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Was, wenn der Traum von einer gerechten Gesellschaft plötzlich vorbei ist? Was ist die richtige Art zu leben? Scharfsinnig und mit abgründigem Witz erzählt die preisgekrönte schwedische Bestsellerautorin Lena Andersson von den Träumen und Lebenslügen einer scheinbar ganz gewöhnlichen schwedischen Familie.
Ragnar Johansson ist Möbeltischler und Werkstattlehrer. Ein kantiger und sehr korrekter Mensch, der stolz darauf ist, als Handwerker einer der Bausteine des schwedischen »Volksheims« zu sein. Er glaubt an den Wohlfahrtsstaat und ist davon überzeugt, dass dieser die Menschheit aus dem
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Produktbeschreibung
Was, wenn der Traum von einer gerechten Gesellschaft plötzlich vorbei ist? Was ist die richtige Art zu leben? Scharfsinnig und mit abgründigem Witz erzählt die preisgekrönte schwedische Bestsellerautorin Lena Andersson von den Träumen und Lebenslügen einer scheinbar ganz gewöhnlichen schwedischen Familie.

Ragnar Johansson ist Möbeltischler und Werkstattlehrer. Ein kantiger und sehr korrekter Mensch, der stolz darauf ist, als Handwerker einer der Bausteine des schwedischen »Volksheims« zu sein. Er glaubt an den Wohlfahrtsstaat und ist davon überzeugt, dass dieser die Menschheit aus dem finsteren Mittelalter in die Moderne geführt hat. Hatte Schweden nicht in den 1970er Jahren schon die meisten Kindertagesstätten, die geringsten Lohnunterschiede, den größten Filmregisseur, die vorderste Kinderbuchautorin, den besten Slalomläufer, Tennisspieler und die beste Popband? War dieses Leben nicht besser als das seiner Mutter Svea, die aus ärmlichen bäuerlichen Verhältnissen stammt? Lange Zeit versucht Ragnars Tochter Elsa, den hohen Idealen ihres Vaters gerecht zu werden. Doch irgendwann schert auch sie aus. Die Zeit, so scheint es Ragnar, ist plötzlich nicht mehr seine.
Autorenporträt
Lena Andersson, 1970 in Stockholm geboren, gilt als eine der wichtigsten Autorinnen Schwedens. Für den Roman »Widerrechtliche Inbesitznahme« wurde sie mit dem renommierten August-Literaturpreis ausgezeichnet. Ihre Bücher sind in Schweden allesamt Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Lena Andersson fuhr als Jugendliche jahrelang wettkampfmäßig Ski. Heute lebt sie als Journalistin und Autorin in Stockholm, wo sie sich einen Namen als streitbarste zeitgenössische Kritikerin des Landes gemacht hat.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensent Stefan Michalzig folgt Lena Anderssons Romanfigur Ragnar Johansson als einem typischen, durch und durch konservativen Vertreter seiner Zeit. Über das 20. Jahrhundert in Schweden mit seinen Reformprojekten und Wendepunkten berichtet die Autorin laut Michalzig in einer Art ethnologischen Vesuchsanordnung, aus analytisch-distanzierter Perspektive und in einem trockenen, klaren Ton. Nicht nur formal scheint der Roman den Rezensenten zu überzeugen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.12.2022

Er hat die Skier seiner Tochter gewachst und ist stolz darauf
Lena Anderssons Roman "Der gewöhnliche Mensch" über die Bemühungen eines Mannes, dem sozialdemokratischen Ideal gerecht zu werden

Anfang der Dreißiger des vorigen Jahrhunderts kamen in Schweden die Sozialdemokraten an die Macht; ihre politische Utopie formulierte bald den Begriff Folkhemmet (das Volksheim), der rasch zu einer zentralen politischen Metapher für das wurde, was sozialdemokratische Politik wollte und als Vision für die kommenden Jahrzehnte entwickelte. Der hier in Rede stehende, nun sehr gekonnt ins Deutsche übersetzte Roman skizziert in und mit einer Ehe und Familie eine Blaupause für diesen gesellschaftlichen Entwurf.

Der Roman der Schriftstellerin und Journalistin Lena Andersson trägt im Original den Titel "Sveas son", also etwa "Sohn der Svea". Svea heißt die Mutter der Hauptfigur Ragnar Johansson, eines Berufsschullehrers für Schreinerhandwerk und Möbeltischlerei, der sein väterliches Erbe, ein Fuhrgeschäft, ausschlug: "Ein Erbe wie das Fuhrgeschäft gehört der alten Welt an. Solche ums Überleben kämpfenden Kleinbetriebe würden künftig . . . von den größeren geschluckt werden. Das war unvermeidbar, und es war richtig". "Moder Svea" ist aber auch ein Synonym für Schweden. Svea trägt den Nachnamen Svensson. Von da ist es nicht weit zum "Medel-Svensson" - dieser "Mittel-Svensson" ist im Schwedischen so etwas wie Otto Normalverbraucher oder Lieschen Müller; die Namen einiger Figuren des Romans reichen weit.

Ragnar Johansson ("der sich lieber mit der klaren Kälte des Staates anfreundete als mit den warmen familiären Winkeln schwelender Kränkungen", der sich ein Leben lang anstrengte, "ganz normal", nachgerade "gewöhnlich" zu sein) wächst in die administrativ bestens geordnete Geborgenheit hinein, die im Volksheim der Vierziger und Fünfziger umfassend zu bieten die schwedische Sozialdemokratie sich anschickte. Er ist ebenso allegorische wie Romanfigur; er heiratet Elisabet ("sie war ein Mensch des 19. Jahrhunderts, den man mit einer Sechzigerjahrefrau mit kurzem Haar, Pepitahosen und einer Schirmmütze aus demselben Stoff gekreuzt hatte"), baut - mit viel Eigenleistung - erst Sommerhaus, dann Haus; zwei Kinder hat das Ehepaar, Erik und Elsa. Deren Erziehung betrachtet Ragnar als gesellschaftlich veranlasstes Projekt. Das bedeutet An- und Einpassung in die Gesellschaft des Volksheims. Niemand soll sich für etwas Besseres oder Höheres halten, das Leben soll in ähnlichen Mustern verlaufen, eine gerechte Steuerpolitik verteilt die Einkommen gleichmäßig. Noch in den Siebzigerjahren hörte, wer in Schweden als Ausländer zu arbeiten sich anschickte, wie ständig das hohe Lied der "Jämlikhet" angestimmt wurde - der Begriff beschreibt einen Zustand gleicher Moral und gleichen wechselseitigen Respekts aller Mitglieder eines Kollektivs; alle Menschen in ihm haben einen gleichen Wert.

Das Folkhemmet hat sich seitdem stark verändert; seine Grundwerte aber werden von der schwedischen Sozialdemokratie immer noch beschworen und von großen Teilen der immer mehr sich europäisierenden schwedischen Gesellschaft hochgehalten. Ragnar möchte, dass seine Kinder die - sozusagen - in der Sozialdemokratie gottgegebene Gratwanderung zwischen Leistungsdenken und Allgemeinwohl gut bewältigen, und macht ihnen gegenüber von seinen eigenen Erfahrungen als Fußballtrainer Gebrauch: Sie sollen Sport treiben, denn "Spiel und Sport helfen, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Volkes zu fördern und zu erhalten; sie tragen zur Erziehung und Bildung des Menschen bei; vermitteln in Schulen, Vereinen und anderen Gemeinschaften soziale Grunderfahrungen und ermöglichen eine sinnvolle Freizeitgestaltung" (so die Grundsätze zur Sportpolitik der deutschen Sozialdemokraten aus dem Jahr 1964). Oder um es mit Ragnars Worten zu sagen: "Ohne Sport fehlte dem Leben Sinn und Struktur, aber seine Disziplinen mussten nicht die seiner Kinder sein."

Erik wird ein zunächst durchaus erfolgreicher Radrennfahrer, hat aber mit neunzehn Jahren die Nase voll. Und zwar von beidem: von seinem Vater, der den Sport die Kontrolle über das familiäre Leben übernehmen lässt, und von der Reiserei an den Wochenenden zu Straßenrennen aller Art im ausgedehnten Land Schweden. Und von der damit verbundenen Anstrengung und sozialen Isolation: "Er wollte Zeit für andere Dinge als Training und Wettkämpfe haben." Konsequenterweise tritt Ragnar zum gleichen Zeitpunkt vom Vorsitz der Radsportvereins zurück (nachdem er Kilometerabrechnungsregeln für die Fahrten zu den Rennen eingeführt hatte, deren umständliche Rationalität die Vereinsmitglieder entnervte). "Ragnar Johansson sah, dass seine Gesellschaft, die auf Fleiß und Rationalität basierte, dabei war, den Glauben an sich selbst zu verlieren."

Nach Erik ist Elsa an der Reihe mit Sport; sie wird auf Langlaufskier gestellt. "Der Stockholmer war der Plebejer des Langlaufs, der Norrländer der Aristokrat." Mit zwölf gewinnt Elsa ein Rennen gegen viele Norrländer. Ihre Karriere geht voran, doch in den Jahren zwischen Olof Palmes Ermordung und dem Mauerfall wird es brüchig in der Familie Johansson, die Ehe von Elisabet und Ragnar geht kaputt, auch Elsa hört mit dem Sport auf und nimmt ganz allmählich ein Studium der Literaturwissenschaft auf - mit ihrer Promotion schließt das Buch. "Was du bei der Disputation gehört hast, ist gar nicht so merkwürdig, wie es klingt", gibt Elsa ihrem Vater beim Abschied mit auf den Weg. Ragnar "bemerkte mit dem Wissen eines Menschen, dessen Leben vorbei war: 'Ich habe einmal deine Ski gewachst. Das habe ich.'"

Der Roman steht in einer großen Tradition kritischer Epik aus Schweden; Lars Gustafssons Romantetralogie "Sprickorna i muren" (Risse in der Mauer) aus den Siebzigerjahren ist das in Deutschland bekannteste Beispiel dafür. Jedenfalls beherrscht auch Lena Andersson die Kunst, kleinste Haarrisse im Lebenslauf von Kollektiv und Einzelnem so zu erzählen, dass die Leserschaft genau verfolgen kann, wo diese Risse ihren Ursprung haben und was aus ihnen alles werden kann, für welche Ein- und Zusammenbrüche sie möglicherweise verantwortlich sind. Wobei Lena Andersson über eine hoch entwickelte ironische Verweistechnik verfügt. Was - alles zusammengenommen - für Lektürevergnügen ersten Ranges sorgt. STEPHAN OPITZ

Lena Andersson:

"Der gewöhnliche Mensch". Roman.

Aus dem Schwedischen

von Antje Rávik Strubel.

Luchterhand Literaturverlag, München 2022. 288 S., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Formal durch und durch überzeugend erzählt, in seiner distanzierten Art fasslich und von einer im besten Sinne trockenen Klarheit.« Stefan Michalzik / Frankfurter Rundschau