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Im März 2015 kommt Naja Marie Aidts 25-jähriger Sohn Carl bei einem tragischen Unfall ums Leben. »Carls Buch« hält jene Monate nach dem verheerenden Anruf aus dem Krankenhaus fest. Sehr persönlich, aber gleichzeitig von erstaunlicher Allgemeingültigkeit schreibt die preisgekrönte dänische Schriftstellerin über den Versuch, das Unbegreifliche zu verstehen. Wie wir mit der Tatsache fertig werden, dass das Leben einfach so aufhört. Wie der Tod eines geliebten Menschen uns an die Grenze von Sprache führt. Wie wir Trost finden - bei Freunden und Familie, in unseren Erinnerungen und in der Literatur. Ergreifend, sprachlich brillant, mutig und unvergesslich.…mehr

Produktbeschreibung
Im März 2015 kommt Naja Marie Aidts 25-jähriger Sohn Carl bei einem tragischen Unfall ums Leben. »Carls Buch« hält jene Monate nach dem verheerenden Anruf aus dem Krankenhaus fest. Sehr persönlich, aber gleichzeitig von erstaunlicher Allgemeingültigkeit schreibt die preisgekrönte dänische Schriftstellerin über den Versuch, das Unbegreifliche zu verstehen. Wie wir mit der Tatsache fertig werden, dass das Leben einfach so aufhört. Wie der Tod eines geliebten Menschen uns an die Grenze von Sprache führt. Wie wir Trost finden - bei Freunden und Familie, in unseren Erinnerungen und in der Literatur. Ergreifend, sprachlich brillant, mutig und unvergesslich.
Autorenporträt
Die dänische Schriftstellerin und Dichterin Naja Marie Aidt, Jahrgang 1963, zählt zu den wichtigsten Stimmen Skandinaviens, ausgezeichnet u.a. mit dem renommierten Nordischen Literaturpreis und dem Großen Preis der Dänischen Akademie. Aidt wurde auf Grönland geboren und lebt heute in Brooklyn. Sie ist Mutter von vier Söhnen. »Carls Buch« gilt als eines der 10 besten Memoirs des letzten Jahrzehnts (Lithub). Bei Luchterhand ist zuletzt von Naja Marie Aidt der Roman »Schere, Stein, Papier« erschienen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.10.2021

Keiner darf ihn vergessen
Der Tod des eigenen Kindes bedeutet den einsamsten Schmerz. Die dänische Dichterin
Naja Marie Aidt kann ihn uns dennoch begreiflich machen
VON SOPHIE WENNERSCHEID
Carls Buch“ ist ein verstörend gutes Buch. Mit einem absoluten Gehör für die dissonanten Töne des Schocks, der Angst und der Verzweiflung schreibt die dänische Prosaautorin und Lyrikerin Naja Marie Aidt von dem Unfalltod von Carl, dem zweitältesten ihrer vier Söhne. „Carls Buch“ ist ein Trauerbuch und ein Buch der Erinnerung, ein Buch für Carl und ein Buch über Carl. Darüber hinaus ist es ein Buch über Familie, Freundschaft, Gemeinschaft, Liebe und Muttersein. Und eins über die Grenze des Todes, die die Grenze des Sagbaren ist.
Es beginnt mit einer kurzen kursiv gesetzten Passage, die erzählt, wie die Autorin mit ihrer Mutter und ihrem ältesten Sohn an einem Abend im März 2015 mit einem Glas Wein auf das Leben anstößt. „Dann klingelt das Telefon. Wir gehen nicht ran. Wer sollte uns so spät am Samstagabend noch anrufen.“ In der Art eines Ritornells wird diese Szene im Verlauf des Buches immer wieder aufgenommen und in stetig erweiterter Form an die Katastrophe herangeschrieben. Wir erfahren von der Annahme des Telefonats, folgen der panischen Mutter ins Krankenhaus, lernen den immer größer werdenden Kreis der Familie und Freunde kennen, die herbeieilen und fassungslos den zerschlagenen, entstellten Körper des 25-Jährigen anstarren, seine schon wie tote Hand halten. Eine endlose, schreckliche Nacht lang. Dann wird das Beatmungsgerät abgestellt und Carls Körper zur Operation bereit gemacht, um ihm die zur Spende freigegebenen Organe zu entnehmen. Das Leben bricht zusammen und wird dunkel, als würde es nie mehr hell werden können.
Wir erleben den Schmerz derer, die nicht hinüberreichen können ins Dunkel des Todes, die nicht wie Orpheus die Chance bekommen, ins Totenreich hinabzusteigen, um Eurydike ins Leben zurückzuführen. Wir hören die Schmerzensschreie der Mutter, die den Gott der Unterwelt nicht erreichen, aber auf wundersame Weise, zu einem Stück Dichtung, einem Kunstwerk werden. „Carls Buch“ erschüttert nicht deshalb, weil es vom Tod eines jungen Menschen berichtet. Der Tod, so schrecklich er für die Hinterbliebenen auch immer ist, ereignet sich täglich, stündlich, überall. Er erschüttert uns selten. „Carls Buch“ aber packt einen am Kragen und schnürt die Kehle zu, weil es Kunst ist.
Wir stehen nicht als unbeteiligte Zuschauerinnen am Strand und schauen dem Schiffbruch zu, sondern laufen verstört am Ufer entlang und treten auf die scharfkantigen Bruchstücke literarisch verdichteter Texte, die in jeweils anderer typografischer Gestalt in den laufenden Text eingesprengt sind. Mal handelt es sich um Traumaufzeichnungen oder Tagebuchnotizen der Autorin oder von Carl selbst, mal um Fragmente von Autorinnen und Autoren, die in ähnlicher Weise wie Aidt mit dem plötzlichen Tod eines geliebten Menschen konfrontiert waren. Wir hören Gilgameschs verzweifelte Klage über den Tod des Freundes Enkidu und Mallarmés Ringen um Worte beim Tod seines Sohnes, der achtjährig an einer vom Vater vererbten Krankheit stirbt. Wir nehmen teil an Anne Carsons nachtschwarzen Erinnerungen an den Verlust des Bruders und lesen, als Motto vorangestellt, über die „Sterne des Leidlands“ – den Reiter, den Stab und das brennende Buch – aus Rilkes Zehnter Duineser Elegie. Und dann, „im südlichen Himmel, rein wie im Innern einer gesegneten Hand, das klar glänzende ›M‹, das die Mütter bedeutet ……–“.
Dieses M, das die Mütter bedeutet, gibt dem Buch in all seiner Traurigkeit einen hellen Ton mit. Es klingt zusammen mit dem Klirren der Gläser beim Anstoßen auf das Leben und mit Lauten, die vom Jenseits des Todes, vom Sohn zur Mutter herüberzuwehen scheinen. Vielleicht schon vor dem Tod losgeschickt wurden. Und nun, von der Mutter zum Sohn, von der Autorin an die Leserin, von der Lebenden an die Lebenden weitergereicht wird. Tod und Leben reichen sich in diesem tief bewegenden Werk nicht versöhnt die Hand. „Carls Buch“ endet mit der Unhintergehbarkeit des Todes als schrecklichem Ereignis. „Wir haben den 16. März 2015, und Carl ist tot.“ Aber etwas reicht von hier nach dort hinüber. Die Kluft zwischen Tod und Leben hat sich nicht geschlossen, aber sie verschlingt das Leben nicht mehr.
„Hat der Tod dir etwas genommen, dann gib es zurück“, lautet der Untertitel von „Carls Buch“. Er entstammt einem Gedicht, das Aidt Jahre vor dem Tod von Carl geschrieben hat. Ein Gedicht, das den Tod des eigenen Kindes auf fürchterliche Weise vorwegzunehmen scheint. Ein Gedicht, das die Autorin jetzt hasst und das sie auf Carls Beerdigung doch vorliest. Es dem Toten mit ins Grab gibt? Es ihm zurückgibt als Gabe, die sie einst von ihm bekommen hat? Ihm, dem geliebten Kind, dem jungen Mann, dem Ungeborenen, dem Baby, dem Teenager, der sie aus dunkler Kapuze heraus anschaut und ihr dieses Gedicht wie zuruft? „Hat der Tod dir etwas genommen / dann gib es zurück / gib das zurück / was du vom Toten bekamst / als der Tote am Leben war / als der Tote dein Herz war / gib es zurück an eine Rose / einen Kontinent, einen Wintertag.“
Der Gedanke einer Spur des anderen in uns, wie der französisch-jüdische Philosoph Jacques Derrida ihn in seinen so oft um die Bedeutung des Todes für das Leben kreisenden Texten formuliert hat, wird in Naja Marie Aidts „Carls Buch“ zu einer Erfahrung von Leiblichkeit, Muttersein, Mutterliebe und Mutterschmerz. Das Buch ist kein Ausdruck einer Ars moriendi, die den Menschen auf den Tod vorbereiten soll. Keine Einübung in Demut oder in die Anerkenntnis von Schuld und Vergänglichkeit. Vielmehr ist es ein ebenso gebrochenes wie leidenschaftliches Bekenntnis zum Leben.
Als der Arzt im Krankenhaus den Eltern erklärt, dass Carl, ganz egal, wo er jetzt ist, bereuen wird, „was er getan hat“, ergreift die Autorin und Mutter ein fast schon heilig zu nennender Zorn. „Er ist nirgends, und er bereut gar nichts.“ Diese trotzige Gewissheit, die am Leben und an der Liebe festhält, kann den Tod nicht überwinden, sie macht ihn nicht weniger brutal, und nicht weniger unfassbar. Aber sie bringt die Lebenden aus der Ohnmacht heraus. Sie weitet den Raum und macht es möglich zu handeln. „Ich denke an mein totes Kind; seine Zeit und sein Leben sind in mir bewahrt. Ich habe ihn geboren. Ich muss auch seinen Tod in mir aufnehmen. Ich werde auch weiterhin wie eine Löwin für ihn kämpfen. Keiner darf ihm Unrecht antun. Keiner darf ihn vergessen. Nicht, solange ich lebe.“
Keine Übung in
Demut, aber ein gebrochenes
Bekenntnis zum Leben
Judith Schalansky ist nicht nur Schriftstellerin, sondern auch Buchgestalterin.
Hier ist sie gerade in der Forschungsbibliothek Gotha, um sich von Büchern des englischen
Philosophen Thomas Browne inspirieren zu lassen.

Naja Marie Aidt:
Carls Buch. Hat der Tod
dir etwas genommen,
dann gib es zurück.
Aus dem Dänischen von Ursel Allenstein.
Luchterhand,
München 2021.
176 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sophie Wennerscheid verstört das Buch von Naja Marie Aidt über den Tod ihres Sohnes, weil es gute Kunst ist. Wie die Autorin Erinnerungen an den Sohn, Gedanken über die Familie, Gemeinschaft und Muttersein mit Referenzen an Texte und Autoren wie das Gilgamesch-Epos, Rilke oder Mallarmé zu einem Trauerbuch verbindet, scheint Wennerscheid lesenswert gerade, weil es keine Lösung anbietet, keine Versöhnung zwischen Leben und Tod. Dem Leser schnürt der vermittelte Schmerz die Kehle zu, warnt die Rezensentin, aber er kann auch einen "hellen Ton" vernehmen, die Botschaft, dass der Tod unhintergehbar ist, aber das Leben ebenso.

© Perlentaucher Medien GmbH
»"Carls Buch" ist ein verstörend gutes Buch.« Sophie Wennerscheid / Süddeutsche Zeitung