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Nici ist Wissenschaftlerin und betrinkt sich gern in der Bar nebenan. Heimlich baut sie Melek - einen Körper nach ihrer Wunschvorstellung - und eine Maschine, mittels derer sie in parallele Dimensionen reisen kann. In einer dieser anderen Dimensionen begegnet sie in Meleks Körper Nici - also sich selbst - und geht mit ihr eine Beziehung ein. Lina Ehrentraut vereint in ihrem Début dringliche und aktuelle Themen wie Selbstliebe und -hass, Identität und cis-weibliche Sexualität. Gekonnt leitet sie in schwarz-weissen Comicsequenzen und atmosphärischen bunten Malereien durch die unterschiedlichen Erzählebenen.…mehr

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Produktbeschreibung
Nici ist Wissenschaftlerin und betrinkt sich gern in der Bar nebenan. Heimlich baut sie Melek - einen Körper nach ihrer Wunschvorstellung - und eine Maschine, mittels derer sie in parallele Dimensionen reisen kann. In einer dieser anderen Dimensionen begegnet sie in Meleks Körper Nici - also sich selbst - und geht mit ihr eine Beziehung ein. Lina Ehrentraut vereint in ihrem Début dringliche und aktuelle Themen wie Selbstliebe und -hass, Identität und cis-weibliche Sexualität. Gekonnt leitet sie in schwarz-weissen Comicsequenzen und atmosphärischen bunten Malereien durch die unterschiedlichen Erzählebenen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Schneid der Leipziger Künstlerin Lina Ehrentraut nötigt Rezensentin Martina Knoben Respekt ab. Denn Ehrentraut erzählt nicht nur unerschrocken von einer Wissenschaftlerin, die für ihr Ich einen weiteren Frauenkörper schafft, um sich besser selbst lieben zu können, sie zeichnet auch recht drastisch: So ausformuliert hat Knoben lesbische Liebe - und Selbstliebe - noch selten zu sehen bekommen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.07.2021

Keine Angst
vorm Fliegen
Transhelden, Doppelgängerinnen, Amphibienwesen:
Neue Comics erzählen von schillernden Identitäten
VON MARTINA KNOBEN
Dragman ist ein Superheld und kann fliegen – sobald er Frauenkleider anzieht. Eine Wissenschaftlerin baut sich einen Körper, mit dem sie in Parallelwelten reist, wo sie eine leidenschaftliche Affäre mit sich selbst beginnt. Und ein lesbisches Paar verwandelt sich zusammen mit einer Nichte in amphibisch-fischige Mischwesen, wenn sie ausgelassen spielen. Dass in dieser Zeit der Gender- und Identitätsdebatten, in der sogar Fußballfans die Regenbogenflagge wehen lassen, auffallend viele Comics mit queeren Charakteren erscheinen, kann niemanden wundern. Bemerkenswert ist deren Qualität: „Dragman“ von Steven Appleby ist ein Meisterwerk, ein so witziges wie kluges und menschliches Buch über die Selbstfindung einer Transperson – als Superhelden-Parodie. Wie ein Kammerspiel, aber ähnlich eigenwillig wirkt „Steinfrucht“, das Debüt der 27-jährigen Australierin Lee Lai, über eine queere Liebesbeziehung und komplizierte Familienverhältnisse. „Melek + ich“, der Erstling der 1993 geborenen Leipziger Künstlerin Lina Ehrentraut, verwendet Science-Fiction-Elemente und das Motiv des Körpertauschs für eine in jeder Hinsicht unerschrockene Selbstspiegelung.
Das Thema, das diese Bücher vor allem anderen verbindet, ist die Selbstliebe. Sie wird den queeren Figuren nicht geschenkt, erfordert Superkräfte oder technischen Support auf allerhöchstem Niveau. Bei „Melek + ich“ darf man die Selbstliebe dafür wörtlich nehmen: Die Ich-Erzählerin, eine Physikerin, hat eine Maschine gebaut, mit der sie in Parallelwelten reisen kann, außerdem einen Frauenkörper, den sie Melek nennt, in den sie ihr Bewusstsein transferiert. Mit dem Melek-Körper als „Schutzanzug“ reist sie in eine dieser parallelen Welten, trifft auf sich selbst und ist begeistert: „Wow, wow, wow!“. Ihre Alternativversion arbeitet als Barkeeperin, ist unordentlich und lebenslustig, in vielerlei Hinsicht das Gegenteil der Erzählerin. Diese beginnt einen Flirt mit sich selbst, auf den eine – recht explizit dargestellte – lesbische Liebesnacht folgt. Das klingt ziemlich irre, aber ist auch nicht fantastischer als die Liebe selbst.
Dass der Sex der Erzählerin mit sich selbst nicht peinlich wirkt, liegt an den Zeichnungen von Lina Ehrentraut. Die meisten sind schwarz-weiß und stark reduziert, die Reduktion auf Striche nimmt der Darstellung die pornografische Anmutung. Dabei ist die im positiven Sinn schamlose Darstellung enorm befreiend – lesbischer Sex wird so detailliert ausformuliert wie Heteroliebe. Auch formal ist „Melek + ich“ ausgesprochen divers: Zwischen die schwarz-weißen Strichzeichnungen sind immer wieder bunte Doppelseiten geschoben, entfesselt flächig gemalt in Knallfarben. Hier findet die Begeisterung über diese ultimativ queere Liebe, aber auch die Melancholie, die sie begleitet, ihren eigenwilligen Ausdruck. Das künstlerische Selbstbewusstseins dieser jungen Autorin ist bemerkenswert.
Die queeren Figuren werden von ihrer Umwelt nicht als Perverslinge oder Monster wahrgenommen, selbstverständlich genommen wird ihre Art zu sein und zu lieben aber auch nicht. Scham und Depressionen sind ständige Begleiter. In „Steinfrucht“ von Lee Lai, hat Bron, eine Transfrau und die Liebhaberin von Ray, mit dem erstickenden Schweigen in ihrer Herkunftsfamilie zu kämpfen, ihre Eltern sind fromme Christen, die weder über Brons Identität als Transperson, noch über ihre Liebe zu der „verrückten Chinesin“, wie sie Ray nennen, noch Brons psychische Probleme sprechen können. Ein zentrales Thema vieler Szenen dieses Comics ist die Einsamkeit: Auch Menschen, die sich nahe stehen, können über die wirklich wichtigen Dinge oft nicht miteinander reden. Sogar Bron und Ray sind füreinander häufig stumm.
Lee Lais Bilder wirken karg, Grautöne dominieren. Äußerlich passiert nicht viel in dieser Graphic Novel, aber unter der Oberfläche liegen Schlachtfelder. Kindliche, kreatürliche Lebensfreude und Unbeschwertheit finden Ray und Bron nur bei den regelmäßigen Ausflügen mit Rays junger Nichte Nessi. Wenn sie zusammen im Park Fangen spielen oder eine Höhle erkunden, verwandeln sich die ansonsten realistisch gezeichneten Figuren in amphibisch-fischige Monsterwesen – wild und frei kann ganz schön surreal und auch erschreckend sein. Die fischige Gestalt der Frauen erinnert an Filme wie „Der Schrecken vom Amazonas“ (1954), womit Lee Lai auf popkulturelle Traditionen anspielt: Von queerer Liebe konnte früher nur über solche Umwege gesprochen werden.
Auch „Dragman“ knüpft an Traditionen an, wenn Appleby seine Geschichte der Emanzipation einer Transperson mit einer Superhelden-Parodie verbindet. Tatsächlich wurden die Superhelden-Comics von jüdischen Zeichnern geprägt, Joe Shuster und Jerry Siegel zum Beispiel, die 1938 Superman erfanden, Bob Kane und Bill Finger mit Batman, auch Captain America, 1940, von Jack Kirby und Joe Simon hatte jüdische Väter. So weiß und (angeblich) heterosexuell alle diese Supermänner sind – die meisten führen ein Doppelleben, tragen in ihrem Zweitjob bunte, enganliegende Kleidung und haben in irgendeiner Form Ausgrenzung erlebt. Wenn Steven Appleby, der selbst als Transfrau lebt, seinen Helden nun Superkräfte verleiht, sobald der ein rotes Kleid mit Spaghettiträgern und hochhackige Stiefel anzieht, ist das eine konsequente Fortführung und Umdeutung der Superheldenfigur.
Queere Geschichten sind mittlerweile häufig (auch) Genre-Geschichten, das ist eine gute Nachricht, weil die sexuelle Orientierung der Helden nicht mehr allein im Mittelpunkt steht. Von schwulen Cowboys im Wilden Westen erzählt etwa Ralf König in seiner Lucky Luke-Hommage „Zarter Schmelz“ (SZ vom 8. Juli). Tillie Waldens „Auf einem Sonnenstrahl“ (SZ vom 15. März) ist feministische Science-Fiction und überhaupt so unbeschwert utopisch, wie das vielleicht nur jungen schwulen Zeichnern und Zeichnerinnen gelingt.
Dragman ist zerquälter. Er muss wie jeder Superheld die Welt retten, die so ultrakapitalistisch geworden ist, dass die Menschen ihre Seelen verkaufen. Eine zweifelhafte Erfindung lässt die Seelenlosen zu Robotern werden. In dieser Gesellschaft gilt ein Superheld, dessen Power von Frauenkleidung abhängt, allerdings doch wieder als Freak, weshalb Dragman die Superhelden-Lizenz entzogen wird. Seiner geliebten Frau Mary Mary kann Dragman von seinen Fähigkeiten nicht erzählen, weil sie nach einem Unfall in ihrer Kindheit ein Superhelden-Trauma hat. August Crimp, wie Applebys Held mit bürgerlichem Namen heißt, verleugnet also seine wahre Identität – wie so viele Transmänner und -frauen, Schwule und Lesben vor ihm. Dass er sich in seiner Jugend selbst für anomal hielt, erst spät seine Liebe zu Frauenkleidern ausgelebt hat, erzählt Appleby im Nachwort zu seinem Comic.
Sein Held Dragman wird durch eine Serie bestialischer Morde an Transfrauen gezwungen, sich seiner Aufgabe zu stellen – die natürlich vor allem darin besteht, er/sie selbst zu sein. „Dragman“ ist ein Superhelden-Science-Fiction-Serienkiller-Krimi, dessen Genre so fluide ist wie das Geschlecht seines Helden. Auch die Bilder scheinen zu flirren (oder zu zittern?), gezeichnet sind sie mit einem cartoonhaft-krakeligen Strich. Das Cartoonhafte gehört unbedingt dazu, es signalisiert den Spaß, den das Tragen von Frauenkleidern dem Helden und seinem Zeichner macht. Man möchte all diese Comics mit ihren queeren Utopien am liebsten über Ungarn und alle anderen Länder mit schwul-lesbisch-transfeindlicher Politik abwerfen wie Flugblatt-Propaganda. Oder einen Superhelden hinschicken, damit niemand mehr seine Seele verkauft und zum angepassten, scheinbar straighten Roboter wird.
Auch die alten Supermänner
führen ein Doppelleben und
tragen enganliegende Kleider
Lina Ehrentraut (Text und Zeichnungen): Melek + ich. Edition Moderne, Zürich 2021.
240 Seiten, 25 Euro.
Lee Lai (Text und
Zeichnungen):
Steinfrucht. Aus dem Englischen von Henrieke Markert. Avant Verlag, Berlin 2021.
232 Seiten, 28 Euro.
Der Cartoon-Stil gehört zum Thema: Seite aus Steven Applebys „Dragman“.
Foto: „Dragman“, Schaltzeit Verlag
Steven Appleby (Text und Zeichnungen): Dragman. Aus dem Englischen von Ruth Keen. Wasserfarben von Nicola Sherring. Schaltzeit, Berlin 2021. 336 Seiten, 29 Euro.
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