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»Den immer noch unübertroffenen isländischen Krimi Nr. 1« hat man Svartfugl (1929) zu Recht genannt, dessen Handlung auf einem aufsehenerregenden authentischen Rechtsfall fußt, der in einer der grandiosesten Landschaften Islands spielt: Im Jahr 1802 war in den Westfjorden ein ehebrecherisches Paar in einem Indizienprozess zum Tod verurteilt worden, weil man zu wissen glaubte, dass sie gemeinschaftlich die jeweiligen Ehegatten aus dem Weg geräumt hätten. Gunnarsson studierte die Akten des dramatischen Prozesses in Kopenhagen, bevor er die Arbeit an seinem stilistisch anspruchsvollen und…mehr

Produktbeschreibung
»Den immer noch unübertroffenen isländischen Krimi Nr. 1« hat man Svartfugl (1929) zu Recht genannt, dessen Handlung auf einem aufsehenerregenden authentischen Rechtsfall fußt, der in einer der grandiosesten Landschaften Islands spielt: Im Jahr 1802 war in den Westfjorden ein ehebrecherisches Paar in einem Indizienprozess zum Tod verurteilt worden, weil man zu wissen glaubte, dass sie gemeinschaftlich die jeweiligen Ehegatten aus dem Weg geräumt hätten. Gunnarsson studierte die Akten des dramatischen Prozesses in Kopenhagen, bevor er die Arbeit an seinem stilistisch anspruchsvollen und raffiniert gebauten Roman aufnahm. Sein Erzähler, der örtliche Kaplan, der als Seelsorger und Belastungszeuge zugleich in einem doppelten Spiel mit den Angeklagten gefangen ist, erkennt im Rückblick, wie haarfein und brüchig die Trennlinie zwischen Recht und Unrecht, Opfer und Täter sein kann und wie sehr er sich selbst auch früher schon in Schuld verstrickt hat; nur büßen müssen die Anderen. Oder büßt er auf andere Weise? »Als die Verurteilten hinausgeführt waren, ging ich zu Richter Scheving. 'Jetzt haben auch wir getötet', sagte ich. 'Menschenopfer wird es zu allen Zeiten geben', lächelte er nachsichtig zurück, 'in der einen oder anderen Form'.«Unter Berücksichtigung der späteren isländischen Fassung des Autors nach dem dänischen Original übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Karl-Ludwig Wetzig.
Autorenporträt
Gunnarsson, GunnarGunnar Gunnarsson (1889-1975) zählt zu den wichtigsten isländischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Ein Erzähler von europäischem Rang, dessen Werke (die er zunächst auf Dänisch verfasste) vielfach internationale Bestseller wurden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.11.2009

Tote im Eisland

Vor einigen Jahren veröffentlichte der Bonner Skandinavist Heiko Uecker "höchst vorläufige Bemerkungen zu einer vielleicht möglichen Fragestellung" zu folgendem Thema: "Wild-West und Wild-Nord. Der amerikanische Western und die isländische Saga". Der Aufsatz fällt uns wieder ein, als diese Kriminalgeschichte auf den Tisch flattert, keine Saga zwar, noch nicht einmal ein Heldenepos, aber immerhin: ein Roman aus Island, aus Islands Westen noch dazu! Gunnar Gunnarssons Roman "Schwarze Vögel" erschien in deutscher Sprache erstmals 1930 unter dem Titel "Schwarze Schwingen", beim legendären Albert Langen, und erzählt wurde die Suche nach einem Mörder, wie sie sich zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts in den isländischen Fjorden zugetragen haben soll. Die Zeiten galten als unübersichtlich, der Roman als Sensation, sein Autor in Deutschland als isländisches Pendant zum Norweger Knut Hamsun, und wie diesem, so mangelte es auch Gunnarsson in den Dreißigern nicht an Sympathien für das "Dritte Reich". Das vor allem hat ihn, der in Deutschland Vorträge zur Edda und zum "Nordischen Schicksalsgedanken" hielt, den Nachruhm gekostet. Die Reclam Bibliothek hat sich trotzdem entschlossen, "Schwarze Vögel" neu herauszubringen. Dieser Entschluss an sich ist vortrefflich: In einer Zeit, die sich von der Literatur keine "Blut und Boden"-Propaganda mehr erhofft, liest sich der eigenwillige, aus der Perspektive des örtlichen Kaplans erzählte Krimi auf einmal wie ein Island-Western: Menschen, die auf einem Vorposten der Zivilisation ausharren. Männer, die das Gute suchen, die lieben und das Recht in die Hand nehmen. Pferde, die durch karge Landschaft galoppieren. Tote, die anschwemmen wie ein Stück Treibholz. Und über allem das Eis, über der Landschaft gleichermaßen wie über den Gedanken der wenigen Protagonisten. Die Frage ist nur: Warum kommt dieser Roman ausgerechnet jetzt? Nur weil es stimmt, was Reclam dazu schreibt: dass er elegant geschrieben, raffiniert gebaut und in Vergessenheit geraten sei? Uns fällt dazu noch keine befriedigende Antwort ein, sosehr wir den Roman auch zu Trockenfisch und Branntwein verschlangen. (Gunnar Gunnarsson: "Schwarze Vögel". Roman. Aus dem Isländischen von Karl-Ludwig Wetzig. Reclam Verlag, Ditzingen 2009. 302 S., geb., 22,90 [Euro].) math

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.01.2010

Der unschuldvolle Totschläger
Erster Island-Krimi in neuer Übersetzung: Gunnar Gunnarssons Roman „Schwarze Vögel” aus dem Jahre 1929
Was für einen seltsamen Sarg hatte der Bauer Bjarni Bjarnason da mitgebracht: „Kurz, aber breit”, so als habe jemand am Holz gespart, um den „Oberkörper eines beinlosen Krüppels” unter die Erde zu bringen, erinnert sich der Erzähler Eiúlfur Kolbeinsson, „unwerter Kaplan der Kirche von Saurbær im Kirchspiel Raucasandur in der Barcastrandarsýsla.” Seltsam unproportioniert mutet auch die Biographie des Isländers Gunnar Gunnarsson (1889-1975) an. Im Jahre 1907 reiste er nach Dänemark, um Schriftsteller zu werden, ohne je eine Schule besucht zu haben. Was Wanderlehrer und Gemeindebücherei im Vopnafjörcur ihm nicht hatten vermitteln können, holte er nun auf der Volksschule von Askov nach.
Er schrieb Dänisch, weil man von isländischer Literatur nicht leben konnte, verkaufte Gedichte an Tageszeitungen und 1912 ein erstes Romanmanuskript an Kopenhagens renommiertestes Verlagshaus Gyldendal. Zur Tetralogie der „Geschichte der Leute auf Borg” angewachsen, wurde das Werk nicht nur in Dänemark, sondern auch in Deutschland zum Bestseller. Mit Folgen, denn nach 1933 wurde der „Vorzeigenordländer” Gunnarsson so oft im engeren Dunstkreis der NS-Kulturpolitik gesichtet, dass er nach 1945 das Schicksal seines norwegischen Kollegen Knut Hamsun teilte und das Stigma des Verräters und Nazisympathisanten tragen musste.
Dabei sei Gunnarssons Verhältnis zum Dritten Reich durchaus zwiespältig gewesen, schreibt Karl-Ludwig Wetzig im instruktiven Nachwort zu seiner glänzenden Übersetzung des 1929 zunächst auf Dänisch geschriebenen Romans „Svartfugl”. Doch für den Bürger eines kleinen Landes sei der deutsche Markt überlebenswichtig gewesen. Zudem habe er, wie Hamsun, Deutschland als Gegengewicht zur angelsächsischen Dominanz im Norden betrachtet. So erscheint „Schwarze Vögel” fast wie ein vorweggenommener Kommentar zur eigenen Biographie, denn hier legt ein Mann des Wortes eine Beichte ab.
Vorderhand aber lässt sich dieser Roman auch als erster Islandkrimi lesen. Es geht um einen Fall aus dem frühen 19. Jahrhundert, der im Hauptteil nach Art eines Courtroom-Thrillers nachgestellt wird. Doch der Prozeß erhält hier existentielle, religiöse Dimensionen. Bjarni Bjarnason soll den Mann seiner Geliebten Steinunn und seine Frau Gucrún ermordet haben, aber als der Erzähler den goldbärtigen Hünen auftreten lässt, leben die beiden noch. Bjarni hat jenen ominösen Sarg dabei: „Die, die ich hier in der Kiste habe, das sind meine Jungbauern. Ja, so habe ich sie manchmal genannt. Bjarni und Egill hießen sie, acht und sieben Jahre alt. Vor einigen Tagen fing auch bei ihnen der Husten an. – Meine Frau hustet, seit wir verheiratet sind. Elf Jahre sind das jetzt. Aber die beiden hier, die sind sofort gestorben. Nun ja, aber Kinder sind doch bloß Kinder . . . Und Übung macht den Meister.”
In dieser „Kiste” verlassen Bjarni also zwei Söhne, die seinen Namen und sein Erbe hätten forttragen sollen. Die bitter-ironische Verniedlichung „Kinder sind eben Kinder” pointiert Karl-Ludwig Wetzig in seiner Übersetzung noch, wenn er aus „Bønder”, den in Island hochrespektablen Bauern des dänischen Originals, „Jungbauern” macht. Hier trägt ein Mann mit seinem Nachwuchs auch seine Hoffnungen zu Grabe, und bald darauf soll er die Ehe gebrochen und zwei Menschen ermordet haben.
Zunächst hatte es nur Gerüchte gegeben, dass auf dem abgelegenen Hof von Sjöundá gegen Sitte und Gesetz verstoßen würde. Dann war Bjarnis Hofnachbar verschwunden. Seine Frau war von einem rätselhaften Erbrechen befallen und von ihm bald darauf ebenfalls im Sarg zur Kirche gebracht worden. Man hatte ihren „armseligen stinkenden Kadaver” peinlich genau untersucht, ohne daraus schlau zu werden. Als später der Körper des Verschollenen aufgetaucht war, hatte man dort, wo sich unterhalb seines fleischlosen Schädels noch Haut und Gewebe erhalten hatte, mit einem Stock versucht, die Tiefe einer mutmaßlichen Stichwunde auszuloten.
Gunnarssons Roman antizipiert die Flut literarischer Leichenschauen, die inzwischen über uns hereingebrochen ist, und zeigt das Absurde dieses Stocherns im toten Fleisch. Hier sind Laien am Werk, deren Urteil über Todesursachen so fragwürdig bleibt wie das Urteil über die Lebenden, das am Ende vollstreckt werden wird. Zynisch treibt der Richter Scheving das Verfahren gegen Bjarni und Steinunn voran, setzt Entlastungszeugen unter Druck, und tut alles, um die Angeklagten auf den Richtblock zu bringen.
Gunnarsson hat die Prozessakten genau studiert, lässt eine Zeugin erklären: „Wenn ich mich an das halten soll, was ich selbst gesehen und gehört habe, begann sie vorsichtig, aber mit einem Eifer, der erkennen ließ, dass sie das für gänzlich überflüssig hielt, dann . . . weiß ich eigentlich nicht sehr viel.” Das also ist der Stoff, aus dem Richter Scheving seinen Schuldspruch ableitet. Das und die Widersprüche, in die Bjarni sich verstrickt. Das und ein Geständnis, das man auch zur Grundlage einer Verteidigung hätte machen können.
Auch in anderer Hinsicht geht es hier um eine Revision, denn der Erzähler rollt die Verhandlung auf, um sein eigenes Leben in die Waagschale einer höheren Gerechtigkeit zu legen. Seine Niederschrift beginnt Eiúlfur am Tag, als sein Sohn beim Fischen ertrunken ist. So schließt sich die Eingangsszene mit Bjarnis Jungbauern seinem eigenen, gottgewollten Schicksalsschlag an.
Damals sei es ein Frühlingstag gewesen, schreibt der Geistliche und fragt: „Warum kann sich ein Leben wie das Bjarnis nicht in einen solchen schlichten Tag einschließen, einen so gesegneten Tag der Trauer und des Lichts?” Bald aber wird er sich selbst als Heuchler zeigen, der seinem mittellosen Bruder die Freundin ausgespannt hat. Gegenüber Bjarni aber führt er sich auf wie ein guter Hirte gegenüber einem Sünder, dessen Schuld feststeht: „Ich habe immer gewusst, dass ich in dir einen Freund habe, Eiúlfur”, sagt Bjarni: „Ich habe bloß nicht gewusst, was für einen schrecklichen Freund.” Das ist nicht ironisch gemeint, sondern die Kehrseite zu Richter Schevings zynischem Postulat: „Schließlich sollten wir möglichst alle als das sterben, was wir nicht sind: Menschen.”
In Sinne solcher schwarzen Anthropologie lässt sich auch der Titel verstehen. Dessen schwarze Vögel sind zunächst einmal Alke, Felsenbrüter. Bjarni beschreibt dem Erzähler, wie er beim Eiersammeln beinahe abgestürzt wäre, an einer Hand über dem Abgrund hing. Der ergänzt das aus eigenen Eindrücken. Kalt überlaufen habe es ihn „angesichts dieses phantastischen, gnadenlosen und unausrottbaren Lebens in den Vogelfelsen, vor diesem Sturm von Leben, wo in Lärm, Gestank und Dreck das Dasein triumphiert, das Leben sich erneuert, jung und frisch und blutwarm von der unfruchtbaren Klippenwand abspringt”.
Diese heidnisch anmutende Beschwörung eines gnadenlosen, blutwarmen Daseins aus der Feder eines gottesfürchtigen Gottesmannes mutet seltsam an – wie die Worte eines Zweiflers angesichts einer übermächtigen Natur. Bjarni aber, dieser unschuldvolle Totschläger, sagt, er habe inmitten all dieser schwarzen Vögel an Weihnachten in den alten Zeiten gedacht, damals, als er noch ein Junge gewesen sei: „Ich sah ein warmes rotes Licht vor mir, Bjarni und Egill, du weißt, diese beiden hier, waren mir auf einmal so nah. Ich war . . . ich war nahe daran, einfach loszulassen.” Nahe daran, in Unschuld zu sterben. Näher daran wohl als alle, die ihn beschuldigt haben. ULRICH BARON
GUNNAR GUNNARSSON: Schwarze Vögel. Übersetzt nach der dänischen Erstausgabe unter Berücksichtigung der vom Autor hergestellten isländischen Fassung und mit einem Nachwort von Karl-Ludwig Wetzig. Reclam Verlag, Stuttgart 2009. 304 Seiten, 22,90 Euro.
Ein Strand nahe Reykjavik um 1910 (oben). Gunnar Gunnarsson, aufgenommen bei einem Aufenthalt in Berlin im Jahre 1930 (unten). Foto: Ullstein (2)
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Hocherfreut ist Rezensent Peter Urban-Halle über diese Neuübersetzung der Kriminalerzählung "Schwarze Vögel" des isländischen Schriftstellers Gunnar Gunnarssons (1889-1975). Er liest die Geschichte um Mord und Ehebruch - es handelt sich um einen historischen Kriminalfall von 1802 - als Tragödie, bei der "Schuld und Recht" kaum zu unterscheiden seien. Packend findet er die "dramatische" Schilderung der Gerichtsverhandlung, die zwei Drittel des Buchs ausmacht. Hier hebt er besonders die Zeichnung der in den Fall verwickelten verschiedenen Charaktere hervor, etwa des zynischen Richters, der beiden Angeklagten, des Erzählers. Mit Lob bedenkt er die Übersetzung von Karl-Ludwig Wetzig, der dem Buch sein "Urgrund-Pathos" belassen habe. Urban-Halles Fazit: "ein großer Roman: mit dem schicksalhaften Pathos der Zeit, aber auch mit einer ganz sonderbar gezügelten Dramatik."

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