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Schmidt, Gaus, Augstein, Raddatz, Zuckmayer - Heide Sommer erzählt von den unbekannten Seiten dieser prägenden Gestalten.
"Im Rückblick auf das eigene Leben fragt man sich nicht, welche Menschen groß waren. Wichtig ist, dass man eine liebevolle Beziehung hatte, wie ich zu Augstein und Raddatz. Bei beiden habe ich durch gedankliche Osmose gespürt, was sie in ihrem Innersten bewegt und was sie ausbrüten. Welche Frau kann das schon über ihren Ehemann sagen."
Im Februar 1963, im Alter von 22 Jahren, beginnt sie als Sekretärin bei der Zeit. Es sind die Jahre, in denen die Chefetagen von
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Produktbeschreibung
Schmidt, Gaus, Augstein, Raddatz, Zuckmayer - Heide Sommer erzählt von den unbekannten Seiten dieser prägenden Gestalten.

"Im Rückblick auf das eigene Leben fragt man sich nicht, welche Menschen groß waren. Wichtig ist, dass man eine liebevolle Beziehung hatte, wie ich zu Augstein und Raddatz. Bei beiden habe ich durch gedankliche Osmose gespürt, was sie in ihrem Innersten bewegt und was sie ausbrüten. Welche Frau kann das schon über ihren Ehemann sagen."

Im Februar 1963, im Alter von 22 Jahren, beginnt sie als Sekretärin bei der Zeit. Es sind die Jahre, in denen die Chefetagen von rauchenden und Whisky trinkenden Männern mit grandiosem Ego bevölkert sind, deren Frauen daheim den Haushalt machen und die Kinder hüten. In den Vorzimmern geht es nicht nur um Steno und Tippen, sondern auch um Rat und Lebenshilfe jeglicher Art. Auf sympathische, ja liebevolle Weise nimmt uns Heide Sommer mit auf eine Reise in die Zeiten von Mad Men und Herrenclub und zeigt ganz nebenbei, wie man als starke, selbstbewusste Frau im Hintergrund die Regie führt.
Autorenporträt
Sommer, HeideHeide Sommer, Jahrgang 1940, begann 1963 als Sekretärin im Politik-Ressort bei der »Zeit«. Dort lernte sie ihren Mann, den späteren »Zeit«-Chefredakteur Theo Sommer kennen, mit dem sie zwei Söhne hat. 1966 wurde sie Sekretärin von Carl Zuckmayer in der Schweiz. 1967 kehrte sie nach Hamburg zurück und landete nach kleineren Zwischenstationen beim »Spiegel« als Sekretärin von Joachim Fest, Günter Gaus und Rudolf Augstein. Anschließend arbeitete sie von 2001 bis 2015 für Fritz J. Raddatz und gleichzeitig von 2006 bis 2009 für das Ehepaar Loki und Helmut Schmidt. Heide Sommer lebt in Wacken.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2019

Wir teilten das Wichtigste mit diesen Männern

Glanz fiel auch auf die in der zweiten Reihe: Heide Sommer erzählt plastisch und ohne falsche Bescheidenheit von ihrem Leben als Sekretärin.

Heide Sommer, nun bald achtzig Jahre alt, hat ein halbes Jahrhundert lang für eine Reihe von bedeutenden deutschen Publizisten und Intellektuellen gearbeitet: Theo Sommer, Carl Zuckmayer, Günter Gaus, Rudolf Augstein, Fritz J. Raddatz und schließlich auch für Helmut Schmidt in dessen späten Jahren. Kleine große Herrscher in einer Geistes- oder Gelehrtenrepublik, denen Heide Sommer mit Leidenschaft und ständig wachsender Kompetenz diente. "Lassen Sie mich mal machen": Ob man nun das dritte oder das fünfte Wort des Buchtitels betont: Beides trifft es.

Es ist ein manchmal melancholisches, oft heiteres, ein immer unterhaltsames und zeitgeschichtlich spannendes Buch. Der Sekretärin aus Berufung ist dabei ein kleines Denkmal für ihren Beruf gelungen, und auch für alle anderen, die in ähnlicher Funktion, ob als Referenten oder Sachbearbeiter, als Assistenten oder sonst wie in der "zweiten Reihe" stehen, wie sie es nennt. Nein, man kann es gewiss nicht besser als die in der ersten Reihe. Aber diese könnten es eben nicht so gut, wenn die dahinter nicht das Beste gäben.

"Im Grunde war ich in all den Jahren meines Daseins als Sekretärin eine Art Wunscherfüllerin." Und dazu gehört "die hohe Kunst: sich zurücknehmen und trotzdem etwas bewirken". Auch in der zweiten Reihe "fiel genügend Glanz auf mich, um mein Geltungsbedürfnis und mein Ego zu befriedigen. Man muss wissen, wo man steht, aber man darf durchaus auch wissen, wer man ist."

Falsche Bescheidenheit kennt Heide Sommer nicht, wie schon aus ihrer Selbstbeschreibung als junge Frau hervorgeht, als sie sich den Blick ihres ersten Chefs vorstellt: "Und nun traf er auf diese große, schlanke, blonde, zehn Jahre jüngere Frau, offen wissbegierig und tüchtig, kurzhaarig wie Jean Seberg in ,Außer Atem', anpassungsfähig und flexibel." Zu den Hauptkünsten jedes Dienstverhältnisses gehört die Kunst der Diskretion. Und wie Heide Sommer über ihre früheren Chefs schreibt, hat man nie das Gefühl, zu einer Schlüssellochperspektive eingeladen zu werden. Nur sieht man durch ihren Blick einige Details genauer; ein Blick, der immer die Hochachtung bewahrt vor "meinen Männern".

Aber Heide Sommer hat ein wenig mehr als andere in deren Inneres und dort fast bei jedem auch tiefe Unsicherheit, ja geradezu Verzagtheit gesehen. Wenn einer vor seinen Artikeln wie ein "tief verunsicherter Mensch, ohne Ur- und Selbstvertrauen" erscheint, dann aber "in diesen langen Nächten" doch noch wieder ein brillanter Artikel in ihrer Gegenwart fertig wird, ist sie stolz auf den Chef - und auch darauf, wieder hilfreich dabei gewesen zu sein. Und wenn sie einen anderen erlebt, wie er "jedes Mal einen Riesenbammel und große Skrupel" hat und sich nach Beendigung eines Buches erst einmal in die Klinik begibt, erfahren wir nicht nur, welch seltsame Angst sich hinter ungebremster Eitelkeit versteckt, sondern wie viel Empathie, ja Liebe dazu gehört, solche Prinzen auf der Erbse zu begleiten, ohne sich dabei selbst zu verlieren. Die Passagen über den oft todunglücklichen und seinen Tod minutiös planenden Raddatz gehören zu den stärksten.

Ein wenig irritierend sind für heutige Ohren vielleicht die gelegentlich allzu souverän erscheinenden Reaktionen auf "antatschiges" Verhalten mancher Männer, wie sie das nennt. Der starken Heide Sommer glaubt man zwar: "Wir fühlten uns damals . . . durch die Aufmerksamkeit bedeutender, berühmter Männer, in deren Glanz wir uns sonnten, eher geschmeichelt." Aber hatten es wirklich alle Frauen selber in der Hand, "wie weit ansonsten niveauvolle Männer sich in ihrer Gegenwart vergessen oder bemitleidenswert miserabel aufführen"?

Nüchtern schildert sie ansonsten die sexuellen Verklemmungen jener Zeit: Wie sie gemeinsam mit sonst so souveränen Kollegen Ingmar Bergmans "Das Schweigen" ansieht und niemand hinterher auch nur ein Wort herausbringen kann oder wie ein Kollege "einen Nervenzusammenbruch" bekommt, weil seinem neuen Autokennzeichen, das man damals noch nicht wählen konnte, die Ziffer 175 zugeteilt wird, die Nummer des "Schwulen-Paragraphen": "Es machte ihm beinahe unmöglich, den Wagen überhaupt zu fahren."

Eine Menge Zeitgeschichte findet sich hier also, meist anekdotisch pointiert. An Märchen aus uralten Zeiten erinnern Wörter wie Durchschläge, Kohlepapier oder Tipp-Ex-Korrekturstreifen. Telefongespräche mit Korrespondenten müssen Tage vorher beim Fernamt angemeldet und dann vermittelt werden. Und wehe, die Tonbandaufnahme geht schief! Ausnahmslos alle ihre Chefs schreiben noch mit der Hand, Augstein und Gaus in Sütterlin, Schmidt korrigiert bis zum Schluss mit grüner Kanzlertinte. Kaum Konferenzen ohne Alkohol und Nikotin. "Zeit" und "Spiegel" gerieren sich wie ein autoritatives politisch-kulturelles Lehramt.

Heide Sommer war mittendrin, und sie kann es plastisch erzählen - bis hin zum sinnlich erfahrenen Produktionsprozess. Zur Druckerei, damals noch im gleichen Haus wie die Redaktion, hat sie ein "zärtliches Verhältnis, denn nachts, wenn die Maschinen anfingen zu rotieren und ein warmes Summen das Pressehaus wie einen Bienenstock erfüllte, das Gebäude anfing im Rhythmus der Rotationsmaschinen leise zu schwingen, fühlte ich mich wie in Abrahams Schoß. Wir waren am Produzieren und alles war gut."

Auch eine richtige Liebesgeschichte zieht sich von Anfang an durch das Buch. Der einzige "meiner Männer", der noch lebt, ist auch der einzige, mit dem sie mehr verband als ein Arbeitsverhältnis: Theo Sommer. Erst seine Sekretärin, dann seine heimliche Geliebte, dann seine verlassene Geliebte, dann seine Lebenspartnerin, schließlich seine Frau und Mutter ihrer gemeinsamen Kinder, dann seine geschiedene Frau: Wie Heide Sommer, die bis heute seinen Namen trägt und ein offenbar entspanntes Verhältnis zu ihm hat, diese Geschichte erzählt, das erinnert in der Mischung aus sachlicher, abgeklärter Knappheit und dann wieder erinnerungsgesättigter Offenheit von Ferne an Max Frischs "Montauk".

Es ist ein Buch selbstbewusster Dankbarkeit: "Wir teilten das Wichtigste mit denen, für die wir arbeiteten: ihre wertvolle Lebenszeit. Meine Lebenszeit jedenfalls verschmolz mit der Arbeit . . . Ich fühlte mich erfüllt und an Erlebtem reich." Und wenn diese Erfahrung auch oft stellvertretend für viele andere in ihrem Beruf steht, so ist Heide Sommer doch eine sehr besondere Frau, der eine sehr besondere Chance gegeben wurde. Sie hat sie genutzt. Wenn es so etwas wie eine Republik des Geistes in Deutschland wirklich gäbe oder gegeben hätte: Heide Sommer wäre in einem solchen Gemeinwesen The Secretary of State.

MARKUS BARTH.

Heide Sommer: "Lassen Sie mich mal machen". Fünf Jahrzehnte als Sekretärin berühmter Männer. Ullstein Verlag, Berlin 2019. 256 S., geb., 22,- [Euro].

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"Der wahrste, ulkigste Tatsachenroman aus den Zeiten vor #MeToo." Eleonore Büning Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20191124