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Ein abgelegener Ort am Baltischen Meer, Ende des 19. Jahrhunderts. Kazimira bringt ihrem Mann Antas angeschwemmten Bernstein vom Strand jenseits der Düne. Er ist der begabteste Dreher in der Gegend. Das weiß auch Moritz Hirschberg, Eigentümer des Bernsteinwerks am Weststrand. Antas wird einer seiner wichtigsten Arbeiter, Kazimira muss sich um Haus und Kind kümmern, obwohl sie arbeiten will wie ihr Mann. Als das Wagnis des Untertagebaus sich endlich auszahlt und die Grube zum Erfolg wird, werden jedoch nicht nur Neid und Missgunst, sondern auch Antisemitismus und Nationalismus laut im…mehr

Produktbeschreibung
Ein abgelegener Ort am Baltischen Meer, Ende des 19. Jahrhunderts. Kazimira bringt ihrem Mann Antas angeschwemmten Bernstein vom Strand jenseits der Düne. Er ist der begabteste Dreher in der Gegend. Das weiß auch Moritz Hirschberg, Eigentümer des Bernsteinwerks am Weststrand. Antas wird einer seiner wichtigsten Arbeiter, Kazimira muss sich um Haus und Kind kümmern, obwohl sie arbeiten will wie ihr Mann. Als das Wagnis des Untertagebaus sich endlich auszahlt und die Grube zum Erfolg wird, werden jedoch nicht nur Neid und Missgunst, sondern auch Antisemitismus und Nationalismus laut im Kaiserreich. Und Kazimira muss erfahren, dass sie ihren Weg allein zu gehen hat, erst recht, als die Hirschbergs vertrieben werden und ihr Sohn am Ersten Weltkrieg zerbricht. Sie bleibt bei der leeren Grube, einst Ort des Wohlstands und Fortschritts, wohnen und wird Jahrzehnte später, am Ende des Zweiten Weltkriegs, letzte Zeugin deutscher Verbrechen.

In Kazimira erzählt Svenja Leiber vom größten Bernsteinabbau der Geschichte. Im Aufstieg und Verfall der »Annagrube« und in ihrem Nachwirken im heutigen Russland spiegeln sich drängende Fragen: Woher rühren Hass und Gewalt? Was geschieht, wenn Leben für unwert erklärt wird? Die Frauen, denen der Roman einfühlsam über fünf Generationen folgt, entwerfen eine Gegenwelt - im Mittelpunkt: Kazimira und ihr Ringen um Selbstbestimmung.
Autorenporträt
Svenja Leiber, 1975 in Hamburg geboren, wuchs in Norddeutschland auf und verbrachte als Kind einige Zeit in Saudi-Arabien. Sie studierte Philosophie, Literaturwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte, debütierte 2005 mit dem Erzählungsband Büchsenlicht, 2010 folgte der Roman Schipino. Im Suhrkamp Verlag erschien 2014 Das letzte Land, 2018 Staub und 2021 Kazimira. Svenja Leiber lebt und arbeitet in Berlin und Schleswig-Holstein.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für den Rezensenten Alexander Kosenina ächzt Svenja Leibers neuer Roman unter der Last allzu vieler Erzählstränge, Themen und Motive. Die Geschichte des Bernsteinabbaus, der Antisemitismus in Ostpreußen, die Emanzipation der Frau, zählt Kosenina auf. Hinzu kommen die Geschichten mehrerer Familien über Generationen hinweg, von der Danziger Bucht bis ins amerikanische Exil, vor dem Hintergrund der Weltkriege, eine Historie des deutschen Kaiserreichs und allerhand ausgeführte Einzelschicksale, notiert der Rezensent. Das Problem: Die Stränge stellen einander gegenseitig in den Schatten, und der Leser kann den Ortswechseln und den vielen Namen kaum folgen, findet Kosenina. So ambitioniert er die Spiegelung der Allgemein- in der Individualgeschichte auch findet, hier kommt sie an ihre Grenzen, meint er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.01.2022

Bau doch ein Meer
Svenja Leibers historischer Roman "Kazimira"

Kazimira, die Titelheldin von Svenja Leibers viertem Roman, hat einen genialen Einfall: "Bau einfach ein kleines Meer", rät sie ihrem Mann, dem Bernstein-Schnitzer Antas Damerau. Denn mit einer künstlichen Brandung müsste man sich nicht länger mit vereinzelt angespülten fossilen Goldfunden vom Strand begnügen, sondern könnte das landeinwärts in großen Mengen geförderte, aber mit einer Rinde versehene Harzgestein auswaschen. Diese Idee, geboren am Ufer der Danziger Bucht, wird zur Grundlage des größten Bernsteinabbaus seit der Reichsgründung 1871.

Die Entwicklung dieser industriellen Revolution, die von Moritz Hirschberg in Weststrand, dem heute russischen Jantarny, angestoßen und in Königsberg bis zum Welthandel geführt wird, bildet nur einen Erzählstrang des Romans. Hinzu kommen zwei andere radikale Umbruchgeschichten, der zunehmende Antisemitismus in Ostpreußen und die Emanzipation der Frau. Denn Hirschberg ist ein jüdischer Unternehmer, dem man seinen Erfolg nicht gönnt. Und seine Gattin Henriette hat wie Kazimira und Jadwiga, die Frau des Grubenvorstehers Erwin Kowak, die Hosen an, strebt in männliche Domänen und ist der gleichgeschlechtlichen Liebe nicht abgeneigt. Svenja Leiber hat sich für einen Roman mittleren Umfangs also sehr viel vorgenommen, zumal sie die Familien über Generationen hinweg begleitet. So geraten nicht nur die drei Nachkommen der Hirschbergs - bis ins amerikanische Exil - in den Blick, sondern auch die Kinder der Dameraus und Kowaks, die einander heiraten, eine Tochter bekommen, die wiederum für drei Urenkel sorgt.

Eines von ihnen, das Mädchen Jela, lebt später bei der Urgroßmutter Kazimira, es wird 1940 von den Nazis abgeholt und in eine vorgebliche "Heil- und Pflegeanstalt" im weit entlegenen Soldau verbracht, um diesen Fall zur "Beseitigung unwerten Lebens" um die Prämie von zehn Reichsmark abzuschließen. Allein diese eine, entsetzlich bedrückende Binnenhandlung hätte ein eigenes Buch verdient. Sie droht aber zu verblassen angesichts vieler weiterer Erzählstränge, etwa die jüngst neu entfachte Bernstein-Nachfrage aus China und die damit aufflammende Handelskriminalität im Jantarny des Jahres 2012.

Der Roman zerfällt damit in allzu viele Teile. Die Landkarte mit "Synagogengemeinden in Ostpreußen" auf dem Vorsatzpapier hilft zwar bei der räumlichen Orientierung. Ohne Namenslisten, die man sich zusätzlich notiert, kann man aber kaum folgen. Intensität und Sensibilität der Beobachtung sind gewiss groß, vor allem, was Kazimiras Hinwendung zu anderen Frauen angeht. Sie erträgt gleichmütig das Gerede und die Verachtung der "Leitchen", wenn sie mit Jadwiga spazieren geht, noch dazu mit kurzgeschnittenen Haaren und in Hosen. Wie diese plädiert sie mit Fanny Lewald für "die Rechte der Frauen auf Erwerbstätigkeit" und ist stolz auf den von Henriette Hirschberg verliehenen Titel "Graf Kazimir vom neuen Stern". Aber auch diese Titelgeschichte wird ständig überrankt von der Historie des Kaiserreichs, dem Antisemitismusstreit um Heinrich von Treitschkes Beitrag "Unsere Ansichten" von 1879, dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Sicher ist es ambitioniert, diese Großepochen in individuellen Schicksalen zu spiegeln. Doch auch literarische Konstruktionen haben eine limitierte Traglast, die eine narrative Berechnung erfordert. Svenja Leiber sondiert ihre Grenzen. ALEXANDER KOSENINA.

Svenja Leiber: "Kazimira". Roman.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2021. 333 S., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Kazimira gehört zu den wichtigen Büchern des Jahres 2021.« Cornelia Geissler Berliner Zeitung 20211227