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Die internationale Entwicklungszusammenarbeit kann die Digitalisierung in ihrer Vielfalt nutzen, um ihre Ziele besser und schneller zu erreichen. Mit der Digitalisierung sind aber auch Risiken im Bereich Datenschutz, Arbeitswelt oder Zugang zum Internet verbunden. Wer profitiert von der "digitalen Dividende", und wie lässt sich die "digitale Spaltung" der Welt überwinden?Mögliche Antworten auf diese Fragen bieten die Beiträge dieses Bandes aus den Perspektiven von Wissenschaft und Praxis. Zu den Herausgebern:Prof. Dr. Hartmut Sangmeister ist emeritierter Hochschullehrer für…mehr

Produktbeschreibung
Die internationale Entwicklungszusammenarbeit kann die Digitalisierung in ihrer Vielfalt nutzen, um ihre Ziele besser und schneller zu erreichen. Mit der Digitalisierung sind aber auch Risiken im Bereich Datenschutz, Arbeitswelt oder Zugang zum Internet verbunden. Wer profitiert von der "digitalen Dividende", und wie lässt sich die "digitale Spaltung" der Welt überwinden?Mögliche Antworten auf diese Fragen bieten die Beiträge dieses Bandes aus den Perspektiven von Wissenschaft und Praxis. Zu den Herausgebern:Prof. Dr. Hartmut Sangmeister ist emeritierter Hochschullehrer für Entwicklungsökonomik am Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.Dr. Heike Wagner ist Leiterin des Fachbereichs Internationale Beziehungen und Repräsentantin der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Tagungshaus Weingarten.
Autorenporträt
Hartmut Sangmeister ist Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Entwicklungshilfe dreht sich im Kreis, meint Jochen Zenthöfer. Leider bietet ihm auch der von Hartmut Sangmeister und Heike Wagner zusammengestellte Band mit Tagungsergebnissen aus der Akademie Weingarten keinen Ausweg an. Wie Experten die Chancen der Digitalisierung in dieser Hinsicht sehen, erfährt Zenthöfer hier. Auch wenn die Vernetzung einen Neustart der Unterstützung anstoßen könnte, wie einige Beiträge ihm nahelegen, bleibt der Rezensent skeptisch. Empathie, ahnt er mit Sangmeister, ist keine Sache von Algorithmen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.04.2018

Entwicklungshilfe 4.0
Letzte Chance Digitalisierung?

Demokratisierung, Partizipation und Wahrung der Menschenrechte sind seit langem feste Bestandteile der entwicklungspolitischen Zielkataloge. "Was davon wurde tatsächlich erreicht? Eher wenig", beklagt der Heidelberger Ökonom Hartmut Sangmeister. "Auf jeden Fall wird die Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft anders sein müssen als in vergangenen Dekaden." Kann die Digitalisierung helfen? Dazu lohnt ein Blick in das Werk "Entwicklungszusammenarbeit 4.0", das die Ergebnisse einer Tagung der Akademie Weingarten der Diözese Rottenburg-Stuttgart zusammenfasst. Experten beschreiben, wie die Vernetzung neue Chancen für arme Länder bietet - und damit auch einen Neustart der Unterstützungsleistungen bewirken kann. Denn zuletzt waren die hergebrachten Formen der Entwicklungshilfe in die Kritik geraten.

So meinte Nobelpreisträger Angus Deaton in "Der Große Ausbruch" (Klett-Cotta, 2017), dass die gegenwärtigen Hilfen nur den Geberländern nutzen, da sie "ein gutes Gefühl" bekämen. In den Empfängerländern zeitigten sie katastrophale Folgen, da korrupte Strukturen begünstigt und bestehende Institutionen zerstört würden. Sowohl staatliche Unterstützung als auch Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen hätten desaströse Folgen.

Deaton ist der Überzeugung, dass arme Länder ohne Hilfe besser zurechtkämen. Kurz zuvor hatte James Ferguson in "Give a Man a Fish" (Duke University Press, 2015) behauptet, dass die vielen Ausbildungsprogramme, die Entwicklungshelfer im südlichen Afrika aufbauen, sinnlos sind. Es sei das Ziel gewesen, Arme in Arbeit zu bringen und ihnen gleichsam "nicht nur einen Fisch zu geben, sondern den Fischfang zu lehren".

Dieser Gedanke gehe davon aus, dass qualifizierte Arbeitskräfte entsprechende Beschäftigungen nach sich ziehen. Das treffe jedoch nicht zu. Denn im südlichen Afrika diene Arbeit weniger der Produktion von Reichtum, sondern sei in Verwandtschafts- und Solidaritätsbeziehungen eingebunden. Das würden die westlichen Helfer wohl übersehen. Christopher Coyne wies in "Doing Bad by Doing Good" (Stanford, 2013) darauf hin, dass es in der empirischen Forschung keine systematischen Hinweise auf wachstumsfördernde Effekte von Entwicklungshilfe gebe. Auch Coyne zeigt, wie problematisch die unbeabsichtigten Konsequenzen von Eingriffen in komplexe soziale Strukturen sind. Die effektivste Möglichkeit der Entwicklungshilfe sei eine offenere Einwanderungspolitik der reichen Länder. Viel bessere Lösungen konnte auch Valentin Beck in seiner "Theorie der globalen Verantwortung" (Suhrkamp, 2016) nicht anbieten. Er fordert das Ende von Handelsbarrieren gegen landwirtschaftliche Importe aus Afrika.

Nun sind die genannten Vorschläge in Europa schwer zu vermitteln, da man hier die einheimischen Bauern und das kulturelle Kapital eines veränderungsskeptischen Milieus schützen möchte. Derweil bleibt Afrika die große entwicklungspolitische Herausforderung, zumal der Verfall der Ölpreise und die Folgen des Klimawandels den Kontinent erneut zurückwerfen. Doch selbst dort, wo einmal Aufschwung einsetzte, entstanden dann zu wenig Jobs. Tom Burgis hat in "Der Fluch des Reichtums" (Westend Verlag, 2016) gezeigt, dass oft nur kleine Cliquen vom Rohstoffreichtum profitieren, während der größte Teil der Bevölkerung leer ausgeht. Für das Elend macht Burgis neben der Weltbank unter anderem China verantwortlich, das billige Importware nach Afrika sende, was die dortigen Industrien vernichte.

Ein früherer Entwicklungshelfer hat in dieser Zeitung von seinen ernüchternden Erfahrungen in Afrika berichtet (F.A.Z. vom 8. Dezember 2017): "Die bittere Realität ist doch, dass wir korrupte Strukturen am Leben erhalten, weil wir den Kleptokraten ständig neues Geld geben." Schon im Jahre 2008 urteilten Experten in einem Bonner Aufruf: "Nach einem halben Jahrhundert personeller und finanzieller Entwicklungshilfe für Afrika stellen wir fest, dass unsere Politik versagt hat."

Wer sich mit den trotzdem oft fröhlichen Menschen und den gleichzeitig korrupten Strukturen Zentralafrikas beschäftigen will, sollte "Mein Onkel, der Leopardenmann - reale und surreale Geschichten aus dem Kongo, Tschad und Somalia" des Österreichers Kurt Arbeiter lesen (Tyrolia, 2017). Seine liebevoll beschriebenen und reich bebilderten Kurzepisoden vermitteln einen unverstellten Eindruck von seiner Zeit als in Afrika stationierter Friedenssoldat. An ein paar Stellen kann man darin auch lesen, was aus einstigen Vorzeigeprojekten der Entwicklungshilfe geworden ist. Arbeiter nimmt es mit Humor. So sei Afrika nun einmal.

Ist die Digitalisierung die nächste, vielleicht die letzte Chance der Entwicklungshilfe? Natürlich wird vieles einfacher durch das Internet. Doch Sangmeister warnt: "In der binären Logik von Algorithmen ist Empathie nicht verfügbar." Der "World Development Report 2016" zeigte zudem, dass Regierungen oft gescheitert sind, durch neue Technologien leistungsfähiger zu werden. "Ein weiteres Risiko ist, dass Autokratien ihre Macht stärken, weil sie das Internet zensieren, Propaganda verbreiten oder Proteste verhindern können", schreibt Katja Hilser. Daher favorisierte der "World Development Report" die Intensivierung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen - was Ferguson kurz zuvor noch als unbrauchbar kritisiert hatte. Nun soll "E-Learning" helfen.

Rolf Steltemeier dämpft die Erwartungen: Das könne in afrikanischen Bildungssystemen zu Schwierigkeiten führen, da sie sehr stark traditionell-hierarchisch geprägt seien und "somit nicht unbedingt ein förderliches Umfeld für solche Kompetenzen darstellen". Außerdem wanderten die dann gut ausgebildeten Menschen nach Amerika oder Europa aus. Die Entwicklungshilfe dreht sich also im Kreis. Daraus findet auch dieses Buch leider keinen Ausweg.

JOCHEN ZENTHÖFER

Hartmut Sangmeister / Heike Wagner: Entwicklungszusammenarbeit 4.0. Nomos, Baden-Baden 2018. 172 Seiten. 36 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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