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Bardo Fassbender entwickelt den Typus des "offenen Bundesstaats" europäischer Prägung. Diesen sieht er durch eine Öffnung gegenüber der Völkerrechtsgemeinschaft gekennzeichnet, indem seine Teil- oder Gliedstaaten eigene völkerrechtliche Beziehungen zu auswärtigen Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten unterhalten können. Er untersucht insbesondere die auswärtige Gewalt und die Völkerrechtsfähigkeit der bundesstaatlichen Teilstaaten und die Bedeutung einer solchen Rechtsstellung für die von Umbrüchen und Widersprüchen geprägte internationale Ordnung der Gegenwart. Im Mittelpunkt der…mehr

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Produktbeschreibung
Bardo Fassbender entwickelt den Typus des "offenen Bundesstaats" europäischer Prägung. Diesen sieht er durch eine Öffnung gegenüber der Völkerrechtsgemeinschaft gekennzeichnet, indem seine Teil- oder Gliedstaaten eigene völkerrechtliche Beziehungen zu auswärtigen Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten unterhalten können. Er untersucht insbesondere die auswärtige Gewalt und die Völkerrechtsfähigkeit der bundesstaatlichen Teilstaaten und die Bedeutung einer solchen Rechtsstellung für die von Umbrüchen und Widersprüchen geprägte internationale Ordnung der Gegenwart. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht der deutsche Bundesstaat von 1867/71, 1919 und 1949, doch finden in vergleichender Analyse auch andere europäische Bundes- und dezentralisierte Staaten, die Europäische Union und - im Kontrast - die USA Beachtung. In den Grenzen seines Themas zeichnet der Autor die großen Linien der deutschen und ausländischen Rechtsentwicklung seit dem siebzehnten Jahrhundert nach, begnügt sich dabei aber nicht mit einem nur grob gezeichneten Bild, sondern dringt dort, wo es angezeigt erscheint, unter Auswertung der historischen Quellen auch in die Einzelheiten von Recht und Verfassungspolitik ein. Auf dieser Grundlage trägt er auch zur Lösung dogmatischer Probleme des geltenden deutschen Verfassungsrechts bei, insbesondere der Frage, ob sich das völkerrechtliche Vertragschließungsrecht des Bundes auch auf den Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung der Länder erstreckt.
Autorenporträt
Geboren 1963; Studium der Rechtswissenschaft, Geschichte und Politischen Wissenschaft an der Universität Bonn und der Yale Law School; 1997 Promotion; 2004 Habilitation; Ordentlicher Professor für Völkerrecht, Europarecht und Öffentliches Recht an der Universität St. Gallen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.07.2008

Begrenzte Zuständigkeiten
Der deutsche Weg bei der Wahrnehmung der auswärtigen Gewalt im Bundesstaat

Es entspricht noch heute verbreiteter Anschauung, dass es zu den Wesensmerkmalen des Bundesstaates gehört, dass die auswärtige Gewalt einheitlich wahrgenommen und ausschließlich in der Hand des Bundes liegt. Geprägt worden ist diese Vorstellung vor allem durch die Vereinigten Staaten von Amerika, die als "geschlossener" Bundesstaat in der Tat ihren Gliedstaaten den Zugang zum Raum des Völkerrechts verwehren. Doch steht diesem Typus, wie Bardo Fassbender in seiner eindrucksvollen Studie darlegt, ein anderer, europäischer Typus des "offenen Bundesstaates" gegenüber, der seinen Gliedern neben dem Bund begrenzte eigene auswärtige Zuständigkeiten eröffnet und sie damit auch völkerrechtlich in Erscheinung treten lässt. Auf die Herausbildung dieses Typus hat, so Fassbender, entgegen dem Bild "geschlossener Staatlichkeit", das man sich von dem 1866 bis 1871 errichteten deutschen Nationalstaat noch immer zu machen pflegt, gerade der deutsche Bundesstaat prägend gewirkt: Ohne die Entscheidung der deutschen Bundes- beziehungsweise Reichsverfassung von 1867/71 für die völkerrechtliche Vertrags- und Handlungsfähigkeit der deutschen Einzelstaaten wäre der heutige europäische Rechtszustand nicht vorstellbar. Sie ist selbst wiederum nur auf der Basis "älterer Schichten, die zu den Voraussetzungen bundesstaatlicher Ordnung im überkommenen Sinne gehören", zu verstehen.

Schon im neuzeitlichen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation hatten sich die größeren Territorien auch jene Hoheitsrechte zu sichern gewusst, die es ihnen ermöglichten, nach außen hin wie unabhängige Mächte zu agieren. Diesen völkerrechtlichen Status verstanden die deutschen Einzelstaaten nicht nur bei Gründung des Deutschen Bundes 1815 zu wahren, sondern behielten ihn - in Akzessorietät zu ihren verbleibenden innerstaatlichen Zuständigkeiten - auch noch unter der Bismarck'schen Reichsverfassung: Auch als Gliedern des Deutschen Reiches standen ihnen die Pflege auswärtiger Beziehungen, insbesondere der Abschluss völkerrechtlicher Verträge und der diplomatische Verkehr, offen. Nur die "große" auswärtige Politik gemäß Artikel 11 dieser Verfassung war ausschließlich Sache des Reiches, doch der Anteil der Gliedstaaten an der auswärtigen Gewalt sollte im Laufe der durch eine Unitarisierungstendenz geprägten Entwicklung des Kaiserreichs auch im Übrigen stetig absinken.

Vom Fortfall des Gesandtschaftsrechts abgesehen, schrieb die Weimarer Reichsverfassung die verfassungsrechtliche Lage des Kaiserreichs grundsätzlich fort. Allerdings waren die Angelegenheiten, die der Vertragsschließungskompetenz der Länder unterlagen, sachlich eng begrenzt und politisch bedeutungslos, ihre Ausübung mit einem Zustimmungsvorbehalt unter präventive Kontrolle des Reichs gestellt. Tatsächlich machten die Länder davon kaum Gebrauch. Das Reich war zum "unitarischen Bundesstaat auf nicht mehr bündischer, sondern nationaler Grundlage der einheitlichen deutschen Staatsgewalt" (Ernst-Wolfgang Böckenförde) geworden.

Das Grundgesetz steht, soweit es die auswärtige Staatsfunktion, insbesondere das Recht zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge, nicht vollständig auf den Bund übertragen, sondern partiell den Ländern belassen hat, in der Tradition des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Ungeachtet ihres vordemokratischen und vorrepublikanischen Ursprungs ist die darin liegende "offene Bundesstaatlichkeit" des Grundgesetzes nach Fassbender zugleich ein integraler Bestandteil der sich gemeinschaftsorientierter Mitarbeit in den internationalen Beziehungen öffnenden Verfassungsstaatlichkeit Deutschlands. Die deutsche Staatsrechtslehre der frühen Bundesrepublik habe Artikel 32 GG entgegen dem Willen des Parlamentarischen Rates in der Vorstellung von der Notwendigkeit der "Geschlossenheit" und der vollen Handlungs-, Verpflichtungs- und Erfüllungsfähigkeit des 1949 neu konstituierten deutschen Staates unitarisch umgedeutet. Fassbender tritt dagegen nicht zuletzt im Kontext der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung für eine prononciert föderalistische Deutung der Vorschrift ein, nach der insbesondere der Bund im Bereich der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder keine Vertragsgewalt besitzen soll.

Das die unterschiedlichen Rechtsstandpunkte von Bund und Ländern überbrückende und einen Modus Vivendi schaffende "Lindauer Abkommen" von 1957 binde immerhin die Inanspruchnahme der vom Bund reklamierten Vertragsschließungskompetenz an das Einverständnis der Länder. Die Zahl der von den Ländern gemäß Artikel 32 Absatz 3 GG geschlossenen Verträge ist gering geblieben. Ein Grund dafür dürfte der sich jahrzehntelang ohne auch nur mittelbare Beteiligung der Länder vollziehende europäische Integrations- und Rechtssetzungsprozess sein, der bilaterale vertragliche Absprachen der Länder mit den Nachbarstaaten und deren Gliedern erübrigt hat. In Ausübung der allein dem Bund zugewiesenen Integrationsgewalt (Artikel 24 Absatz 1 GG) ist die Kompetenzausstattung der Länder und damit auch ihre Vertrags- und Völkerrechtsfähigkeit ausgezehrt worden.

Ob die nach Artikel 23 GG n.F. vorgesehene Mitwirkung der Länder in Angelegenheiten der Europäischen Union ein funktionelles Äquivalent für das insofern nicht mehr praktische Vertragsschließungsrecht darstellt, kann bezweifelt werden. Die Bundesstaatlichkeit Deutschlands ist insgesamt schwach geworden, die historische Legitimation verblasst. Wird sich der Bundesstaat europäischen Typs in einem europäischen Bundesstaat fortsetzen, wie Fassbender meint, oder darin auflösen? "Lebendiger Föderalismus setzt den Willen zum Unterschied voraus" - gibt das sich immer stärker vereinheitlichende Europa solchem Willen noch Raum?

CHRISTIAN HILLGRUBER

Bardo Fassbender: Der offene Bundesstaat.

Studien zur auswärtigen Gewalt und zur Völkerrechtssubjektivität bundesstaatlicher Teilstaaten

in Europa. Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2007.

495 S., 99,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kenntnisreich und mit viel Zustimmung bespricht Christian Hillgruber Bardo Fassbenders Studie zur Wahrnehmung auswärtiger Gewalt "offener Bundesstaaten europäischen Typs". In seiner beeindruckenden Darlegung mache der Autor deutlich, dass entgegen der verbreiteten Annahme, der Bundesstaat müsse auswärtige Gewalt einheitlich wahrnehmen, die einzelnen Teilstaaten laut Verfassung berechtigt seien, völkerrechtlich und diplomatisch eigenständig zu agieren. Der Autor verfolgt dabei die historische Entwicklung des offenen Bundesstaats bis zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zurück, die auch Hillgruber in seiner wohlwollenden Kritik Revue passieren lässt. Nur Fassbenders Einschätzung, der offene Bundesstaat werde seine Fortentwicklung im "europäischen Bundesstaat" erleben, bei praktiziertem "Willen zum Unterschied" der einzelnen Glieder begegnet Hillgruber mit Skepsis, denn er selbst scheint die Tendenz zur Vereinheitlichung in Europa höher einzuschätzen.

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