS HANNEMANN

Bergsveinn Birgisson: "Quell des Lebens". Roman.

Aus dem Isländischen von Eleonore Gudmundsson.

Residenz Verlag, Wien 2020. 304 S., geb., 24,- [Euro].

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