Críticas:
»Das Buch bietet eine kluge, anregende facettenreiche Diskussion des Nationskonzeptes.« (Hartmut Kaeble, Süddeutsche Zeitung)
Reseña del editor:
Spätestens seit der Französischen Revolution wird moderne Gesellschaft als nationale thematisiert, die sich selbst schafft und ihre innere Struktur und Dynamik aus sich selbst heraus erklären muß. Bis heute ist der nationale Staat die anerkannte politische Organisationsform der Gesellschaft, gleichzeitig aber hat sich der Begriff der Gesellschaft von dem der Nation gelöst. Ulrich Bielefeld untersucht die Selbstthematisierungsformen der nationalen Vergesellschaftung anhand der Beispiele Frankreich und Deutschland. Es sind die zwei klassisch gewordenen Typen der Nation, die den beiden Ländern zugeordnet werden: Staatsnation und Kulturnation. Diese Typisierung ist aber nicht nur Selbstbeschreibung, sondern auch Mittel zur Herstellung der behaupteten Differenz. Vorstellungen und Darstellungen sind Bestandteil der Wirklichkeit, sie haben in der Moderne die besondere Funktion der Gründung und Begründung politischer Gesellschaften. So werden zum Beispiel Wissenschaft, Literatur, Geschichte, Soziologie, Philosophie, Nationalökonomie, aber auch Rassenlehre, zu Foren der Selbstthematisierung von Nation. Anhand dreier deutsch-französischer Paarbildungen wird die Thematisierung des Nationalen herausgearbeitet: Johann Gottlieb Fichte und Maurice Barrès, Émile Durkheim und Max Weber, Ernst von Salomon und Louis Ferdinand Destouches, genannt Céline. Fichtes »Reden an die Deutsche Nation« wurden später als Programmatik eines ethnischen Nationalismus betrachtet. Während sich der Philosoph Fichte zur Zeit der napoleonischen Besetzung engagierte, die deutsche Nation zu bilden, sah der Franzose Barrès 1870 die deutschen Truppen einmarschieren. Fichte lesend entdeckte Barrès als junger Mann sein Ich und das große Wir, er wurde der Literat des »Kultus des Ich« und bekämpfte schließlich den inneren (Dreyfus) und äußeren (Deutschland) Feind. Den literarischen und philosophischen Selbstthematisierungen steht die sich zum Ende des 19. Jahrhunderts institutionalisierende soziologische Form der Selbstthematisierung gegenüber. Durkheim und Weber erarbeiteten zur gleichen Zeit einen je anderen Entwurf der Soziologie. Durkheim denkt Gesellschaft als Nation der moralischen Individuen, Weber als die des absoluten Wertes und der Herrschaft. Nach 1918 setzt sich kollektive, nationale Selbstbestimmung von Gesellschaft international durch. Dem steht als paradoxe Bewegung die Auflösung des Begriffs der Nation gegenüber. Der Auflösungsprozeß der Nation wird in einer doppelten Version ihrer Selbstthematisierung vorgestellt: der Schriftsteller und Aktivist Ernst von Salomon löst den Begriff der Nation ins Geheimnis und in die Tat auf, verabsolutiert das Wir im aktivistischen Ich. Für Céline, dem Schöpfer des »delirierenden Ich«, das dieser Welt ausgesetzt ist, festigt sich dieses nicht in der Nation, sondern in der Rasse. Céline wird zum Kollaborateur avant la lettre. Besteht der Begriff der Nation nur noch in einer historischen Selbstthematisierung angesichts einer globalisierten Gesellschaft, einem Selbstentwurf als Weltgesellschaft? Ulrich Bielefeld zeigt, daß Anerkennung in der Weltgesellschaft weiterhin im Nationalstaat erlangt werden kann. Die Form der Nation jedoch hat sich verändert. Die in ihr angelegten Ambivalenzen sind nicht gelöst. Einige Akteure und Kollektive aber haben gelernt, mit ihnen zu leben.
„Über diesen Titel“ kann sich auf eine andere Ausgabe dieses Titels beziehen.