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Abid Malik, ein junger Kriminalbeamter, folgt der dringenden Empfehlung seines Vorgesetzten, sich einer Therapie zu unterziehen. Ein Sexualverbrechen greift, so scheint es, seine Psyche an. Die Indizien verweisen auf einen sadomasochistischen Hintergrund - doch die Identität der Leiche kann nicht festgestellt werden. Ein Video, anonym zugespielt, entfaltet seine infame Wirkung.In den zwölf Gesprächen zwischen Malik und seiner Therapeutin zeichnet sich ab, wie das Verbrechen sämtliche Betroffenen aus ihren gewohnten Bahnen wirft, obwohl sie weiterhin versuchen, die Augen vor einer Wirklichkeit…mehr

Produktbeschreibung
Abid Malik, ein junger Kriminalbeamter, folgt der dringenden Empfehlung seines Vorgesetzten, sich einer Therapie zu unterziehen. Ein Sexualverbrechen greift, so scheint es, seine Psyche an. Die Indizien verweisen auf einen sadomasochistischen Hintergrund - doch die Identität der Leiche kann nicht festgestellt werden. Ein Video, anonym zugespielt, entfaltet seine infame Wirkung.In den zwölf Gesprächen zwischen Malik und seiner Therapeutin zeichnet sich ab, wie das Verbrechen sämtliche Betroffenen aus ihren gewohnten Bahnen wirft, obwohl sie weiterhin versuchen, die Augen vor einer Wirklichkeit zu verschließen, die von Macht, Ohnmacht und Loyalität geprägt ist. Nach und nach wird deutlich, dass es hier nicht nur um einen kriminalistischen Fall geht, sondern um Zusammenhänge, die tief in unserer Gesellschaft und in uns selbst verwurzelt sind.Steven Uhly hat mit Finsternis einen Thriller geschrieben, dessen Protagonisten immer wieder daran scheitern, ihre Rollen zu spielen. Er zeigt ein Panorama der Unfreiheit, der Abhängigkeiten und Verstrickungen, das tiefer und tiefer in eine ohnmächtige Welt führt. Bis zur letzten Zeile zeichnet Steven Uhly das Porträt einer Gesellschaft, deren Herrschaftsmechanismen unauffindbar bleiben, weil jeder, ob nun willentlich oder nicht, zu deren Erhaltung beiträgt.
Autorenporträt
STEVEN UHLY, 1964 in Köln geboren, studierte Literaturwissenschaften in Bonn, leitete ein Institut in Brasilien, u¿bersetzt Lyrik und Prosa aus dem Spanischen, Portugiesischen und Englischen. Sein Roman Glu¿ckskind (2012) wurde zum Bestseller und von Michael Verhoeven fu¿r die ARD verfilmt. Finsternis ist sein siebter Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.09.2020

Mord im Dunkeln
Steven Uhlys neuester Streich ist ein Thriller

"Meine Romane sind wie U-Boote, die sich ihren Weg suchen, oder wie Labyrinthe, in denen der Ich-Erzähler stets Gefahr läuft, dass er sich darin verläuft - auch der Autor", hat der heute 56 Jahre alte Schriftsteller Steven Uhly gesagt. Nun hat er seinen siebten Roman vorgelegt, und wieder erfüllt der Autor die Erwartungen seiner Leserschaft. Auch in diesem Buch geht es grell und schrill zu, die Handlungsstränge verwirren sich labyrinthisch. Wer nicht höllisch aufpasst, kommt schnell vom (rechten?) Weg ab und verliert sich im Gestrüpp der Fabulierkunst Uhlys. Dessen Werke sind immer eine Berg-und-Tal-Fahrt durch tiefe Schluchten und luftige Höhen.

Schon der Titel, "Finsternis", kündigt diesmal an: Es wird nicht lustig oder burlesk oder gar eine Slapstick-Komödie wie in früheren Werken - diesmal wird es düster und beklemmend. Familiengeschichten bilden bei Uhly fast immer den Kern des Geschehens. Aber Vorsicht: In diesen Geschichten geht es nicht gemütlich zu, vielmehr führt der Wahnsinn Regie. Dabei ist die Phantasie des Autors grenzenlos. Er kramt nicht in seinen persönlichen Familiengeschichten, sondern er konstruiert die irrsinnigsten Verwicklungen, in denen die Skala von Vergewaltigung bis Mord reicht.

In "Finsternis" stehen drei Personen im Zentrum: Abid Malik, ein junger Kriminalbeamter, der aus Kaschmir kommt, sein deutscher Kripo-Kollege Jan West, ein erfahrener Beamter, und die Polizeitherapeutin Ruth. Uhly liebt Gedankenspiele, er liebt aber auch Formspiele. Für diesen Roman hat er sich entschieden, die Gesprächsform zu wählen. In zwölf Gesprächen fragt die Therapeutin Malik aus, was zwischen ihm und Jan West bei der Aufklärung eines Mordfalls vorgefallen sei. Beim ersten Gespräch ist Malik noch in Freiheit, die Therapeutin noch im Polizeidienst. Beim zwölften Gespräch hat sich die Welt gedreht.

Ausgangspunkt für die Gespräche ist der Mord an einer Frau, die fast nackt in einer Berliner Parkanlage gefunden wird. Bald stellt sich heraus, dass die Tote zu einer aktiven sadomasochistischen Szene gehörte, ein Video der Toten taucht auf, in dem sie dazu auffordert, sie möchte so brutal penetriert und gefoltert werden, dass sie daran zugrunde gehe. Und nun legt Steven Uhly ungehemmt los. Die beiden Kripobeamten ermitteln heimlich die Identität der Toten: Es ist die Mutter von West. Der wurde von einer Schwester der Toten großgezogen, im Glauben, diese sei seine echte Mutter. Es gibt noch eine weitere Schwester, gemeinsam flohen sie aus der DDR. Je tiefer man in diese Familie blickt, desto finsterer wird es.

Uhly spart nicht mit zahlreichen Seitenthemen, um sein Labyrinth möglichst undurchdringlich zu gestalten. Die Gespräche mit der Therapeutin geben die Struktur dafür vor, wie sich langsam das Mordgeschehen aufhellt. Malik bekräftigt seine Aussagen unaufhörlich mit dem Wort "korrekt", die Therapeutin liebt das Wort "okay". Das nervt, zumal bei einem Autor, der so gewandt und elegant mit der Sprache umzugehen versteht.

Gegen Ende des Gesprächsromans lichten sich die dunklen Stellen. Jan West steht hoffentlich vor seinem richtigen Vater, der auch aktiv praktizierender Sadist ist, Malik ist dabei, um West zu schützen. Da passiert es (Uhly schreckt vor nichts zurück): Malik zieht seinen Polizeirevolver und erschießt den angeblichen Vater, um seinen Freund vor dem Vorwurf eines Vatermords zu bewahren. Bisschen dicke, dieser ganze Plot. Malik geht ins Gefängnis, West verschwindet aus dem Geschehen. Uhly, sonst um keine Girlande verlegen, scheint nichts mehr einzufallen, wo sein ödipaler Polizist nun abbleiben soll. Malik hat Zeit zum Nachdenken: Er brütet und brütet über den Fall, und plötzlich dreht er alles auf den Kopf. Es war ganz anders. Sicher ist nur, dass er einen Menschen erschossen hat und nach unseren moralischen Gesetzen zu Recht im Gefängnis sitzt, dabei ist er unter dem Personal des Romans die Figur, die moralisch am integersten ist. Das ist wiederum ein wenig schlicht. Vielleicht wäre der Psychothriller überzeugender gelungen, wenn der Autor seine Phantasie ein wenig gezügelt hätte. Weniger kann besser sein.

LERKE VON SAALFELD

Steven Uhly: "Finsternis". Roman.

Secession Verlag, Berlin 2020. 208 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Burkhard Müller mag diesen Krimi und das Wagnis, das der Autor mit seiner Form eingegangen ist. Er mag, wie alles ins Gespräch zwischen Ermittler und Therapeutin verlegt wird und aus der "gemütlichen Konvention" der doppelten Handlung - hier die Tat und ihre Aufklärung, dort das komplizierte Privatleben der Kommissare - wieder etwas sehr kompliziert ineinander Verschränktes wird. Die ganze Sache ist immerhin "interessant", aber für völlig gelungen hält er diese Gesprächsstruktur am Ende doch nicht und hadert auch noch mit einem für ihn offenbar zu plötzlichen Ende.



© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.11.2020

Ermittler auf
der Couch
Steven Uhlys Spiel mit Genrekonventionen
Es ist ein gewagtes Projekt: einen ganzen Krimi als eine Reihe von Gesprächen zwischen einer Therapeutin und einem Polizisten zu erzählen. Der Leser muss sich dazu von seinen Genre-Gewohnheiten freimachen. Statt Action erwartet ihn viel indirekte Rede, statt raschem Schauplatzwechsel die schwankungsarme Atmosphäre einer psychologischen Praxis. Die typische Vielzahl der Figuren ist auf zwei reduziert, während der umfangreiche Rest nur im mündlichen Bericht erscheint. Das Ganze umfasst nur schlanke 200 Seiten statt des Zwei- und Dreifachen, die man von dieser Art Bücher kennt, sodass man erheblich konzentrierter als sonst bei der Stange bleiben muss. Und verlassen kann man sich auf die Ausführungen dieses therapierten Polizisten womöglich auch nicht: Ist er doch nicht ganz freiwillig hier, sondern auf dringenden Rat seines Vorgesetzten, der guten Grund hat, ihm zu misstrauen?
Abid Malik ist ein ungewöhnlicher Ermittler. Seine Eltern stammen aus dem pakistanischen Teil von Kaschmir und sind geflohen, um ihren arrangierten Ehen zu entgehen. Der Sohn hat sich die vollständige Integration im Zielland zur Lebensaufgabe gemacht – und welchen überzeugenderen Weg kann es da geben, als ihm als Polizist zu dienen? Dazu passt, dass er eine blonde deutsche Juristin geheiratet und mit ihr zwei Kinder in die Welt gesetzt hat.
Der Fall, der hier besprochen wird, gerät zu seiner persönlichen Krise, die alles infrage stellt. Und so operiert dieses Buch auf zwei Handlungsfeldern. Im einen geht es um die ermordete Frau, etwa sechzig, die nackt auf einer Bahre in der Berliner Innenstadt gefunden wird. Obwohl es zunächst nicht gelingt, sie zu identifizieren, lassen doch die Spuren keinen Zweifel daran, dass sie zur BDSM-Szene gehört hat.
Und dann gibt es noch eine private Geschichte: Maliks enges Verhältnis zu seinem Partner Jan wird schwer belastet, als sich herausstellt, dass Jan selbst in den Fall verwickelt ist. Ein Video taucht auf, in dem das Opfer, noch am Leben, erklärt, sie sei in Wahrheit Jans Mutter. Von nun an operiert Jan auf eigene Faust, an der Behörde vorbei, und setzt Malik unter Druck, ihn auf diesem Weg zu begleiten. Malik tut es, trotz wachsender Bedenken. Immer fragwürdiger werden die Methoden der zwei bei ihrem Quest, immer mehr leidet Maliks Ehe darunter. Wem schuldet Malik letztlich seine Loyalität, dem Freund, der Familie oder dem Rechtsstaat?
Man kennt es schon lange, dass Buch- und Fernsehkrimis mit doppeltem Boden arbeiten. Außer dem Mordfall selbst kriegt der Leser oder Zuschauer das problematische Eigenleben des Kommissar-Helden geliefert, der gern geschieden ist, aber von seiner Ex nicht loskommt, mehr trinkt als ihm guttut, mit seinem Einzelgängertum bei Chef und Kollegen aneckt, glasklare Dienstvorschriften als Verhandlungssache ansieht, doch am Schluss natürlich derjenige ist, der den Karren aus dem Dreck zieht. Das ist gemütliche Konvention geworden, aber in seiner Voraussagbarkeit nicht recht befriedigend. Steven Uhly will dieses altgediente Zweierlei zum unbehaglichen Einen machen, indem er allein dem Polizisten in seinem Therapiegespräch beides in den Mund legt, den Fall und das Persönliche. Genau deshalb erschafft er diese Situation, in der die Vermischung als das Adäquate erscheint, daher die therapeutische Sitzung als Bühne beider Handlungen, die hier verschmelzen.
Das Besondere dieses Romans besteht also in einem Experiment der Form. Ist es gelungen? Man zögert, die Frage zu bejahen. Das liegt zum einen am Kriminalplot im engeren Sinn, der, so sehr er auch zwischendurch die Spannung anheizt, am Ende auf eine ziemlich hanebüchene Kolportage hinausläuft.
Zum anderen lässt sich der gleichmäßige Dialog dann doch nicht ganz durchhalten. Malik wird für seine Therapeutin zu dem einen ihr in der Ausbildung vorausgesagten Klienten, der sie an ihre Grenzen bringt. Das Duett wechselt in eine andere, dringlichere Tonart, der Fall holt die beiden ein und steht dann auch physisch in der Tür. Ganz zum Schluss geschieht noch ein Twist, der nicht mehr voll ausgeschöpft werden kann.
Die gewählte Form ist interessant; man kann, ja man sollte sie mal ausprobieren. Aber nicht öfter als dieses eine Mal.
BURKHARD MÜLLER
Wem schuldet er seine
Loyalität, dem Freund, der Familie
oder dem Rechtsstaat?
Steven Uhly: Finsternis. Roman. Secession,
Zürich 2020. 208 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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