18,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Diese Anthologie versammelt dreizehn ausgewählte Kurzgeschichten bekannter Autoren aus Japan, die erstmals auf Deutsch erscheinen und die Vielfältigkeit japanischer Prosa der letzten Jahrzehnte repräsentieren. Vertreten sind Werke von Chigira Yuko, Enjoe Toh, Hirano Keiichir , Horie Toshiyuki, Ishii Shinji, It Hiromi, Kawakami Hiromi, Nakahara Masaya, Nakajima Ramo, Tsutsui Yasutaka und Suga Atsuko. Die Spannbreite der Texte reicht von realistischen Schilderungen über surrealistische Popliteratur bis hin zu absurd-grotesker Science Fiction. Die Geschichten bieten intime Einblicke in das Denken und Fühlen zeitgenössischer Japanischer Literaten.…mehr

Produktbeschreibung
Diese Anthologie versammelt dreizehn ausgewählte Kurzgeschichten bekannter Autoren aus Japan, die erstmals auf Deutsch erscheinen und die Vielfältigkeit japanischer Prosa der letzten Jahrzehnte repräsentieren. Vertreten sind Werke von Chigira Yuko, Enjoe Toh, Hirano Keiichir , Horie Toshiyuki, Ishii Shinji, It Hiromi, Kawakami Hiromi, Nakahara Masaya, Nakajima Ramo, Tsutsui Yasutaka und Suga Atsuko. Die Spannbreite der Texte reicht von realistischen Schilderungen über surrealistische Popliteratur bis hin zu absurd-grotesker Science Fiction. Die Geschichten bieten intime Einblicke in das Denken und Fühlen zeitgenössischer Japanischer Literaten.
Autorenporträt
Elena Giannoulis, Dr. phil., ist seit 2013 Juniorprofessorin für japanische Literatur an der Freien Universität Berlin und seit 2017 Leiterin des vom European Research Council geförderten Projekts »Emotional Machines: The Technological Transformation of Intimacy in Japan«. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich insbesondere mit moderner und zeitgenössischer japanischer Literatur und Kultur, Selbstzeugnis- und Emotionsforschung und dem Literaturmarkt in Japan.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.05.2018

Geklonte Schriftsteller aus Fukushima
Neue Prosa als Türöffner zum zeitgenössischen japanischen Denken

Diese Anthologie moderner japanischer Kurzgeschichten führt den Leser durch Kirschblütenfeste und Klonlabore, zeigt ein Land zwischen insularem Befangenheitsdenken und Globalisierung, geprägt und zerrieben von ökonomischen Träumen und Traumata nach dem Rausch, ein Land zwischen Fortschrittsglauben und geplatzten Blasen, in permanenter Selbstbespiegelung und Selbstsuche begriffen. Die dreizehn Übersetzungen entstammen einem 2014 gegründeten Arbeitskreis für japanische Literatur an der Freien Universität Berlin. Gewagt und wohltuend mit ewigen Klischees der Auswahlpraxis brechend, bevorzugt die Herausgeberin Elena Giannoulis betont "unjapanische" Geschichten, die von Eskapismus aus dem Japan der Gegenwart getrieben und grundiert sind. Sie beleuchten Menschen mit Spezialinteressen und Inselbegabungen (otaku) und gesellschaftliche Rückzugsphänomene.

"Die verschwundenen Honigbienen" von Keiichirô Hirano porträtiert etwa einen Postboten, der in Persiflage von Japans Kopierkultur perfekt Handschriften nachahmen und somit Postkarten fälschen kann - die Originale hortet er in seinem Haus - und so einen permanenten Akt des Überschreibens der eigenen Identität vollzieht. Die Autorin Atsuko Suga betrachtet Japan in ihren Texten "Geruch von fernem Nebel" und "Neapel sehen und sterben" dagegen vor der Folie Italiens: Die alle Aktivitäten einlullenden Nebel von Mailand und Neapels kreatives Chaos werden Gegenpole zu Japans eingeübtem Konformismus und Karrierismus. Neben der anderen Kultur Europas ist auch die Anderswelt der Religion ein Thema der Anthologie: So gehen in der Evasionsphantasie "Chikô und Raikô" von Hiromi Itô die Helden in das "Reine Land" als Vorstufe des Nirwana ein, wobei ihre Seelen von Japans Erdboden verschwinden und mit Leichtigkeit "die unbekannte Grenze" überschreiten.

Grenzüberschreitungen bilden denn auch Leitmotive dieser Sammlung, sei es zwischen Medien und Realität, westlicher Technik und japanischem Geist oder auch in Topoi vermenschlichter Natur. In "Der Fluss", einer popmodernen Jahreszeitenprosa der wunderbaren Hiromi Kawakami, geht das Sommerende mit dem Ende der Liebessaison eines jungen Paares einher. Bei einem Picknick am Flussufer konsumiert es One-Cup-Sake aus dem Supermarkt, und der anschwellende Gesang von Schnepfen ist Metapher für Einsamkeitsahnungen. In "Grüner Frühling" beschwört Shinji Ishii eine feuchtfröhliche Hanami-Blütenschauparty samt Karaoke aus der Perspektive eines Kirschbaums, der von einer Lilie angekeift wird: "Du verkaufst doch deinen Körper an Betrunkene!"

Ramo Nakajimas Erzählung "Das Lamm Dolly" beschreibt einen Hang zum Automatenmenschen und Klonen als Nippons Narzissmus, den sie auf das Fehlen eines Schöpfergotts in den dortigen Religionen zurückführt: Ein Autor beschafft sich beim "Fukushima Clone Service" einen schriftstellernden Klon, um seine Eitelkeit zu befriedigen, aber auch um vom produktiveren Alter Ego lästige Schreibarbeiten erledigen zu lassen. Die Mediensatire "Das Lied einsamer Schritte, die auf einem dunklen Flur erklingen" von Masaya Nakahara hingegen evoziert in schnellen und inkohärenten Schnitten die "scripted reality" der Zukunft: Menschen gehen mit Kampfprothesen wie einem "intelligenten Gorillaanzug" und einem Powerarm außer Haus. Massaker an Schulen oder Arbeitslosigkeit sind dadurch nicht zu verhindern.

Toh EnJoes kafkaeske Story "Perfekte Tage, um Bananen zu schälen" verfolgt einen in stetem Vorwärtsgang durchs Weltall treibenden Helden, der alle hundert Jahre "rekonstruiert" wird. Als Teil einer Forschungssonde hat er die Aufgabe, Flaggen aufzustellen und Außerirdische zu identifizieren, doch eine Erlösung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten ist nicht in Sicht. Die Auszeit lässt ihn über die Nichtigkeit aller Geschichtsschreibung und das innere Universum, das wir in uns tragen, sinnieren.

Dass die Herausgeberin Elena Giannoulis das Forschungsprojekt "Emotionale Maschinen - Die technologische Transformation von Intimität in Japan" leitet, schlägt sich in der Auswahl nieder. Inmitten von Entmenschlichung, kultureller Amnesie und gesellschaftlichen Ausflüchten tauchen in dem originell und repräsentativ kompilierten Erzählband immer wieder Rückbezüge auf Nischen und Tiefenschichten des Eigenen auf. Angesiedelt in zeitlosen Milieus oder spirituellen Terrains, scheinen gerade solche "kulturell geruchlosen" Erzählungen ein beredter Schlüssel zur japanischen Seele.

STEFFEN GNAM.

Elena Giannoulis (Hrsg.): "Von Katzentötern, schwebenden Rauchern und der Suche nach Nilpferden". Kurzgeschichten aus Japan.

be.bra wissenschaft verlag, Berlin 2018. 176 S., br., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr