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Vielen Männern des SS-Lebensborn ist es gelungen, anonym zu bleiben - aber nicht allen: eine Geschichte über Doppelmoral, Geheimnisse und unendliches Leid.Ein Verein, der die Geburtenrate »arischer Kinder« erhöhen wollte. Der deshalb Entbindungsheime betrieb, in denen ausgewählte Frauen - ob verheiratet oder nicht - ihr Kind zur Welt bringen konnten, wenn sie wollten anonym. Das war der Lebensborn e. V., eine SS-Organisation, an deren Spitze der Reichsführer SS Heinrich Himmler stand.Über Lebensborn-Heime, Lebensborn-Kinder und -Mütter wurde schon viel geforscht - die Väter tauchen allenfalls…mehr

Produktbeschreibung
Vielen Männern des SS-Lebensborn ist es gelungen, anonym zu bleiben - aber nicht allen: eine Geschichte über Doppelmoral, Geheimnisse und unendliches Leid.Ein Verein, der die Geburtenrate »arischer Kinder« erhöhen wollte. Der deshalb Entbindungsheime betrieb, in denen ausgewählte Frauen - ob verheiratet oder nicht - ihr Kind zur Welt bringen konnten, wenn sie wollten anonym. Das war der Lebensborn e. V., eine SS-Organisation, an deren Spitze der Reichsführer SS Heinrich Himmler stand.Über Lebensborn-Heime, Lebensborn-Kinder und -Mütter wurde schon viel geforscht - die Väter tauchen allenfalls am Rande auf, denn vielen ist es gelungen, geheim zu bleiben. Im Leben der Kinder spielten sie deshalb keine Rolle, in den Erzählungen vieler Mütter blieben sie ausgespart.Dorothee Schmitz-Köster geht dieser Leerstelle auf den Grund. Trotz aller Geheimhaltung können sich manche Lebensborn-Kinder an ihren Vater erinnern, und nicht alle Mütter haben geschwiegen. Dazu kommt ein umfangreicher Dokumentenbestand, in dem das Denken und Verhalten dieser Männer sichtbar wird.Vor dem Hintergrund damaliger Geschlechterrollen nimmt die Autorin die Lebensborn-Väter unter die Lupe. So verschieden die Muster-Männer und Seitenspringer, flüchtenden Erzeuger und Ersatz-Väter auch waren, eins haben sie gemeinsam: Aus heutiger Sicht sind fast alle unbrauchbare Väter.
Autorenporträt
Dorothee Schmitz-Köster, geb. 1950, Studium der Sozialwissenschaften, Philosophie und Germanistik, seit 1985 Journalistin und Autorin. Zahlreiche Bücher zur NS-Geschichte, vor allem zum Themenkomplex Lebensborn. Zuletzt »Raubkind. Von der SS nach Deutschland verschleppt« (2018).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Rene Schlott liest mit Bestürzung in Dorothee Schmitz-Kösters Buch, was mit nicht der Norm entsprechenden Lebensborn-Kindern in der NS-Zeit geschah. Die Autorin schöpft laut Rezensent aus ihren langjährigen Recherchen und Interviews über Lebensborn-Kinder und wirft einen besonderen Blick auf die "arischen" Erzeuger. Die mit Material u.a. aus dem Bundesarchiv rekonstruierten Fallbeispiele ergeben eine Typologie der Lebensborn-Väter, die ins rassebiologische Bild der Nazis passt, erkennt Schlott.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.02.2023

Gute Erzeuger im Sinne des Ausleseprinzips
Dorothee Schmitz-Köster entwirft eine Typologie der Männer, deren Kinder in Lebensborn-Heimen der SS zur Welt kamen

Ein Mädchen, vielleicht zwei Jahre alt, auf dem Arm ihres Vaters. Die Schwarz-Weiß-Abbildung auf dem neuen Lebensborn-Buch der Berliner Autorin Dorothee Schmitz-Köster wäre recht unscheinbar, trüge der Mann auf dem Foto nicht eine SS-Uniform.

Bei dem Fünfzigjährigen handelt sich um den "Höheren SS- und Polizeiführer" Otto Winkelmann, Jahrgang 1894, der im letzten Kriegsjahr in Ungarn an der Deportation und Ermordung der jüdischen Bevölkerung beteiligt war. Das Mädchen auf seinem Arm war nicht seine leibliche Tochter, sondern ein Pflegekind, das Winkelmann und seine Frau im Februar 1944 aus dem Lebensborn-Heim "Sonnenwiese" im sächsischen Kohren-Sahlis geholt hatten und nach Kriegsende adoptierten. Die Tochter erinnert sich später im Interview mit der Autorin an einen liebevollen Vater, der alles für sie getan habe.

Schmitz-Köster hat sich bereits in früheren Büchern mit dem Lebensborn beschäftigt. 1997 veröffentlichte sie eine Alltagsstudie, in deren Mittelpunkt das Heim "Haus Friesland" unweit von Bremen stand. Fünfzehn Jahre später folgte ein Buch mit neunzehn Porträts von Lebensborn-Kindern ("Lebenslang Lebensborn"). Aus den dafür geführten Interviews schöpft die Autorin auch in ihrem Buch über deren Erzeuger, das, nach eigener Aussage, aus "Empörung über diese Männer" entstand. Mit den Vätern selbst konnten keine Interviews (mehr) geführt werden.

79 dieser "Täter-Väter" stellt Schmitz-Köster in ihrem Buch vor. Sie allen haben gemeinsam, dass ihre Kinder in Heimen des Lebensborn-Vereins zur Welt kamen, einer SS-Organisation, die Heinrich Himmler 1935 mit dem Ziel gegründet hatte, nicht nur verschleppte Kinder aus dem besetzten Europa, die den NS-Rassevorstellungen entsprachen, "einzudeutschen", sondern auch die Geburtenrate "arischen" Nachwuchses zu erhöhen. Mögliche Abtreibungen sollten verhindert werden, indem man werdenden Müttern durch eine Aufnahme in den Heimen beste Geburts- und Pflegebedingungen für die ersten Lebenstage, -monate oder gar -jahre bot.

Im August 1942 hatte sich Himmler mit einem "Zeugungsbefehl" an seine Männer gewandt, die vor allem die kriegsbedingten Menschenverluste ausgleichen sollten: "Eure Pflicht ist es, so rasch wie möglich durch Zeugung und Geburt von Kindern guten Blutes dafür zu sorgen, dass ihr nicht mehr letzte Söhne seid." Und schon 1940 umriss er die Rolle des Lebensborn-Vereins bei dieser Aufgabe mit der "Sorge für alle während des Krieges von SS-Männern erzeugten Kinder guten Blutes [...] sowie für die werdenden Mütter [...] in allen Fällen, in denen Not und Bedrängnis vorhanden sind".

Himmler ließ einen Fragebogen entwerfen, der im Gutachtenstil bewertet, wie wertvoll Vater, Mutter, Kind für die Volksgemeinschaft sind, und unter anderem fragt: "Besteht nach der Veranlagung und Beurteilung der Kindeseltern und des Kindes begründete Aussicht, daß aus dem Kind ein besonders wertvoller Mensch wird im Sinne des Ausleseprinzips der Schutzstaffeln?"

So fungierten die elf Lebensborn-Heime im "Großdeutschen Reich" (die dreizehn Heime in den besetzten Ländern Norwegen, Frankreich, Belgien und Luxemburg spielen im Buch keine Rolle) als Geburtshäuser für die Ehefrauen oder Geliebten vor allem von Mitgliedern der SS, der Polizei, der Wehrmacht, aber auch von Angehörigen akademischer Berufe, höherer Beamter, Landwirte oder Handwerker, sofern sie die rassebiologischen Aufnahmekriterien erfüllten.

Im Mittelpunkt des Bandes steht der Entwurf einer Typologie dieser Lebensborn-Väter anhand von Fallbeispielen, die die Autorin aus Quellen in verschiedenen Archiven, darunter im Bundesarchiv und in den Arolsen Archives, ausfindig gemacht hat. Die meisten der Männer waren um die dreißig Jahre alt und kamen aus Mittelschichtfamilien. Als Motive für die Wahl der Lebensborn-Heime als Geburtsort macht die Autorin "die gute Versorgung und den geschützten Ort für Mutter und Kind" aus. Schutz boten die ländlichen, naturnahen Heime nicht nur vor den Bomben, die auf die deutschen Städte fielen, sondern auch vor dem Makel einer außerehelichen Affäre und eines unehelich geborenen Kindes. Denn eine Geburt in einem der Heime garantierte Vater und Mutter Anonymität. Wenn nötig, konnte selbst die Geburt der Kinder monatelang verheimlicht werden, indem sie mit ihren Müttern in den Lebensborn-Heimen "untertauchten".

Denn trotz der pronatalistischen NS-Ideologie verharrte auch die Gesellschaft im "Dritten Reich" bei den tradierten christlich geprägten Familien- und Rollenbildern. So galt das uneheliche Kind weiter als "Schande" und Grund zur Scham. Und es blieb auch im Nationalsozialismus bei der hergebrachten bürgerlichen Moral, wonach ein verheirateter Mann eine Geliebte und mir ihr ein Kind haben konnte, solange dies geheim blieb, die Ehe nicht darunter litt und nach außen das Bild einer intakten, harmonischen Familie keine Risse bekam. Der Vater hatte ohnehin die Rolle des im familiären Alltag zumeist abwesenden Ernährers auszufüllen.

Auch nach Kriegsende blieben die meisten Lebensborn-Väter dem Familienleben fern. Als Täter tauchten sie unter, standen vor Gericht, saßen inhaftiert in Lagern und Gefängnissen. Selbst wenn sie später freikamen, lebten sie nur in wenigen Fällen mit ihren Familien zusammen. Oft wurden sie zu ideologisch unverbesserlichen Einzelgängern mit einer Neigung zu Suchtverhalten.

Besonders bedrückend lesen sich die von Schmitz-Köster aufgelisteten Beispiele, in denen Kinder ihre Väter nie kennenlernten, oder die Fälle, in denen die in Lebensborn-Heimen Neugeborenen nicht den NS-Rassevorstellungen entsprachen, weil sie etwa mit Gendefekten zur Welt kamen. Sie mussten die Lebensbornheime verlassen und wurden in Euthanasieanstalten gebracht. RENÉ SCHLOTT

Dorothee Schmitz-Köster: "Unbrauchbare Väter". Über Muster-Männer, Seitenspringer und flüchtende Erzeuger im Lebensborn.

Wallstein Verlag, Göttingen 2022. 160 S., Abb., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Dorothee Schmitz-Köster führt zahlreiche zum Teil abgründige Fallbeispiele aus dem Umfeld von Lebensborn an, die den Leser zum Staunen bringen.« (Ludger Heid, Süddeutsche Zeitung, 7.11.2022)