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Es ist ein besonderer Ort, aus dem Marica Bodroziæ ihre poetische Kraft schöpft. In ihren Gedichten nennt sie ihn "Talschaften der Erinnerung", gleichsam eine "Urgegend der Bilder". Verankert liegt dieser Ort in der inneren Kindheit, im imaginären Raum tief liegender Gedächtnislandschaften.Aus den Gedichtzeilen strömen Klänge, Gerüche und immer wieder leuchtende Farben. Die Vorratslager der Bilder stellen das erinnerte Leben verwandelt in den Raum. Vor allem aber trägt Marica Bodroziæ einen neuen, unerhörten Ton in die Lyrik der Gegenwart hinein, erobert den seit längerem verpönten Raum…mehr

Produktbeschreibung
Es ist ein besonderer Ort, aus dem Marica Bodroziæ ihre poetische Kraft schöpft. In ihren Gedichten nennt sie ihn "Talschaften der Erinnerung", gleichsam eine "Urgegend der Bilder". Verankert liegt dieser Ort in der inneren Kindheit, im imaginären Raum tief liegender Gedächtnislandschaften.Aus den Gedichtzeilen strömen Klänge, Gerüche und immer wieder leuchtende Farben. Die Vorratslager der Bilder stellen das erinnerte Leben verwandelt in den Raum. Vor allem aber trägt Marica Bodroziæ einen neuen, unerhörten Ton in die Lyrik der Gegenwart hinein, erobert den seit längerem verpönten Raum emphatischen Sprechens zurück. Mit unverwechselbarer Sprache durchdringt sie die Themen aller großen Lyrik: Liebe, Gott, Kindheit, Leben, Tod und die Schönheit.". ich will an die Seligmachung/ schreiben. An die Herzmitte/ der gelben aller Farben": Die Wiederverzauberung der Welt, die Wieder-Ermächtigung der Sprache, die Marica Bodroziæ in ihren Erzählungen und zuletzt in ihrem Roman "Der Spieler der inneren Stunde" auf sich genommen hat, offenbart sich unverstellt in diesen lyrischen Wortgemälden von großer Helle und Farbigkeit.
Autorenporträt
Marica Bodrozic wurde 1973 in Svib/ Dalmatien, dem heutigen Kroatien geboren. Sie lebt seit 1983 in Deutschland und schreibt Gedichte, Romane, Erzählungen und Essays. Für ihre Bücher erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien, darunter den Förderpreis für Literatur von der Akademie der Künste in Berlin, den Kulturpreis Deutsche Sprache und 2013 für ihren Roman "Kirschholz und alte Gefühle" den Preis der LiteraTour Nord und den Kranichsteiner Literaturpreis. 2015 erhielt sie den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Marica Bodrozic lebt als freie Schriftstellerin in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.08.2007

Flieger, grüß ihr die Sonne
Na also: Marica Bodrozic frischt die deutsche Lyrik auf

Den "armen B.B.", Bertolt Brecht, trug die Mutter "aus den schwarzen Wäldern ... / in die Städte hinein". "Und die Kälte der Wälder", fährt der Dreiundzwanzigjährige fort, "wird in mir bis zum Absterben sein." Von der Selbstverständlichkeit, "mit der die Wälder des Slawischen in mir liegen", spricht am Anfang ihres neuen Prosabandes "Sterne erben. Sterne färben. Meine Ankunft in Wörtern" die 1973 geborene, aus dem kroatischen Dalmatien nach Deutschland eingewanderte Marica Bodrozic. Doch überraschend dann der Satz: "Aber erst in der deutschen Sprache wird mein eigenes Zuhause für mich selbst hörbar."

Wohl kennen wir das Sprachdilemma und die Sprachnot exilierter deutscher Schriftsteller im Ausland, kennen aus Heinrich Heines Pariser Zeit dessen wehmütige Liebeserklärung an die deutsche Sprache im Gedicht "Ich hatte einst ein schönes Vaterland". Hier aber ist eine Autorin offenbar nicht nur in ein anderes Land, sondern auch eine fremde Sprache emigriert.

Dieser Prosaband fasziniert durch die immer vibrierende Spannung zwischen der Welt der Herkunft und deren Vermittlung in der deutschen Sprache. Als Kind mit neun Jahren von ihren Eltern, "Gastarbeitern", nach Deutschland geholt, hat sie keine Schwierigkeiten, in die deutsche Sprache hineinzuwachsen. In ihr erst lernt sie, "an das Leben zu glauben". Diese Sprache ist ihr "Echoraum der Ursprünge" und ermöglicht ihr zugleich "das Größere der Freiheit". Im "Echoraum" liegen, wie schon in den vorhergehenden Büchern "Tito ist tot" und "Der Spieler der inneren Stunde", Heimat, Sehnsuchtsland, verlorene Kindheit, in der man zum ersten Mal "die Welt empfunden hat", auch das durch den Balkankrieg der neunziger Jahre zersprengte Jugoslawien - nicht umwoben von Jugostalgija, von Nostalgie, nicht im Sinne eines Nationalgefühls, wohl aber als das über die Einzelvölker, die Ethnien, ins Universelle Hinausweisende. Wenn sie "mein Land" sagt, meint sie "die ganze Erde".

Man kann das Buch als Huldigung an die Sprache lesen, in der die Autorin ihre "Werkstatt der Wörter" eingerichtet hat. Deutsche Wörter waren ihr früh das "Zeichen der Liebe". Aber sie hat auch die Reibung der Wahlsprache mit der Sprache der frühen Kindheit gespürt: als sie bei einer kirchlichen Feier im Frankfurter Dom in kroatischer Sprache des Vaterunser ins Mikrofon sprach, als sie in Paris das Französische erlernte und dabei entdeckte, dass unter der "feinen deutschen "Wetterwörterschicht" ihr alter dalmatinischer Dialekt lebte, dass als "Gerüst" für die neue Sprache nicht das Deutsche, sondern die erste, die Muttersprache, in ihr lag. Und doch gibt es ein untrügliches Zeichen dafür, wie tief die deutsche Sprache in ihr Wurzeln geschlagen hat: "Auch in den Träumen verweigerten sich die kroatischen Wörter."

Verbirgt sich in diesem Prosaband eine Theorie der Einwanderung in eine fremde Sprache? Gewiss nicht. Denn diese Prosa ist durch und durch poetisch, ja, sie wirkt in ihren Bildern manchmal sogar überhitzt. Aber sie schafft eben auch einen "Echoraum", in dem Wörter wie "Herz" oder "Stern" aus ihrer Verschlissenheit erlöst, in ihrer alten Unbefangenheit wieder sagbar werden: meine "Herzerinnerung", "Sterne" als der "Kern der eigenen Biographie, die wir in den Sterntaschen unserer selbst mitgebracht haben".

Mit welcher Energie diese Autorin die deutsche Sprache aufzuladen vermag, wird dort deutlich, wo das Poetische zu sich selber kommt: in ihren Gedichten. Unter dem Titel "Ein Kolibri kam unverwandelt" sind jetzt rund sechzig Gedichte erschienen. Ich gestehe, dass sich auch hier bei einigen Loopings kühner dichterischer Bilder ein Schwindelgefühl eingestellt hat. Aber darüber hinweg trägt das Drängende des lyrischen Rhythmus.

Kürze und Zuspitzung sind nicht die Passform dieser Lyrik. In ihrem Prosaband heißt es einmal: "Kaum saß ich im Flugzeug, schrieb ich ein Gedicht." Ihr Blickwinkel habe sich immer mehr auf eine "Luftperspektive" verschoben. Hier finden wir einen Hilfsschlüssel für das Verständnis ihrer Gedichte. Aus der Höhe bietet sich ein enorm erweitertes Blickfeld; Landschaften, Orte rücken zusammen, Details verlieren ihre Konturen, weit voneinander entfernte Punkte treten in Korrespondenz miteinander, ein Beziehungsgeflecht enthüllt sich, das am Boden dem Auge unsichtbar bleibt. Und ebensolche Sicht kennzeichnet auch die Bildwelt der Lyrik von Marica Bodrozic.

Im Gedicht "Der Himmel der Orangenbäume" tauchen nebeneinander die Wörter "Luftmutter", "Farbvater" und "Bildschwester" auf und deuten so den Gedanken einer inneren Verwandtschaft und Zusammengehörigkeit alles Seienden an. Die scheinbare Heterogenität und Unverträglichkeit poetischer Bilder sind also nicht das Ergebnis einer bewussten Destruktion, sondern der Entdeckung ihrer Allbezüglichkeit. In solcher poetischen Wahrnehmung von Welt müssen auch die Grenzen zwischen dem Mythischen und dem Geschichtlichen fallen. In einem der schönsten Gedichte der Sammlung befiehlt der "Chef der Götter" der schönen Helena, mit dem Weinen aufzuhören und nur noch schön zu sein. Dem Atlantischen Ozean entstiegen, vergisst sie ihr Versprechen und weint aus Liebe zu den Lebewesen dieser Erde. In den Ozean zurückgestoßen, schwimmt sie um ihr Leben zum Ufer zurück, dorthin zurück, wo sie "Zwietracht" wieder erwartet.

Möglich in dieser Lyrik wird ein rhapsodischer Ton. Hier der Anfang eines Gedichts, das auf Trotzkis "Neuen Menschen" anspielt: "Anstelle der Apfelbäume sind in Sibirien / die Gedanken der Verachtenden gewachsen, / sind die Menschen in Maschinenträumen / Aufgewacht. Anstelle der Apfelbäume / ist die Ursache der Kälte gewachsen". Und offenbar hat diese von der Sprachtradition uneingeschüchterte Autorin besonderen Mut und besondere Begabung zu wortschöpferischen Neubildungen: "gewinterte Menschen", die "weißgesonnten" Masten der Schiffe, das "ausgeeinsamte" Ich, "muttergemalt", einer "hat mir die Muttermalwiese / bis zum Busen hinauf wachgeküßt". Solche Auffrischung kann der deutschen Lyrik nur guttun.

WALTER HINCK

Marica Bodrozic: "Sterne erben, Sterne färben". Meine Ankunft in Wörtern. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 155 S., br., 8,- [Euro].

Marica Bodrozic: "Ein Kolibri kam unverwandelt". Gedichte. Otto Müller Verlag, Salzburg/Wien 2007, 87 S., geb., 17,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Derart kühn kommen Walter Hinck Marica Bodrozics lyrische Aufladungen des Deutschen vor, dass ihn mitunter schwindelt. Dankbar lässt er sich durch das "Drängende des lyrischen Rhythmus" darüber hinweg tragen und nimmt die Vogelperspektive der Autorin ein, in der er einen Schlüssel zum Verständnis dieser Gedichte erkennt. Fallen mit der Entfernung nicht die Grenzen? Wird nicht Allbezüglichkeit deutlich? Fast scheint es Hinck so. So gestimmt gefallen ihm die Wortneuschöpfungen der sprachtraditionell eher respektlos vorgehenden Autorin besonders gut: "weißgesonnt", "muttergemalt". Das klingt nach frischem Wind im deutschen Sprachraum, meint Hinck.

© Perlentaucher Medien GmbH