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Sylvie riecht Feuer im August, auch wenn es gar nicht zu brennen scheint in ihrem Dorf am Glan, aus dem sie fortgehen will, wenn sie sechzehn ist. Aber für ihren Bruder ist es das schönste Land, das es gibt, und für seine Freundin, die zu ihnen aufs Land gezogen ist, auch: Gerüche, Geräusche, Farben, Stimmungen, Ruhe. Aber Sylvie denkt an die Toten und riecht Feuer. Der Architekt Holzmann fotografiert Alexandra beim Basketball, kommt immer wieder zu ihr ins Training, bis sie ihn besucht, in seiner Wohnung, den Arbeitskollegen ihres Mannes, der anders bauen will, mit anderen Formen und…mehr

Produktbeschreibung
Sylvie riecht Feuer im August, auch wenn es gar nicht zu brennen scheint in ihrem Dorf am Glan, aus dem sie fortgehen will, wenn sie sechzehn ist. Aber für ihren Bruder ist es das schönste Land, das es gibt, und für seine Freundin, die zu ihnen aufs Land gezogen ist, auch: Gerüche, Geräusche, Farben, Stimmungen, Ruhe. Aber Sylvie denkt an die Toten und riecht Feuer.
Der Architekt Holzmann fotografiert Alexandra beim Basketball, kommt immer wieder zu ihr ins Training, bis sie ihn besucht, in seiner Wohnung, den Arbeitskollegen ihres Mannes, der anders bauen will, mit anderen Formen und Materialien, und der von einem großen Brand träumt...
Die Erzählungen in Jörg Matheis' Band Mono, Liebesgeschichten und Erweckungsgeschichten, Geschichten von Obsessionen und Sinnsuche, beschreiben Fluchten und Offenbarungen mit poetischer Kraft und Genauigkeit, sie sind geschrieben mit einem großen Gespür für Stimmungen, für die persönlichen Schicksale hinter politischen Verwerfungen und für Landschaften, die in Zeiten, in denen fast nur noch eine Stadt als literarischer Schauplatz gilt, wieder zu entdecken sind.
Autorenporträt
Jörg Matheis, geboren 1970 in Altenglan/Pfalz, Studium der Germanistik, Politikwissenschaft und Philosophie. Veröffentlichungen. Auszeichnung für seine Erzählungen sind der Georg-K. Glaser-Förderpreis, der Martha-Saalfeld-Förderpreis und der Förderpreis des Eifeler Literaturfestivals. Der Autor lebt in Ingelheim am Rhein.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.07.2003

In Resopalmanövern
Geschichten aus der Pfalz:
Jörg Matheis hört gern Mono
„Notizen aus der Provinz” hieß vor Jahren eine satirische Sendefolge Dieter Hildebrandts. Die Pointe des Titels war, dass sich Provinzielles vorwiegend in der Hauptstadt der Nation ereigne. Mit „Notizen aus der Provinz” ließe sich auch die Mehrzahl der Erzählungen im ersten Buch des 1970 geborenen Jörg Matheis auf eine Formel bringen, aus der nun freilich aller Witz und satirische Hintersinn wegzudenken wäre. Matheis zieht nicht listig das Täppische und Kleinkarierte im sich weltgewandt und urban Wähnenden ans Licht, sondern setzt den Leser einer vollen Breitseite Provinz unzweideutigster Sorte aus. Es ist eine Welt aus Bonanzarädern, Deponien, Zierpflanzentöpfen, Bundeswehrmanövern, Resopal und Ford Taunus. Vor allem ist es eine Welt, die in Matheis’ Erzählungen restlos bar jeden Gedankens erscheint. Man könnte erschrecken darüber, hätte die Aussparung durch den Autor, den der Klappentext als Studenten der Philosophie ausweist, nicht etwas arg Arrangiertes.
Mehr die übriggebliebenen Dinge als Wörter und Sätze sind es, die Provinz von Metropole trennen. Dass sie „sexy” ist und er bald das „Abi” hat, dass die „Jungs kicken” und die Fotos „wahnsinnig gut” sind, „Super”, „geht klar”, „die spinnt doch” – all dieser Sprachmüll könnte, mit nur wenigen Nuancen Unterschied, auch in der großen Stadt produziert werden, und er wird es. Matheis will weder die provinzielle Welt noch die große Stadt entlarven. Er will sie zeigen, wie sie sind. Dabei gelingt es ihm, Stimmungen, Atmosphären in Worte zu fassen. Er hat ein Gespür zumal für den nach oben drängenden Unterstrom von Gewalt im Alltag, zwischen den Geschlechtern wie zwischen den Generationen, vor dem auch die Differenz von Provinz und großer Stadt belanglos wird.
Indes fügen sich auch die zwingendsten Verdichtungen von Atmosphäre in Sprache, die überzeugendsten Stimmungsbilder nicht von selber zu Geschichten, die tragen. Blass und konturlos bleiben die Personen, die sich in jenen Stimmungen und Atmosphären bewegen. Nahezu all seine Figuren, vielleicht hie und da, zumal in den Geschichten aus der Pfalz, Freunde und Bekannte, die sich nun in seinem Buch wiedererkennen mögen, verharren literarisch auf der Stufe von Schemen, bloßen Namen, papierenen Existenzen. So auch ihr Handeln. Belangloses zieht sich in die Breite, bis an die Grenze zur Langeweile, bis über die Grenze der Langeweile hinaus. Vielleicht ist das die Langeweile des wirklichen Lebens. Aber ist Literatur dazu da, sie zu verdoppeln? Ich weiß es nicht.
ANDREAS DORSCHEL
JÖRG MATHEIS: Mono. Erzählungen. C.H. Beck, München 2003. 250 Seiten, 17,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.06.2003

Das Dorf, die Stadt und der Krieg
Landflucht ohne Ausweg: Ein Erzählband von Jörg Matheis

Am Anfang ist da nur diese alles umfassende Trostlosigkeit. Eine Trostlosigkeit, die daher rührt, daß die Menschen in ihrer kleinen Welt - wie Fliegen im Netz - gefangen sind. Je mehr sie strampeln, desto tiefer verstricken sie sich im Ausweglosen. Am Ende halten sie die Gegend, in der sie leben, für "das schönste Land, das es gibt". Ein Satz von Lobo Antunes gibt für den ersten Teil dieses Geschichtenbandes das Motto ab: "Also: es sieht ganz einfach aus, aber es wird immer schwieriger, ehrlich, wenn ich könnte, würde ich sofort gehen."

Manche Figuren des Autors Jörg Matheis aus Altenglan in der Pfalz machen den Eindruck, als würden sie nicht einmal dann weggehen, wenn sie könnten. Sie sitzen fest. Das Leben außerhalb ihres Dorfes kennen sie höchstens aus dem Fernsehen, dem Kino oder von Videokassetten. Die sind noch schwarzweiß und nur "mono" abspielbar. Wenn sie ein Wort suchen für die Welt, in der sie leben, fällt ihnen der Begriff "Heimat" ein. Das ist dieses Gefühl der Verbundenheit, das entsteht, wenn man die gleichen Leute kennt und die gleichen Geschichten über diese Leute und diese Geschichten so alt sind, daß man sie schon von seinen Eltern erzählt bekommen hat. Wer hier weggeht und es nicht schafft, dieser Vertrautheit etwas Gleichwertiges in der Stadt entgegenzusetzen, ist verloren.

Jörg Matheis' Geschichten handeln von Menschen, die hängengeblieben, und, seltener, auch von solchen, die weggegangen sind. Glücklich sind sie alle beide nicht. Denn auch das Weggehen mündet meist in einer Sackgasse: einem dead end, wie es auf englisch treffender heißt. Ihre Reisen gleichen Fluchten, die am Ende wieder dort münden, wo sie begonnen haben: in Mühlbach am Glan. Über den Texten liegt eine lähmende Stimmung wie Mehltau. Sie macht nicht nur den handelnden Personen das Leben, sie macht auch dem Leser die Lektüre schwer. "Da ist nichts, auf dem Land", heißt es einmal. Der Verdacht liegt nahe, daß der Autor auch nichts zu erzählen hat und daß das, was er erzählt, nichtssagend ist.

Doch so ganz stimmt das nicht. Gegen Ende des ersten und vor allem im zweiten Teil des Bandes bricht etwas in diese Geschichten ein, was die ganze Zeit schon unterschwellig mitlief: Gewalt, dumpfe, unkontrollierte, archaische Gewalt. "Es wird ein Ereignis kommen, das Klarheit schafft. Es muß kommen, denn es kann nicht alles beharren verstockt wie heut und morgen" - das Wort von Hans Henny Jahnn steht zu Beginn des zweiten Teils wie eine Drohung, die früher oder später in Erfüllung geht.

Die Gewalt, die Menschen einander antun, im Kreise der Familie genauso wie auf den Kriegsschauplätzen dieser Welt, erscheint bisweilen als das letzte Mittel, das eingesetzt wird, um dem quälenden Gefühl der Ausweglosigkeit zu entkommen. Gewalt, um sich lebendig zu fühlen im Schmerz, dem eignen wie dem, den man anderen zufügt. In Geschichten wie "Die Vögel von Samarkand", "Zeile Neun" oder "Junikäfer" bekommt Matheis' ansonsten so stille, so makellose Sprache eine rauhe Schärfe, die aufhorchen läßt. Etwas Grausames, Bösartiges bricht sich Bahn. An der glatten Oberfläche klaffen Risse, als wäre ein Messer in die Haut gedrungen. Vorbei die Monotonie und Langeweile des Anfangs, statt dessen das beklemmende Gefühl, als triebe man auf eine Katastrophe zu, die eine scheinbar heile Welt von Grund auf verändert.

Es mag zynisch klingen, aber von diesem Moment an wird's interessant. Die Texte bekommen ihr eigenwilliges und unverwechselbares Gepräge. Da gibt es nichts mehr, was nur "mono" abspielbar wäre. Das Glas, das die Welt wie hinter einem Aquarium erscheinen ließ, ist gesprungen. Die Welt dahinter ist alles andere als heil, der Mensch eine Beute seiner Ängste und Obsessionen und der Erzähler durch keine technischen Hilfsmittel mehr vor ihr geschützt.

Dieser Erzählband ist Matheis' erstes Buch. Noch ist nicht ganz klar, wohin sein literarischer Weg ihn führen wird. Außer Zweifel steht, daß er über eine Sprache verfügt, die sowohl Stimmungen evozieren als auch Spannung erzeugen kann. Und er ist auch durchaus imstande, Geschichten zu erzählen - vorausgesetzt, er hat einen Stoff. Damit hapert es einstweilen noch ein wenig.

KLARA OBERMÜLLER.

Jörg Matheis: "Mono". Erzählungen. C. H. Beck Verlag, München 2003. 256 S., geb., 18,40 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für Klara Obermüller liegt über den trostlosen Geschichten von Jörg Matheis "eine lähmende Stimmung wie Mehltau", die drohe, auch den Leser zu lähmen. Matheis erzähle von Menschen, die sich in der Ausweglosigkeit eingerichtet haben. Ein Satz wie "Da ist nichts, auf dem Land" weckt in der Rezensentin den Verdacht, der Autor habe keinen Erzählstoff. Doch wenn es etwas zu erzählen gibt, so Obermüller, könne Matheis sowohl Stimmungen evozieren als auch Spannungen erzeugen. So ist die Rezensentin ganz fasziniert, wenn die "dumpfe, unkontrollierbare, archaische Gewalt" ins Spiel kommt, die die Bewohner des pfälzischen Dorfes Mühlbach am Glan sich selbst und ihren Mitmenschen antun. Das gebe "Matheis' ansonsten so stille, so makellose Sprache eine raue Schärfe", die das beklemmende Gefühl erzeuge, auf eine Katastrophe zuzutreiben.

© Perlentaucher Medien GmbH