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This book proposes a profound reform of the EU and identifies its deficiencies. The book's proposals are based on the concepts of limited supranationality and a balanced view of the nation state. The EU is mainly needed to secure peace, promote prosperity, compensate for the relatively small size and limited power of its member states, and ensure their compliance with the essential principles of Western civilization. The balanced view of the nation state implies avoiding nationalism and war and safeguarding the advantages which a well-designed nation state has in comparison to the EU. The book…mehr

Produktbeschreibung
This book proposes a profound reform of the EU and identifies its deficiencies. The book's proposals are based on the concepts of limited supranationality and a balanced view of the nation state. The EU is mainly needed to secure peace, promote prosperity, compensate for the relatively small size and limited power of its member states, and ensure their compliance with the essential principles of Western civilization. The balanced view of the nation state implies avoiding nationalism and war and safeguarding the advantages which a well-designed nation state has in comparison to the EU. The book presents a variety of proposals, such as redesigning EU law-making and EU treaty-making, subordinating the role of the European Commission, a Court of Appeal, and a new composition of the European Central Bank. It also discusses possible ways to ensure the survival of the Eurozone. If the book's proposals are translated into practice, the EU could be in better shape in the future.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.2018

Neugestaltung durch Rückbau?
Ein Plädoyer für eine neue Balance zwischen Nationalstaaten und "Europa"

Die Europäische Union ist an einem Scheideweg. Kritiker sehen sie bereits gescheitert. Klaus Weber und Henning Ottmann bieten nicht nur eine solide Bestandsaufnahme, sondern fragen sich, ob Vorstellung und Zielsetzung von einer immer enger werdenden Union noch zu halten sind. Die Autoren dringen auf eine umfassende Reform der EU, die für ihre Überlebensfähigkeit unabdingbar sei. Die These des britischen Wirtschaftshistorikers Alan S. Milward halten sie zwar für übertrieben, wonach die ursprünglichen Gemeinschaften von den europäischen Nationalstaaten nach dem Krieg zwecks ihrer eigenen Rettung gegründet worden seien. Es müsse aber die inzwischen zur Praxis gewordene Gemeinschaftsmethode der Supranationalität zurückgefahren und ein ausbalanciertes Verhältnis zu den Mitgliedstaaten als "die Herren der Verträge" hergestellt werden. Das schließt an den Bonner Rechts- und Verfassungstheoretiker Karl Eckart Heinz an, wonach die nationalstaatliche Kompetenzabgabe an die Gemeinschaft delegiert und daher nur auf Zeit vergeben sei, so dass sie wieder zurückverlangt werden könne. Sinnvoll sei nach Ottmann und Weber die EU schon für den Ausgleich der relativ geringen Größe und begrenzten Macht ihrer einzelnen Mitglieder, den Erhalt des Friedens sowie die Sicherung des Wohlstands und die Verkörperung westlicher Zivilisation, von deren Einhaltung auch jede Mitgliedschaft abhänge.

Die Konzentration auf diese Aufgaben genüge für die EU. Eine stärkere Berücksichtigung der Interessen des Nationalstaats würde hingegen seine Vorzüge im Unterschied zur Union bewahren sowie damit auch Nationalismus und Kriegsgefahr vermeiden helfen. Verstärkte Regierungszusammenarbeit ("Intergouvernementalismus") sei dafür ausreichend. Ottmann und Weber scheinen zunächst das EU-Institutionengefüge relativ unberührt zu lassen. Tatsächlich wollen sie aber alle gemeinschaftlichen Organe zurechtstutzen: Ein zukünftiger Rat der EU sollte die Kommission lediglich als "bureaucratic administration" (sic) nutzen. Bei Stimmverhältnissen und ihrer Gewichtung müssten "Ungerechtigkeiten" für größere Mitglieder vermieden werden. Dem EuGH wollen die Verfasser eine strikte Kontrolle auferlegen, da er die gemeinschaftsrechtliche Basis so ausgeweitet habe, dass das Unionsrecht vor dem nationalen dominiere, was aber von den Mitgliedern in den Verträgen nie so anerkannt worden sei.

Weber und Ottmann fordern nicht nur die Neugestaltung der EU-Rechtsetzung und die Reduzierung der EU-Verträge auf Kernbereiche - ohne damit eine Verfassung anzustreben -, sondern auch die Unterordnung des EuGH unter einen neuen "Court of Appeal", zusammengesetzt ebenso aus von nationalen Parlamenten gewählten Richtern, der die Urteile des EuGH zurückweisen könne. Dem Europäischen Parlament mangle es an "voller Legitimation", weshalb es nicht völlig am Gesetzgebungsprozess beteiligt werden könne. Dies sollte im Zusammenwirken mit einer neuen Kammer nationaler Parlamentarier geschehen, wobei das Europäische Parlament nicht das letzte Wort, sondern nur eine beratende Rolle hinsichtlich der übrigen Organe haben sollte. Die Kommission sei keine Regierung der EU und müsse dem Europäischen Rat und dem Rat der EU unterworfen werden wie sie auch nicht mehr über die alleinige Gesetzesinitiative verfügen dürfe. Die Reden "Zur Lage der Union" des Kommissionspräsidenten solle man abschaffen, da er dazu gar kein Recht habe, sondern vielmehr - wenn nötig - durch eine Person mit wirklich höchster Autorität erfolgen lassen, wofür der Ratspräsident geeignet gehalten wird.

Die Anregungen setzen immer wieder an den tatsächlichen oder vermeintlichen Mängeln der EU an. Die Autoren hinterfragen dabei das Argument vom "Demokratiedefizit" der Union nicht auf seine Stichhaltigkeit. Zukünftige Vertragsänderungen müssten ihrer Ansicht nach Bürger und nationalstaatliche Repräsentanten mehr teilhaben lassen und sie nicht erst am Ende eines Entscheidungsprozesses vor ein Ja oder Nein stellen. Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs solle in einer Führungsrolle gestärkt, der Rat der EU geringere Bedeutung haben. Im Lichte der Erfahrungen der Euro-Krise betonen Ottmann und Weber die Eigenverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für ihre Finanzen und die Notwendigkeit von Strukturreformen ihrer Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme. Das erscheint vernünftig: Schuldenvergemeinschaftung und Transferunion würden nämlich den Frieden innerhalb der Union auf Dauer ernsthaft gefährden und neuen Nationalismus provozieren. Die EZB, für deren Führung auch eine neue Zusammensetzung gefordert wird, habe in der Krise ihren Kompetenzbereich weit überschritten, wobei ihr bisher erfolgreiches Agieren zur Beruhigung und Stabilisierung der Lage auf den Finanzmärkten unberücksichtigt bleibt. Gleichwohl halten die Verfasser die grundsätzliche Problematik der hohen Verschuldung und der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der Krisenstaaten für ungelöst, die auch von Deutschland und den Nordeuropäern nicht bewältigt werden könne. Hier schließt die Darstellung an die Kritik des Ökonomen Hans-Werner Sinn an.

Die Auffassung, dass die EU, vor allem ihre Mitglieder, den Außengrenzschutz verbessern müssten, ist nach dem von Merkel 2015 begangenen Fehler der grenzenlosen Aufnahmebereitschaft von Migranten aller Art inzwischen innergemeinschaftlicher Konsens. Trotz Verhinderung des politischen Durchbruchs europafeindlicher Kräfte in Frankreich und den Niederlanden im Jahr 2017 ist den Verfassern zuzustimmen, dass die Frage der Reform der EU nach wie vor akut ist. Ob sie allerdings so renationalisiert werden kann und muss, erscheint mehr als fraglich.

Das Buch ist vielfach auf dem Stand von 2016. Die Wahl Trumps und die Folgen für Europa bleiben unberührt. So scheint die These bereits überholt, wonach eine europäische Verteidigungsstruktur jenseits der Nato keinen Sinn ergebe, deren Entwicklung bereits im Gange ist, zumal die Beschwörung der Kontinuität der transatlantischen Beziehungen nicht mehr alternativlos ist. Der Austritt des Vereinigten Königreichs wird noch im Zeichen des Schocks ausschließlich negativ für die Union bewertet und die Bewältigung von Krisen nicht als gemeinschaftliche Chance begriffen. Ihr weiterhin genutztes Potential für Erfindergeist, Improvisation und Neuerung bleibt unterbelichtet.

Bei aller Konsequenz der prononciert integrationskritischen Analyse mit einer deutlichen Präferenz für die Nationalstaaten erscheint doch zweifelhaft, ob eine solche primär an den Interessen der Mitglieder orientierte EU die ihr zugedachten Hauptziele - unter anderem den Ausgleich des immer geringer werdenden Einflusses kleinerer und mittlerer Länder im globalen Kontext - noch erreichen kann. Das durchgängig in englischer Sprache geschriebene Buch ist sehr ernst zu nehmen, zumal es zur kontroversen Debatte zwingt. Vor der anstehenden Sicherung des Finanzfriedens in der EU und der anvisierten Übergangslösung zur Abfederung des Brexits wird eine derart vorgestellte Neuformation der EU jedoch weder zu erwarten noch in Zukunft für ihre globale Wettbewerbsfähigkeit hilfreich sein.

MICHAEL GEHLER

Klaus Weber/Henning Ottmann: Reshaping the European Union.

Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2018. 496 S., 39,- [Euro].

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