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"Wechsel bei Suhrkamp: Avantgardisten schieden aus", "Autoren verlegen sich selbst", "Dramatische Coop": Als sich im Frühjahr 1969 Autoren und Lektoren des Suhrkamp Verlags zusammentaten, um einen Theaterverlag zu gründen, der ihnen selbst gehören sollte, ahnten weder die skeptische Presse noch die Gründer selbst, dass daraus ein Erfolgsmodell werden würde, das 2019 sein 50-jähriges Bestehen feiert. Die Liste prominenter Namen, die als junge Leute in den ersten Jahren zum Verlag stießen, ist lang: Urs Widmer war Gründungsgesellschafter, Rainer Werner Fassbinder, Peter Handke und Wim Wenders,…mehr

Produktbeschreibung
"Wechsel bei Suhrkamp: Avantgardisten schieden aus", "Autoren verlegen sich selbst", "Dramatische Coop": Als sich im Frühjahr 1969 Autoren und Lektoren des Suhrkamp Verlags zusammentaten, um einen Theaterverlag zu gründen, der ihnen selbst gehören sollte, ahnten weder die skeptische Presse noch die Gründer selbst, dass daraus ein Erfolgsmodell werden würde, das 2019 sein 50-jähriges Bestehen feiert. Die Liste prominenter Namen, die als junge Leute in den ersten Jahren zum Verlag stießen, ist lang: Urs Widmer war Gründungsgesellschafter, Rainer Werner Fassbinder, Peter Handke und Wim Wenders, H. M. Enzensberger, Botho Strauß, Edgar Reitz, Erika Runge, Gerlind Reinshagen und so fort. Seit seiner Gründung steht der Verlag der Autoren für neues Theater und entwickelte sich zugleich zu einem für das deutsche Radio, Fernsehen und Kino wichtigen Vermittler von Drehbüchern und Hörspielen; inzwischen vertritt er zudem Choreographen und, mit seiner eigens gegründeten Literaturagentur, auchProsaautoren, insgesamt sind es über vierhundert Autorinnen und Autoren.
Wenn etwa im Fernsehen "Tatort" läuft oder im Theater ein neues Stück oder ein Shakespeare gezeigt wird - dann ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass das Drehbuch, das Stück oder die Shakespeare-Übersetzung von Kreativen aus dem Verlag der Autoren stammt.

Zum 50. Geburtstag erscheint nun ein ganz besonderes Jubiläumsbuch: Die Herausgeber Marion Victor und Wolfgang Schopf (Literaturarchiv der Goethe-Universität) sind tief in den Verlagsfundus gestiegen und dokumentieren mit Zitaten, Ausschnitten, Faksimiles und Fotos Jahr für Jahr bis heute die wichtigsten Geschehnisse. Geschichte und Gegenwart des Verlags der Autoren spiegeln auch die politischen und ästhetischen Debatten und Veränderungen eines halben Jahrhunderts Bundesrepublik Deutschland wider. "Gut erholt stürzen wir uns in die erste Spielzeit, die beweisen muss, ob wir überleben oder nicht. Aber es wird schon gehen", schrieb Gründer Karlheinz Braun 1969 an Dieter Forte. Der Beweis ist angetreten, im FUNDUS kann man nachschauen, wie.
Theater Hörspiel Film Fernsehen Choreographie Literatur 1969-2019
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2019

Die Schulkinder von 1969 waren ungemein kreativ
Was passiert, wenn die Träume von Kollektivierung wahr werden: Frankfurt feiert 50 Jahre "Verlag der Autoren"

Wenn es eine Zeitmaschine gäbe, klänge sie hoffentlich wie Michael Quast. Als "Maître de Plaisir" führte der Kabarettist, das Drehen an einem alten Radio imitierend, durch einen Erinnerungsabend am Frankfurter Schauspiel zurück ins Jahr 1969. Und zwischen Beatles und Schlagermusik, DFB-Pokal für Bayern München und 42,7 Prozent für die SPD, die Willy Brandt zum Bundeskanzler machten, war da ja noch etwas in diesem Jahr: Der Versuch, eine neue Art von Verlag zu gründen, der mit einem Aufstand von Suhrkamp-Lektoren gegen Siegfried Unseld begann. An Kollektivierung war dieser nicht interessiert, daher kam es zur Spaltung - und im April war "ein neuer Theaterverlag gegründet, der seinen Autoren und Mitarbeitern gehören soll". Bereits im Herbst hatte man 30 Stücke im Programm.

Das "Stück in 14 Kurzszenen", das man am vergangenen Freitag nun in Frankfurt sah, blickte auf 50 Jahre Verlagsgeschichte zurück, in Zeugnissen der frühen Mitstreiter wie Gerlind Reinshagen ("Besser ein kleines Streichholz schmeißen als gar keines"), Peter Handke, Botho Strauß, F. K. Waechter oder Edgar Reitz, vorgetragen durch ihre Kollegen und Nachfolger wie Ursula Krechel, Sasha Marianna Salzmann, Kristof Magnusson und viele andere - in Gegenwart des ersten Geschäftsführers Karlheinz Braun, der heute 86 Jahre alt ist. Die gewitzte Textauswahl warf Schlaglichter auf das Gründungstreffen in dessen Wohnung ("ein geheimes Seminar in der Wohnung eines revolutionären Privatdozenten"), auf das Engagement des Verlags für ein neues Kinder- und Jugendtheater sowie auf die Produktion von Hörspielen (mehr als 800) und Drehbüchern (mehr als hundert für "Tatort"-Folgen).

Wie kreativ, aber auch wie schwierig die Arbeit im Kollektiv war und ist, geht auch aus einem eindrucksvollen Dokumentarband hervor, dessen Erscheinen mitgefeiert wurde. Da bemerkt etwa Walter Boehlich im Protokoll der Gesellschafterversammlung 1970, dass Mitglieder des Verlags sich wie gelangweilte Schulkinder verhielten. Es wird manche Streitigkeit belegt, die eine enthierarchisierte Theater- und Literaturproduktion mit sich bringt, ebenso wie deren Utopie, und es zeigt sich, dass seine heutigen Autoren mitunter auch für Netflix schreiben ("Fundus". Das Buch vom Verlag der Autoren. Hrsg. von Wolfgang Schopf und Marion Victor, Frankfurt am Main 2019. 302 S., Abb., br., 39,- [Euro]). Die Melancholie des Festbeitrags von Wim Wenders, der bereits zum 100. Jubiläumsjahr 2069 vorausschaute in eine Zeit, in der es keine Verlage mehr gibt und Theatertexte nur noch als D.I.I. ("Direct Implant Information") existieren - sie wurde weggelacht. Der Abend selbst sprach dafür, dass es natürlich ganz anders kommen wird. Viel besser.

wiel

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