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Rembert Hüser ist einer der außergewöhnlichsten Autoren der deutschen Kultur- und Medienwissenschaften, dessen Texte zwischen Essay, Textcollage und Miszelle changieren. Seine Themen entstammen der Populärkultur ebenso wie dem Feuilleton, diversen Spezialgebieten des Films, der Philologie oder Kunst. Hüsers Texte sind kritische Theorie in dem Sinn, dass er sein Material zur Selbstoffenbarung bringt: Er zitiert, arrangiert und annotiert minutiös bis an die Grenze zur Manie und trifft dabei immer wieder den Knotenpunkt, an dem Prätention, Lächerlichkeit und ungenaues Denken am engsten verbunden…mehr

Produktbeschreibung
Rembert Hüser ist einer der außergewöhnlichsten Autoren der deutschen Kultur- und Medienwissenschaften, dessen Texte zwischen Essay, Textcollage und Miszelle changieren. Seine Themen entstammen der Populärkultur ebenso wie dem Feuilleton, diversen Spezialgebieten des Films, der Philologie oder Kunst. Hüsers Texte sind kritische Theorie in dem Sinn, dass er sein Material zur Selbstoffenbarung bringt: Er zitiert, arrangiert und annotiert minutiös bis an die Grenze zur Manie und trifft dabei immer wieder den Knotenpunkt, an dem Prätention, Lächerlichkeit und ungenaues Denken am engsten verbunden sind. Wissenschaftlicher Nachwuchs hat von ihm gelernt, keinen Bullshit zu akzeptieren. Mit der Hüser-Schere im Kopf, verbieten sich Daherbehauptetes, unreflektierte Konformismen und Aufgeblasenes aller Art sofort. Das Überschreiten von Fächergrenzen und deren Textkonventionen wird dagegen zur Methode. "Geht doch" macht eine Reihe von Arbeiten greifbar oder überhaupt erst erhältlich, die dieMethode Hüser in ihrer ganzen Kraft zeigen.
Autorenporträt
REMBERT HÜSER (* 1961) ist Professor für Medienwissenaften an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.10.2021

Wider die Wichtigtuerei
Rembert Hüsers Essay-Sammlung „Geht doch!“ und die Kunst, intellektuelle Gegner zu zerlegen
Auf kaum ein Buch eines Medienwissenschaftlers dürfte so lange gewartet worden sein wie auf die erste Textsammlung des in Frankfurt lehrenden Rembert Hüser. Angekündigt ist sie seit über 30 Jahren. Ihr Titel ist doppeldeutig: entweder Ausdruck einer Erleichterung oder einer Verstörung, ja Panik. Sowohl auf Leser- wie auf Autorenseite. Und was steht nun drin? Sieben, teils unveröffentlichte Texte aus 25 Jahren und ein Interview mit den Herausgebern. Das bemüht sich erkennbar um die Methode des Hüserschen Schreibens, was vielleicht auch daran liegt, dass Hannah Engelmeier und Ekkehard Knörer wichtige Akteure des Merkur sind, der sich seit längerem sehr um den Essay als Form bemüht.
Es liegt also nicht ganz fern, darauf zu achten, ob an Hüsers Schreiben irgendetwas Lehr- und Verallgemeinerbares ist, weshalb man auch gespannt darauf horcht, ob dieser wiederum Vereinnahmungsversuche unterläuft. Und ja, das tut er. Schon allein, indem er das „Autorenbuch“ problematisiert und sich als einer, der „Texte zu verschiedenen Themen schreibt“ vorstellt.
Schon im ersten Text geht es zur Sache dieses, nein jedes Buches: vom Umschlag nach innen und wieder zurück. Hüser insistiert auf der Gleichrangigkeit von Para- und Normaltext, er weiß, dass uns ein Text niemals kommentarlos erreicht, und dass es der Rahmen ist, der absteckt, von wem und für wen er dargeboten wird. Umschläge können etwas Revolutionäres kleinreden, sie können aber auch – wie mit Theweleits frühem „Autorenportrait“, einem Blick auf die Stadt Freiburg – das Buch als Fenster einsetzen. Ist ein solcher Blick schon Programm oder einfach: Kulturwissenschaft? Hüser analysiert eng am Material und demokratisch: „Nur DDR erzählt über DDR ist ebenso wie nur BRD erzählt über BRD nur was für den Clubabend.“ Und eröffnet den Blick auf das ganze Archiv, aus dem Hoch- und Popkultur bestehen. Das übt einen nicht geringen Reiz aus. Genauso wie der Witz, der aus der Reibung von Zitaten zündet. Auf Luhmanns „Dekonstruktion als Beobachtung zweiter Ordnung“ antwortet bei Hüser etwa der Verhaltensforscher Eibl-Eibesfeldt: „Die ,Wachenden’ sitzen immer mit dem Rücken zu ihrer Gruppe und stellen dabei die männlichen Geschlechtsorgane zur Schau, die bei diesen Tieren ganz überraschend bunt gefärbt sind.“
Die Polemik ist ihm nicht fremd. Besonders hart trifft sie weiße alte Männer, wenn sie sich zu Sprechern der Wissenschaft als Institution machen. Der Essay „Etiketten aufkleben“ etwa kommentiert Entwicklungen wie den „Curatorial Turn“ in den Geisteswissenschaften: „An Stelle gefragter Querschnitte baut der Kurator, der Mann der simplen Wahrheiten, sich selbst als Längsschnitt ein.“ Und fahndet, statt für Probleme neue epistemologische Überlegungen anzustellen, für eine „Neue Epistemologie“ nach allerlei möglichen Problemen.
Genauso wie die teils ätzende Kritik an der Systemtheorie in „Frauenforschung“ („Eine Theorie, die, nimmt man es genau, ohne Zitat auskommt, und die man mit einem Namen aus der Philosophie ‚Hegel’ nennen könnte“) gehört „Etiketten aufkleben“ zu der Art Stiluntersuchung, die der konventionelleren „Ideengeschichte“ oft fehlt. Hüser arbeitet dabei ethnographisch: Schreibweisen werden über ihre Umgebung bis in die Körper und deren Inszenierungen verfolgt, Orte der Wissensproduktion – Universitäten wie Gasthäuser – werden auf die in ihnen gepflegten Gesprächstechniken untersucht, und noch die schief hängenden Fotos von Universitäts-Fellows haben etwas zu sagen. Gegenüber „Paraphrasen“ wird das Singuläre stark gemacht, genau hingeschaut. Wäre es denn etwa keine Option, als systemtheoretische Leitdifferenz der Literatur nicht „interessant/uninteressant“, sondern „grau und grün“ einzusetzen?
Man mag einwenden, dass mancher Gegner längst emeritiert ist – der einstige Stanford-Professor Hans Ulrich Gumbrecht etwa miaut als betagter Kater von der Neuen Zürcher Ofenbank – und dass die „Kleine Jungs-Folklore der Härte“ heute ohne Systemtheorie auskommt. Ebenso knöpft sich Hüser die Wichtigtuerei und das Erhabenheitsgehuber der Kollegen mitunter mit so überdrehtem Furor vor, dass Theoriediskussionen in shakespearehafte Wirtshausschlägereien ausarten. Mit lucky punch seitens des Underdogs.
Andererseits wird auch schnell klar, dass die Texte nicht einfach originell sind, sondern oft über ihren Anlass hinausweisen (auch wenn der exorbitante Einsatz von Redewendungen im Satiriker den Reaktionär aufscheinen lässt, aber geschenkt). Besonders deutlich wird dies vielleicht in „Ibiza, DDR“: Ausgehend von der Betrachtung von Briefmarken aus DDR und BRD wird der sich nach 1989 manifestierende deutsche Fremdenhass auf die ihm zugrunde liegenden Kommunikationsweisen, auf Wohn- und Raumverhältnisse hin befragt.
Überblendet wird diese Gegenwartsanalyse durch die Schriften und Bilder von Gregory Bateson, George Herbert Mead oder Erik H. Erikson, die im Zweiten Weltkrieg in Amerika über Nazismus als Revolte der Jungen gegen die Alten nachdachten und eine Reeducation ersonnen, die bei der Familienkonstellation ansetzte. Die verschachtelte Reise, auf die Hüser in diesem Text schickt, endet mit einem balinesischen Initiationsritual, wo wir lernen, dass es für die Austreibung des Bösen schon in der Jugend auf die richtige Rahmung – Wände, Holzpfosten, Zeremonialgegenstände – ankommt. Das alles passt zwischen zwei Buchdeckel und hält sie ziemlich lange offen.
ULRICH VAN LOYEN
Kaum ein Buch eines
Medienwissenschaftlers dürfte
so lange erwartet worden sein
wie die erste Textsammlung
von Rembert Hüser
Rembert Hüser:
Geht doch!
Verbrecher Verlag,
Berlin 2021.
382 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rembert Hüser scheint in gewissen akademisch-intellektuellen Szenen ein legendärer Ruf vorauszueilen. Seit dreißig Jahren ist er Medienwissenschaftler, berichtet Rezensent Ulrich van Loyen, und nun publiziert er auch mal Texte. Diese Texte schildert Loyen zugleich als kauzig, subtil, die Phänomene auf die Bedingungen ihres Entstehens befragend und teils gegen Phantome kämpfend wie den einstigen universitären Zampano Hans Ulrich Gumbrecht, der auch nur noch "als betagter Kater von der Neuen Zürcher Ofenbank" miaue. Zuweilen spürt Loyen im Satiriker den Reaktionär hervorlugen, was Loyen an seinem Hang zu Redensarten festmacht. Der Rezensent wirkt am Ende etwas ratlos, will sich aber alle Optionen offenhalten.

© Perlentaucher Medien GmbH