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»Wie gehen Paare mit Umbrüchen in der männlichen Identität und mit prekärer Beschäftigung um?«Seit den siebziger Jahren haben sich weitreichende Veränderungen in den Geschlechterverhältnissen vollzogen: Frauen sind heute autonomer, besser ausgebildet, häufiger erwerbstätig und sie erobern immer mehr Führungspositionen. Umgekehrt möchten viele Männer engagierte Väter sein, und es wird für sie wichtiger, »weiche« Seiten unter Beweis zu stellen - im Beruf und im Privatleben. Aus diesen Fortschritten ergeben sich neue Konflikte, schließlich passen Realität und tradierte Rollenbilder in vielen…mehr

Produktbeschreibung
»Wie gehen Paare mit Umbrüchen in der männlichen Identität und mit prekärer Beschäftigung um?«Seit den siebziger Jahren haben sich weitreichende Veränderungen in den Geschlechterverhältnissen vollzogen: Frauen sind heute autonomer, besser ausgebildet, häufiger erwerbstätig und sie erobern immer mehr Führungspositionen. Umgekehrt möchten viele Männer engagierte Väter sein, und es wird für sie wichtiger, »weiche« Seiten unter Beweis zu stellen - im Beruf und im Privatleben. Aus diesen Fortschritten ergeben sich neue Konflikte, schließlich passen Realität und tradierte Rollenbilder in vielen Familien nicht mehr zusammen: Macht er die Hausarbeit, wenn sie die Miete zahlt? In ihrer groß angelegten Studie untersuchen die Autorinnen, wie Paare aus unterschiedlichen sozialen Milieus damit umgehen, wenn der Mann kein Ernährer mehr ist.
Autorenporträt
Cornelia Koppetsch, geboren 1967, ist Professorin für Geschlechterverhältnisse, Bildung und Lebensführung an der TU Darmstadt. Sarah Speck, geboren 1981, ist Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Frauen- und Geschlechterforschung an der Goethe-Universität Frankfurt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.2015

Schwache arme Frau, starker fauler Mann?
Spätfolgen des Hausfrauenmodells: Eine Studie untersucht männliche Rollenbilder und die Illusion der Gleichheit

In den Vereinigten Staaten und vielen Ländern Europas hat die Zahl der Selbstmorde nach dem Ausbruch der Finanzkrise deutlich zugenommen. Nicht jeder Arbeitslose ist derart verzweifelt, aber eine Lebenskrise löst der Jobverlust doch oft aus. Vor allem bei Männern, die zuvor das meiste Geld in der Familie verdient hatten und nun mit allem hadern: ihrer Männlichkeit, ihrer Ehefrau und dem Mitarbeiter vom Jobcenter. Zum Beispiel Manfred Zenker. Er ist einer von neunundzwanzig Männern, der Cornelia Koppetsch und Sarah Speck, beide forschen zu Geschlechterverhältnissen, für ihre Studie von seinem Leben und seiner Beziehung erzählte. Die Wissenschaftlerinnen gingen in ihren Gesprächen der Frage nach, was passiert, wenn der Mann kein Ernährer mehr ist und die Frau das größere Einkommen hat. Das ist bei etwa zehn Prozent aller Partnerschaften der Fall, aber der Anteil dürfte in Zukunft noch steigen. Die Bildungs- und Aufstiegschancen für Frauen werden immer besser, hingegen gibt es in klassisch männlichen Berufen immer wieder Entlassungswellen. Gleichzeitig wünschen sich die meisten Männer und Frauen eine gleichberechtigte Beziehung. Die Frage, was passiert, wenn der Mann kein Ernährer mehr ist, ist also angemessen. Einige Antworten, die die Studie gibt, sind erwartbar, andere überraschend.

Im Fall von Manfred Zenker führte die Entlassung zu einem Gefühl der Fremdbestimmung und Wut. Er stammt aus einer Arbeiterfamilie, arbeitete im Außendienst und machte, nachdem er arbeitslos geworden war, eine Umschulung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Anschließend bewarb er sich erfolglos und gründete schließlich ein Unternehmen, das Lizenzen für Musik-CDs vertreibt.

Wirklich Geld verdienen lässt sich damit nicht. Seine Frau Saskia übernahm deswegen die Firma und beschäftigt Manfred Zenker seitdem auf 100-Euro-Basis, damit er zusätzlich noch Hartz IV bekommt. Manfred Zenker glaubt noch immer an den Erfolg seines Unternehmens - nur die Mitarbeiter des Jobcenters würden ihm Steine in den Weg legen. Er fühlt sich ungerecht behandelt und reagiert mit Trotz. Er zweifelt deswegen gerade nicht an seinen Zielen, sondern investiert all seine Kraft in den Versuch, sich als erfolgreicher Unternehmer darzustellen.

Das sei typisch für das traditionale Milieu, aus dem Manfred Zenker stammt, sagen die Verfasserinnen der Studie. Das Ehepaar Zenker komme gar nicht auf die Idee, die Aufgaben neu zu verteilen, weil sie mehr Geld verdient und er sich deswegen um den Haushalt und die Familie kümmern könnte. Jeder bleibt in seiner Rolle. Erstaunlicherweise ist das auch so bei Paaren, die sich selbst als unkonventionell und gleichberechtigt beschreiben. In diesem individualistischen Milieu darf sich jeder selbst verwirklichen, unabhängig vom Einkommen. Das Architektenpärchen, bei dem nur sie im Beruf Fuß fassen konnte, legt großen Wert darauf, dass er sich als Künstler austoben kann, und sich nicht wegen seines viel niedrigeren Einkommens verpflichtet fühlt, mehr im Haushalt zu machen. Der Mann darf so tun, als mache er sich aus materiellen Dingen nichts, während sie den Kühlschrank füllt. Diese Paare erliegen einer Gleichheitsillusion, wie die Autorinnen schreiben. Schlussendlich muss die Frau beides schultern: die Erwerbsarbeit und den Haushalt.

An diesem Punkt könnte der Ton der Studie schnell ins Anklagende kippen, wie das einige andere Untersuchungen zum Geschlechterverhältnis tun: die schwache und arme Frau, der starke und faule Mann. Dieser Versuchung erliegen die beiden Autorinnen dieses Buchs nicht. Stattdessen weisen sie auf zwei Dinge hin: Erstens war die Karriere des Hausfrauenmodells seit den sechziger Jahren nur mit der Hilfe der Frauen selbst möglich. Wie die Studie zeigt, fühlen sich heute selbst sehr gut ausgebildete Frauen oft in der Ernährerinnenrolle nicht wohl und wünschen sich einen auch finanziell potenten Mann. Zweitens üben Frauen die Macht, die ihnen das größere Einkommen gibt, gegen ihre Männer durchaus aus. "Hintern hoch" rufen einige Frauen ihren Partnern zu und verbieten ihnen, den neuen Flachbildfernseher zu kaufen.

Überraschenderweise schafft es nur eine bestimmte Gruppe der untersuchten Paare, die Arbeitslosigkeit des Mannes als Chance zu sehen und klassische Rollenmodelle aufzulösen: Es ist ausgerechnet das wertkonservative Milieu. Weil bei diesen Paaren die Familie und die Kindererziehung das Wichtigste sind, fällt es den Frauen nicht schwer, Hauptverdiener zu sein, und die Partner bezeichnen sich ganz selbstbewusst als Hausmänner, die kochen und die Kinder in die Krabbelgruppe bringen. Wirkliche Gleichberechtigung bringt dieses Rollenmodell natürlich auch nicht. Es stellt das tradierte Modell nur auf den Kopf. Auch hier legt die Studie das Ergebnis nahe: Mann und Frau können einfach nicht aus ihrer Haut.

MONA JAEGER.

Cornelia Koppetsch und Sarah Speck: "Wenn der Mann kein Ernährer mehr ist".

Suhrkamp Verlag, Berlin 2015. 297 S., br., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die beiden Autorinnen untersuchen in ihrer Studie anhand von Gesprächen neue männliche Rollenbilder, so Rezensentin Mona Jaeger, und was geschieht, wenn in einer Partnerschaft der Frau wegen ihres höheren Einkommens die Rolle der Ernährerin zufällt. Koppetsch und Speck vermeiden einen anklagenden Tonfall, lobt Jaeger, die bei anderen Untersuchungen zum Geschlechterverhältnis offenbar schlechte Erfahrungen gemacht hat. Zentral erscheinen der Kritikerin zwei Punkte der Studie: dass sich auch gut ausgebildete Frauen einen finanziell starken Mann wünschen und dass einige Frauen ihr höheres Einkommen als Druckmittel gegen die Männer einsetzen. Überrascht zeigt sich Jaeger schließlich davon, dass offenbar ausgerechnet das wertkonservative Milieu die neue Situation am besten meistert, wie die Untersuchung belegen würde.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Die Studie ist nicht zuletzt durch zahlreiche Zitate der Interviewten und wegen ihrer treffenden Milieuschilderungen aufschlussreich und lesenswert.« Fiona Sara Schmidt an.schläge - Das feministische Magazin