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DER MANN, DER DIE WEIßEN BESIEGTE - DAS GROßE LEBEN DES TOUSSAINT LOUVERTURE
Toussaint Louverture ist der Ahnherr von «Black Lives Matter». Sein Name ist untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen koloniale Unterdrückung, Sklaverei und Rassismus. Ende des 18. Jahrhunderts organisierte er auf Haiti erfolgreich einen großen Sklavenaufstand, und von da an führt ihn sein Weg immer weiter empor, bis er schließlich Gouverneur der Insel wird und ihr eine eigene Verfassung gibt. 1802 gerät er in die Hände Napoleons und wird nach Frankreich deportiert, wo er elendig in einem Kerker sein Leben…mehr

Produktbeschreibung
DER MANN, DER DIE WEIßEN BESIEGTE - DAS GROßE LEBEN DES TOUSSAINT LOUVERTURE

Toussaint Louverture ist der Ahnherr von «Black Lives Matter». Sein Name ist untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen koloniale Unterdrückung, Sklaverei und Rassismus. Ende des 18. Jahrhunderts organisierte er auf Haiti erfolgreich einen großen Sklavenaufstand, und von da an führt ihn sein Weg immer weiter empor, bis er schließlich Gouverneur der Insel wird und ihr eine eigene Verfassung gibt. 1802 gerät er in die Hände Napoleons und wird nach Frankreich deportiert, wo er elendig in einem Kerker sein Leben aushaucht. Doch Toussaints Botschaft der Befreiung hallt durch die Jahrhunderte. Es ist längst an der Zeit, ihm den Platz unter den großen Gestalten der Weltgeschichte einzuräumen, der ihm gebührt. Sudhir Hazareesingh hat es getan und auf der Grundlage jahrelanger Forschungen die faszinierende Biografie des Mannes geschrieben, mit dem der Anfang vom Ende der weißen Vorherrschaft begann.
Die Revolution auf Haiti begann mit einer Sklavenrevolte im August 1791. Ein Dutzend Jahre später erreichte sie mit der Proklamation des ersten unabhängigen schwarzen Staates ihren Höhepunkt. Ihr Kopf war ein Mann, der längst zu den großen Gestalten der Weltgeschichte zählen würde, wenn er weiß gewesen wäre: Toussaint Louverture, ein ehemaliger Sklave, der Anführer der schwarzen Bevölkerung, Kommandeur der republikanischen Armee und schließlich Gouverneur der Insel. 1802 wurde er von einer Invasionsarmee Napoleons überwältigt und nach Frankreich deportiert, wo er, mit den Worten Wordsworths, als «unglücklichster aller Menschen» 1803 in einem Kerker verstarb.

Vom Sklaven zum Gouverneur - der schwarze Napoleon Toussaint Louverture - der erste schwarze "Superheld" der Geschichte Die grundlegende Biografie einer vernachlässigten welthistorischen Gestalt Ausgezeichnet unter anderem mit dem Wolfson-Preis für das beste historische Buch des Jahres
Autorenporträt
Sudhir Hazareesingh wurde in Mauritius geboren. Er ist Fellow der British Academy und seit 1990 Fellow und Tutor am Balliol College in Oxford. Alle seine Bücher sind preisgekrönt, darunter zuletzt "How the French think", für das er den Grand Prix du Livre d¿Idées erhielt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensentin Andrea Pollmeier ist sowohl von Toussaint Louvertures Leben, als auch von Sudhir Hazareesinghs Biografie darüber beeindruckt. Der in Oxford lehrende Historiker porträtiert hier mithilfe von Rede-Protokollen, etlichen Briefen und bislang unbekanntem Archivmaterial das Leben eines der wichtigsten Befreiungskämpfer unserer Geschichte, schwärmt Pollmeier. Louverture, der sich vom haitianischen Sklavenkind zum General der französischen Armee hochgearbeitet hat und nach vielen Hindernissen und Widerstand das Ende der weißen Vorherrschaft einleitete ist der Rezensentin zufolge im deutschsprachigen Raum leider noch unbekannt, auch in den USA werde er sehr selten rezipiert. Mit diesem gut recherchierten Buch, das zudem mit Klischees und Fehlbehauptungen aufräumt, bekommt diese historisch beeindruckende Figur wenigstens ihren verdienten Platz in der Geschichtswissenschaft, resümiert sie.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.05.2022

Gewiefter Revolutionär
Ein Klassiker über die Revolution in Haiti und eine neue Biographie Toussaint Louvertures

Zwischen 1791 und 1804 mündete eine Sklavenrevolte in der französischen Karibikkolonie Saint-Domingue, dem späteren Haiti, in eine nationale Revolution, aus der Haiti als erster "schwarzer Nationalstaat" hervorgehen sollte. Politisch wurde die junge Republik von den meisten Staaten jedoch geächtet. Frankreich weigerte sich mehr als zwanzig Jahre lang, das Land anzuerkennen, und tat das erst, als die haitianische Regierung sich bereit erklärte, eine langfristig höchst belastende Entschädigung an die ehemaligen Plantagenbesitzer zu zahlen.

In den Augen vieler Sklavenbefürworter wurde Haiti zu einem Synonym für das, was es zu verhindern galt, und provozierte unter Sklavenbesitzern Horrorvisionen über mögliche Aufstände. Sie taten alles, damit Haiti Paria blieb. Sie verwiesen etwa auf die Gewalt der Haitianischen Revolution und die politischen und wirtschaftlichen Probleme des unabhängigen Haitis, um daraus den Schluss zu ziehen, dass schwarze Menschen in Sklaverei besser aufgehoben seien als in Freiheit.

Zugleich entwickelte sich Haiti schnell zum Symbol für schwarze Würde und Widerstand. Die Revolution entfaltete sowohl auf Zeitgenossen als auch auf spätere Generationen von afrikanischen und karibischen Intellektuellen und Nationalisten eine beträchtliche Anziehungskraft. C. L. R. James' (1901 bis 1989) nun wieder in deutscher Sprache zugänglicher, erstmals 1938 erschienener Klassiker zu den "schwarzen Jakobinern" wurde lange Zeit vor allem als politisches Manifest aus der Feder eines militanten Antiimperialisten und Marxisten gedeutet. Inzwischen gilt die Studie des in Trinidad geborenen und lange in den Vereinigten Staaten und England lebenden politischen Journalisten und Schriftstellers in der internationalen Forschung zu Recht als historiographischer Meilenstein.

Vor dem Hintergrund aktueller Debatten stechen besonders James' Überlegungen zum Kapitalismus ins Auge. Er charakterisierte die Plantagensklaverei auf Saint-Domingue, der im achtzehnten Jahrhundert wohl einträglichsten aller Kolonien, nicht als überholte Form ökonomischer Praxis, sondern in all ihrer Brutalität als intrinsischen Teil des Kapitalismus. Folgerichtig bezeichnete er die Plantagen als "Zuckerfabriken". Überdies verwies James mit Nachdruck auf die Bedeutung von Kapitalbildung durch den interkontinentalen Sklavenhandel und hob die enge Verknüpfung von Arbeitskraft, Produktion und Konsumtion im atlantischen Raum hervor. Und er war zwar überzeugt, dass "die Frage des Rassismus in der Politik der Klassenfrage untergeordnet" sei, "aber diesen Faktor als etwas rein Zufälliges abzutun, wäre fast ein so großer Fehler, wie in ihm das Hauptproblem zu sehen".

Ein weiterer zentraler Argumentationsstrang bestand für James in der "jakobinischen" Seite der Revolution von Saint-Domingue: Für ihn bestand kein Zweifel, dass die haitianischen Revolutionäre ihr politisches Handeln an den Idealen der Französischen Revolution ausrichteten. Wie Toussaint Louverture, die Schlüsselfigur der revolutionären Phase, ihre Ziele im Verfassungsentwurf von 1800 zusammenfasste: Alle Menschen in Saint-Domingue sollten frei und Franzosen sein.

Gegen diese Darstellung von Toussaint als "französischem" Jakobiner verwahrt sich der in Oxford lehrende Historiker Sudhir Hazareesingh in einer neuen, umfassenden Biographie, die antritt, die Welt mit Toussaints Augen zu sehen "und die Kühnheit seines Denkens und die Eigenart seiner Stimme wieder zum Leben zu erwecken". Er porträtiert den "schwarzen Spartakus" als einen gewieften revolutionären politischen Unternehmer, der es verstand, die schwarze versklavte Bevölkerung zu mobilisieren. Dabei kam ihm, so Hazareesingh, nicht allein sein ausgeprägtes Charisma zugute. Vielmehr sei es ihm gelungen, einen "kreolischen Republikanismus" zu formen, der aus französischen, afrikanischen und einheimischen Quellen schöpfte, auf einer tiefen Verachtung der Sklaverei beruhte und genuines Vertrauen sowie öffentliches Engagement unter den ehemals Versklavten inspirierte.

Der als Sklave geborene Toussaint hatte ein Jahrzehnt vor der Revolution die Freiheit erlangt, besaß kurzfristig sogar selbst einen Sklaven und arbeitete als Manager einer gemieteten Kaffeeplantage. Mit großem Geschick navigierte er in dieser Zeit zwischen den verschiedenen Welten der Kolonie, hielt Verbindungen mit Pflanzern, anderen bereits vor der Emanzipation frei gewordenen Männern afrikanischer Herkunft und den unterschiedlichen Fraktionen der Sklaven. Nach Beginn der Revolte kämpfte er dafür, die Emanzipation aufrechtzuerhalten, wollte aber zugleich sicherstellen, dass die ehemals Versklavten weiter auf den Plantagen arbeiten und die Insel den Export ihrer wertvollen Plantagenprodukte fortsetzen konnte. So blieb er in einem schwierigen, von Hazareesingh unterschätzten Paradox gefangen. Um die neue Freiheit zu schützen und zu verfestigen, begrenzte Louverture sie und versuchte, die Ökonomie der alten Ordnung am Leben zu erhalten. Daran entzündete sich die Kritik ehemaliger Sklaven, die Kontrolle über ihr Arbeitsleben anstrebten, und führte später in Teilen der Geschichtsschreibung dazu, ihm Autoritarismus vorzuwerfen.

Als Napoleon in Frankreich an die Macht kam, machte er sich sogleich daran, das Imperium zu restaurieren und die Sklaverei wieder einzuführen. Eine französische Armee von über zehntausend Mann besetzte 1802 die Insel, Toussaint wurde verhaftet und nach Frankreich deportiert, wo er ein Jahr darauf im Kerker starb. Doch andere schwarze Generäle, die nicht in eine Ära der Sklaverei und rassistischen Unterdrückung zurückkehren wollten, setzten seinen Kampf fort und besiegten schließlich die vom Gelbfieber arg dezimierten französischen Truppen. 1804 riefen die Sieger die Republik Haiti aus. Die Geschichte von Toussaint Louverture und der Haitianischen Revolution, wie sie von James und Hazareesingh jeweils auf eindringliche, dabei sehr unterschiedliche Weise dargelegt wird, hat uns bis heute viel über Kapitalismus, Rassismus und die Spielräume multiethnischer Gesellschaften zu sagen. ANDREAS ECKERT

C. L. R. James: "Die schwarzen Jakobiner". Toussaint Louverture und die Haitianische Revolution.

Aus dem Englischen von G.Löffler und J.Theodor. Karl Dietz Verlag, Berlin 2021. 363 S., br., 20,- Euro.

Sudhir Hazareesingh: "Black Spartacus". Das große Leben des Toussaint Louverture.

Aus dem Englischen von Andreas Nohl. C. H. Beck Verlag, München 2022. 551 S., geb., 34,95 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.07.2022

Seine Feder kannte keinen Sonntag
Womöglich war die Haitianische Revolution von 1791 der wichtigste Freiheitskampf der Menschheitsgeschichte.
Und Toussaint Louverture war ihr Anführer. Davon erzählt jetzt Sudhir Hazareesinghs große Biografie
VON IWAN MICHELANGELO D'APRILE
Die Geschichte von Aufklärung und Menschenrechten lässt sich nicht ohne die Haitianische Revolution schreiben. Nicht nur war die Entstehung moderner, auf freien und gleichen Rechten begründeter Verfassungsstaaten von ihren historischen Anfängen an eingebunden in einen wechselseitigen Verflechtungs- und Bedingungszusammenhang atlantischer Revolutionen, zu dem neben der Nordamerikanischen und der Französischen auch die Haitianische zählt. Darüber hinaus offenbaren sich in ihr die blinden Flecken und Widersprüche zwischen einem europäischen Selbstverständnis, genuiner Repräsentant universeller Werte und Rechte zu sein, und der historischen Tatsache, dass diese häufig erst von diskriminierten und subalternen Akteuren im Widerstand gegen die barbarischen Herrschaftspraktiken der europäischen Kolonialmächte ausbuchstabiert und durchgefochten worden sind.
In der seinerzeit profitabelsten und um den Preis der beschleunigten Deportation von Hunderttausenden aus Afrika verschleppten und auf den Plantagen ausgebeuteten Sklavenarbeitern zum unangefochtenen Exportweltmeister von Kolonialgütern wie Zucker, Kaffee, Indigo oder Baumwolle aufgestiegenen Kolonie waren es die Sklaven selbst, die beginnend mit Aufständen Anfang der 1790er-Jahre die Abschaffung der Sklaverei durchsetzten und mit der Unabhängigkeitserklärung von 1804 das erste historische Beispiel einer erfolgreichen nicht-weißen Dekolonisation gaben.
Mit Sudhir Hazareesinghs 2020 im englischen Original erschienener und der von Andreas Nohl schwungvoll ins Deutsche übersetzten Biografie des bedeutendsten Protagonisten der Haitianischen Revolution, Toussaint Louverture, kann man sich auf den internationalen Stand des Wissens bringen. Auf der Grundlage von in bislang unerreichtem Ausmaß recherchiertem Quellenmaterial und mit hoher methodischer Sensibilität für die Asymmetrien der von den Kolonialmächten dominierten Überlieferungsgeschichte erzählt Hazareesingh Toussaints Leben konsequent gegen den Strich eines eurozentrischen Nachahmungsnarrativs, nach dem die Haitianische Revolution als bloßer kolonialer Wurmfortsatz der Ereignisse in der Pariser Zentrale zu verstehen sei.
In dem komplexen und hochexplosiven Feld der imperialen Mächtekonkurrenz zwischen Frankreich und Großbritannien und einer auf der mörderischen Sklavenwirtschaft basierenden Inselökonomie wird Toussaint so als ein Akteur erkennbar, dessen politisches Handeln an einer spezifischen erfahrungsgesättigten und den lokalen Gegebenheiten angemessenen Rationalität orientiert war, die seine Erfolge gegen alle Wahrscheinlichkeiten und militärischen Machtverhältnisse erst ermöglichte. Mit einer Wendung aus der Zuckerproduktion hat Toussaint selbst diese Rationalität als „raffiner de politique“ bezeichnet.
Der rassistisch befestigten Sozialhierarchie aus wenigen, allermeist weißen Plantagenbesitzern, einer Minderheit europäisch-indigener Gens de couleur und der schwarzen Bevölkerungsmehrheit, in der „die verschiedenen Schattierungen der Hautfarbe den Unterdrücker vom Unterdrückten“ unterschieden (Toussaint), stellte er dabei nach Hazareesingh das eigenständige Programm eines „kreolischen Republikanismus“ und einer auf Rechtsgleichheit und Interessenausgleich basierten multiethnischen Gesellschaft entgegen.
Toussaint wurde um 1740 als Sohn von aus dem heutigen Benin stammenden und nach Haiti verschleppten Eltern auf einer Zuckerplantage geboren und dort aufgrund seiner Fähigkeiten bald für Dienstleistungs- und Verwaltungstätigkeiten als Kutscher, Tierpfleger und Pflanzenheilkundler eingesetzt. Mit Mitte dreißig wurde er in die förmliche Freiheit entlassen und war vor Ausbruch der Revolution sogar selbst zum Plantagenbesitzer aufgestiegen.
Seine privilegierte Stellung und seine intime Kenntnis der unterschiedlichen sozialen und ethnischen Gruppen setzte er geschickt ein, um dem Sklavenaufstand von 1791 zum entscheidenden Erfolg zu verhelfen. Er nutzte die militärischen Ressourcen der mit Großbritannien verbündeten spanischen Royalisten, die den Ostteil der Insel beherrschten, stellte den Sklavenaufstand aber zugleich in den ideellen Horizont des französischen Revolutionsdiskurses.
Während die Abgesandten der französischen Republik zwar wortreich die Menschenrechte beriefen („ihre Zungen kannten keinen Sonntag“, registrierte Toussaint erstaunt deren Geschwätzigkeit), aber dennoch paternalistisch auf ihre Rechte als Kolonialmacht pochten und lediglich den Gens de couleur Bürgerrechte zugestanden, hielt Toussaint den Druck so lange aufrecht, bis die Pariser Nationalversammlung im Frühjahr 1794 erstmals in der Menschheitsgeschichte die Sklaverei abschaffte. Erst jetzt schloss er sich der französischen Republik an und verstand sich von nun an bis zu seinem Lebensende als freier Bürger Frankreichs.
In einer vierjährigen Abwehrschlacht verteidigte er die neuen Freiheiten erfolgreich gegen die sofort einsetzende Konterrevolution von weißen Plantagenbesitzern und der britischen Armee, indem er der haushohen militärischen Überlegenheit der Invasoren die Partisanentaktiken eines in jahrzehntelanger Sklaverei entwickelten „marronistischen“ Widerstands entgegensetzte. Als ehemaliger Kutscher kannte er die Inseltopografie wie kein Zweiter und traf stets vor seinen Widersachern auf dem Schlachtfeld ein. Mithilfe seiner botanischen und ökologischen Kenntnisse machte er die auf der Insel herrschenden Naturkräfte zu wirksamen Verbündeten (etwa indem er Schlachten bis in die Regenzeiten hinauszog).
Beim Wiederaufbau der durch die Kriege verwüsteten Inselökonomie bewies er diplomatisches Geschick. Er schloss Handelsabkommen mit der US-amerikanischen Regierung, erreichte eine Aufhebung der amerikanischen und britischen Seeblockade und holte – unter der Voraussetzung der Anerkennung der neuen Ordnung – emigrierte weiße Plantagenbesitzer zurück, deren Handelsbeziehungen und kaufmännische Kenntnisse unabdingbar waren. Den kulturellen Zusammenhalt der Gesellschaft stärkte er durch eine aus europäisch-katholischen Elementen und afrikanischen Vodou-Traditionen zusammengesetzte Befreiungstheologie.
1801 erließ er eine neue Verfassung, in der nicht nur „für immer“ die Sklaverei abgeschafft und für Menschen aller Hautfarben gleiche Grundrechte festgeschrieben wurden, sondern die zugleich den ehemaligen Sklaven 25 Prozent des Ertrags ihrer Plantage garantierte. Das Ganze begleitete er durch eine – hier erstmals in ihrem vollen Umfang erkennbare – Textproduktion und Öffentlichkeitsarbeit, zu der eine Korrespondenz von durchschnittlich 200 Briefen pro Tag ebenso zählte wie zahllose Verlautbarungen und Presseartikel in Zeitungen von Philadelphia bis Paris. Seine Feder kannte keinen Sonntag.
Bei aller sympathisierenden Darstellung zeigt Hazareesingh immer auch die Paradoxien von Toussaints politischem Handeln auf. So gelang der forcierte ökonomische Wiederaufbau nur um den Preis einer geradezu militaristischen Reorganisation der Plantagenwirtschaft. Zwar waren die Arbeiter nun formal freie Anteilseigner, aber zugleich galt ein rigoroses lebenslanges Kündigungsverbot (das auch ein Scheidungsverbot einschloss). Nicht zu Unrecht nahmen die Klagen vieler Schwarzer zu, dass die verhasste Sklaverei durch eine bloße „Vertragsknechtschaft“ ersetzt worden sei. Die Folge waren Aufstände und – von den europäischen Kolonialmächten durch Waffenlieferungen an alle Parteien befeuert – neu aufflammende Bürgerkriege, auf die Toussaint mit einer zunehmend autokratischen Regierungspraxis reagierte.
Den Abschluss der Haitianischen Revolution mit der Unabhängigkeitserklärung von 1804 erlebte Toussaint nicht mehr. Der inzwischen in Paris regierende Napoleon entsandte 1802 ein Heer von bis zu 40 000 Soldaten auf die Insel, um die französische Herrschaft zu sichern und die Sklaverei wieder einzuführen. Unter dem Vorwand von Verhandlungen wurde Toussaint nach Frankreich verschleppt und in einer Bergfestung in den Voralpen inhaftiert, wo er in Einzelhaft und ohne jegliche medizinische Versorgung 1803 verstarb. Viel zu spät, als er selbst 1821 von den Briten in Sterbehaft auf die südatlantische Insel St. Helena verfrachtet worden war, bereute Napoleon die Entmachtung seines erfolgreichsten karibischen Generals als einen seiner größten Fehler.
Dennoch vergaß sich, wie Hazareesingh in einem ausführlichen Schlusskapitel zeigt, Toussaints kühner Kampf um die Anerkennung universeller Rechte in der Folge nicht mehr. Die unterschiedlichen dekolonialen Befreiungsbewegungen von den United Irishmen über neuseeländische Maoris, Abolitionisten des nordamerikanischen Bürgerkriegs bis hin zur gegenwärtigen „Black Lives Matter“-Bewegung erkannten in Toussaint einen Vorläufer, der ihre Forderungen erstmals aufs weltpolitische Tapet gebracht hat. Aufklärung und Menschenrechte sind nicht nur historische Errungenschaften – auch das lässt sich aus Hazareesinghs fulminanter Studie lernen –, sondern immer auch ein Kommendes, je neu zu Realisierendes.
Die Anpassung an die lokalen
Verhältnisse nannte Louverture
„raffiner de politique“
Unter einem Vorwand wurde er
nach Frankreich verschleppt und
starb in Einzelhaft
Sudhir Hazareesingh: Black Spartacus. Das große Leben des
Toussaint Louverture. Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Nohl unter Mitwirkung von Nastasja S. Dresler. C.H. Beck, München 2022.
551 Seiten, 38 Euro.
Toussaint Louverture in einer französischen Darstellung, die einigen Respekt der Kolonialisten vor dem Freiheitskämpfer vermuten lässt.
Foto: imago/piemags
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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"Ein grandiose Biografie"
Neue Zürcher Zeitung, Claudia Mäder

"Eine detailreiche, von Enthusiasmus geprägte, mit dem Wolfson-Preis für das beste historische Buch des Jahres ausgezeichnete Biografie ... mit der Präzision eines Kriegsreporters"
Die literarische Welt, Wolf Lepenies

"Mit hoher methodischer Sensibilität für die Asymmetrien der von den Kolonialmächten dominierten Überlieferungsgeschichte erzählt Hazareesingh Toussaints Leben konsequent gegen den Strich eines eurozentrischen Nachahmungsnarrativs."
Süddeutsche Zeitung, Iwan Michelangelo d'Aprile

"Die Geschichte von Toussaint Louverture und der Haitianischen Revolution ... hat uns bis heute viel über Kapitalismus, Rassismus und die Spielräume multiethnischer Gesellschaften zu sagen."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Andreas Eckert

"Richtungsweisende Biografie ... der Beck-Verlag hat nun die umfassendste historische Studie über das Handeln und Denken dieses Kämpfers auf Deutsch zugänglich gemacht."
Frankfurter Rundschau, Andrea Pollmeier

"Der C.H.Beck Verlag leistet mit der deutschsprachigen Übersetzung von Hazareesinghs umfassender Biografie beinahe Pionierarbeit."
Berliner Morgenpost

"Sudhir Hazareesingh hat eine Vielzahl bislang unerschlossener Quellen gesichtet, um das Leben und politische Wirken des Revolutionärs in seiner Widersprüchlichkeit zu erfassen. ... Detailreich und bunt ist am Ende das Bild, das vom Leben und von den Ideen Touissants entsteht. ... Dringend ist das Studium dieser außergewöhnlichen Biografie zu empfehlen."
Deutschlandfunk Kultur, Jens Balzer

"Eine fabelhafte, detailreiche neue Biografie"
Die Presse, Anne-Catherine Simon

"Wer sich über die Frühgeschichte antikolonialer Befreiung informieren möchte, wird um diese Lebenserzählung nicht herumkommen."
taz, Micha Brumlik

"Eine große spannende Biographie ermöglicht uns, das Leben des Freiheitskämpfers kennenzulernen."
Bayern2 Diwan, Niels Beintker

"Fesselnde Biografie"
National Geographic History

"Packende Biografie"
Neue Züricher Zeitung Geschichte

"faszinierende Biografie, ... ein wahrer Hochgenuss. ... Nach diesem Buch blickt man anders auf die frühe Geschichte der antikolonialen Befreiung!"
Bestenliste der WELT, NZZ, RBB Kultur und ORF, Hermann Parzinger
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