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Havanna, Stadt der Liebe und der Musik, Schau platz einer einst hoffnungsvollen Revolution und ihres unaufhaltsamen Niedergangs - sie ist Antonio José Pontes Heldin. Hier wohnt der Protagonist dieses Buchs, so wie es aussieht der letzte, der auf Kuba eines Tages das Licht ausmacht. In Havanna läuft es nicht gut für ihn: Die Behörden halten ihn für einen Agenten, der Schriftstellerverband hat ihn ausgeschlossen, für die Kollegen im europäischen Exil ist er ein Idiot, weil er von seinen Reisen in den Westen immer wieder heimkehrt in die vertrauten Ruinen. Er aber bleibt - Ruinenwächter und…mehr

Produktbeschreibung
Havanna, Stadt der Liebe und der Musik, Schau platz einer einst hoffnungsvollen Revolution und ihres unaufhaltsamen Niedergangs - sie ist Antonio José Pontes Heldin. Hier wohnt der Protagonist dieses Buchs, so wie es aussieht der letzte, der auf Kuba eines Tages das Licht ausmacht. In Havanna läuft es nicht gut für ihn: Die Behörden halten ihn für einen Agenten, der Schriftstellerverband hat ihn ausgeschlossen, für die Kollegen im europäischen Exil ist er ein Idiot, weil er von seinen Reisen in den Westen immer wieder heimkehrt in die vertrauten Ruinen. Er aber bleibt - Ruinenwächter und Chronist des äußeren und inneren Zerfalls. Sein roter Faden ist die heimliche Wiederkehr der Fiesta nach Havanna: Die alten Männer aus dem Buena Vista Social Club spielen die Musik dazu, und nachts, wenn der Strom ausfällt, sammeln sich um die leuchtenden Dollar hotels die Habenichtse und bringen den Sex und das Verbotene zurück. Für ein paar Dollar mehr machen sie die Perle der Karibik wieder zudem, was sie einst berüchtigt werden ließ. Buena Vista Social Club, Sartre, die Beatles, Graham Greene, Europa, Berlin und immer wieder Havanna - wer wissen will, wie das zusammengeht, wie es in Havanna und in den Kubanern aussieht, der sollte dieses Buch lesen. Roman, Tragikomödie, Satire, politisches Brevier? Sicher das Ungewöhnlichste, was die kubanische Literatur in den letzten Jahren hervorgebracht hat.
Autorenporträt
Antonio José Ponte, geboren 1964, ist Ingenieur, Professor für Literatur, Drehbuchautor, Schriftsteller. 2003 aus dem kubanischen Schriftstellerverband ausgeschlossen, lebt Ponte seit 2006 im Exil in Madrid. Er ist Herausgeber der Exilzeitschrift Encuentro de la cultura habana und veröffentlicht seit 1997 regelmäßig Essays, Gedichte und Erzählungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.06.2008

Ruinen schaffen ohne Waffen

Ausblicke von Kubas Eiffelturm: Antonio José Pontes zornig-satirische Abrechnung mit dem moralischen Fundamentalismus der Revolution ist zugleich eine unerwartete Eloge auf die Rückkehr der Fiestas nach Havanna.

Auch Havanna hat sein Stasi-Museum. Wer dort allerdings Aufschluss über die Bespitzelung der Bürger erhalten möchte, über willkürliche Verhaftungen, Folter oder auch nur einen Hinweis auf die zahllosen Aktenkilometer, die ein halbes Jahrhundert der Volksüberwachung durch das kubanische "Ministerio del Interior" zusammentrug, sucht vergeblich.

Schmuggelt man sich hingegen, wie "Der Ruinenwächter von Havanna" aus Antonio José Pontes gleichnamigem Buch, verkleidet als solidaritätsbewegter Revolutionstourist in das Museum ein, kann man dort, zwischen Konsternierung und Kicherreiz schwankend, Beweise für Glanz und Gloria der kubanischen Sicherheitsbehörden finden: Fotos von vorbildlichen Hotelvollzugs-Gefängnissen mit glücklich zu staatstragenden Bürgern geläuterten Häftlingen; heldenhafte Zeugnisse aus dem Kampf gegen den Terror des "Yankee-Imperialismus" - und leibhaftig sogar den einst ruhmreichen, mittlerweile ausgestopften deutschen Schäferhund, der zu Lebzeiten als bester Freund des Revolutionspolizisten noch den letzten konterrevolutionären Konspirator aufspürte. Er hieß übrigens Dan. Der Hund, nicht der Verschwörer, versteht sich.

Vor allem aber fällt dem Undercover-Besucher aus Pontes Buch dort eine bange Erkenntnis wie Schuppen von den Augen: dass nach einem plötzlichen Ende der kubanischen Revolution ein Stasi-Museum mit umgekehrten Vorzeichen oder eine karibische Birthler-Behörde, die den Verfolgten Aufschluss über Identität und Arbeitsweise ihrer Peiniger und Spitzel bietet, nie existieren wird. Denn Kuba ist das einzige Land des Ostblocks, das sich in die digitale Ära hinüberretten konnte. Und so werden sich alle inzwischen elektronisch archivierten Akten per Knopfdruck in Sekundenschnelle selbst vernichten. Kollektive Amnesie durch eine Festplattenformatierung.

Dieser gespenstische "Besuch im Geheimdienstmuseum" bildet das Schlusskapitel von Pontes Buch - und zugleich seinen unausweichlichen, ebenso phantasmagorischen wie bedrückend realen Fluchtpunkt. Bis in dies Ende zwischen Realsatire und Sciencefiction hinein widersetzt es sich der Kategorisierung: essayistischer Roman? Halbfiktionaler Essay? Autobiographie? Oder tragikomische Chronik einer untergegangenen Utopie oder eines Überwachungsapparats, der so sehr zur Karikatur seiner selbst geworden ist, dass er von ganz allein die Grenze zwischen Fiktion und Realität bricht?

Im Zentrum der Handlung steht jedenfalls eine Figur, die recht deutlich die Züge des Autors Ponte trägt. International hoch angesehen und häufig als Gast ins Ausland geladen, wird er zugleich von den kubanischen Behörden gehasst und gefürchtet: auf Grund seiner "ideologischen Diversion" und seiner "feindlich-negativen" Äußerungen, aber auch wegen seiner Weigerung, mit den Überwachungsbehörden zusammenzuarbeiten. So trachten diese danach, den Querkopf sozial zu isolieren - mit Erfolg. Ihn schließt sogar der Schriftstellerverband aus. Im offiziellen Jargon freilich heißt das "deaktivieren", denn man mag die Unesco-Förderung als Nichtregierungsorganisation nicht aufs Spiel setzen.

In einem neofeudalen System, das darin der mittelalterlichen Stände- und Zunftordnung gleicht, ist derjenige, der keinem staatlichen "organismo" mehr angehört, sozial gestorben; er existiert nicht mehr, hat im Inland keine Rechte mehr, darf aber auch nicht ins Ausland reisen. Doch was die Behörden ratlos macht: Auch wenn sie alles daransetzen, dem Erzähler das Leben in Kuba so unbequem zu machen, dass er freiwillig geht, zieht es ihn immer wieder magnetisch nach Havanna zurück. Die Suche nach Erklärungen für dies Paradox bildet das Leitmotiv des Buches. Eine Lösung sucht der Erzähler etwa, indem er in die Maske Guy de Maupassants schlüpft. Obwohl dieser eine militante Kampagne gegen den Bau des Eiffelturms angezettelt hatte, war er schließlich ein Dauergast des verhassten Bauwerks. Seine Begründung: Der Eiffelturm "sei der einzige Punkt der Stadt, von wo aus man den Eiffelturm nicht sehen könne". Nicht anders geht es dem Erzähler: "Genau wie bei Maupassant in der Anekdote war mein Verbleib in Kuba von dem Wunsch diktiert zu vergessen. In Kuba sah ich Kuba nicht."

Jenseits der Verbiesterung, die politische Abrechnungen von Dissidenten zuweilen an sich haben, schwingt das Buch sich zu einer irrwitzigen, zuweilen unbändig komischen Maskerade voller Esprit und überraschender Wendungen auf. Ponte scheint geradezu Vergnügen daran gefunden zu haben, mit der allgegenwärtigen Überwachung zu spielen, sich selbst hinter ständig wechselnden Rollen zu verstecken, in mäandernden Exkursen, scheinbar peripheren Episoden, die insgeheim doch das Herz der Handlung bilden. So etwa treten uns als Protagonisten der Handlung Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir entgegen, wie sie kurz nach der siegreichen Revolution zweimal im Abstand von wenigen Jahren die Hauptstadt Havanna besuchen - und dabei Zeuge des plötzlichen Verschwindens der Bordelle und Vergnügungen werden. Oder eine Gruppe von Filmemachern, die im Jahre 1962 von den Behörden dafür bestraft werden, dass sie schwarze Hafenarbeiter beim Trinken und Tanzen filmten. Oder Wim Wenders und Ry Cooder beim Dreh von "Buena Vista Social Club". Dessen Musiker schrammeln zugleich den Soundtrack einer Wirtschaftskrise, die mitten in den von Stromsperren verdunkelten Nächten Havannas nach Jahrzehnten revolutionärer Sittenstrenge plötzlich wieder bunte Motten um das Licht der alleine noch erleuchteten Hotelbunker für ausländische Devisenbringer schwirren lässt: die "Jineteros" - die "einzigen wahren Ästheten der Revolution", die für ein wenig Schönheit und Luxus bereitwillig ihren Körper hingeben.

Seinen wahren Seelenverwandten findet der Erzähler jedoch bei Graham Greene: den Staubsaugerverkäufer Wormold aus dem Roman "Unser Mann in Havanna". Wie dessen Zeichnungen von zeitgenössischen Nachkriegsstaubsaugern für die Geheimdienste zu Planskizzen gigantesker Raketenbasen werden und Wormold in die Fänge des hobbyfolternden Hauptmanns Segura gerät, wie die Obrigkeit schließlich Opfer der eigenen Paranoiamaschine wird und nicht vor Morden an Unschuldigen haltmacht - all dies wirkt wie ein verzerrtes Ebenbild der eigenen Existenz Pontes, der von den Behörden als Spion der CIA und ganz und gar ironiefrei als deren "Mann in Havanna" bezichtigt wird.

Was all diese erzählerischen Masken verbindet: Sie sind Element einer Art ebenso bizarrer wie brillanter Kulturgeschichte der Überwachung in all ihren grotesken Facetten. "La fiesta vigilada" ("Das überwachte Fest") heißt nicht zufälligerweise das Werk des Erzählers, Lyrikers und messerscharfen politischen Analytikers Ponte im spanischen Original. Ihr intellektuelles Herzstück ist dabei in Pontes Theorie der allenthalben in Havanna wuchernden Ruinen zu finden. Dieser ist der deutsche Titel des Buches geschuldet. Vorgeblich als Exkurs gehalten, ist Pontes "Parenthese der Ruinen" in Wahrheit der dramaturgische Höhepunkt des Buches.

Anders als in den Theorien Benjamins oder Simmels ihrer ästhetischen Idealität entkleidet, werden Ponte die bewohnten Ruinen seiner Stadt zum Sinnbild des gesellschaftlichen und politischen Verfalls des Landes. "Ruinen schaffen ohne Waffen" lautete ein satirischer Slogan in der verflossenen DDR. Er könnte heimliches Leitmotiv Pontes sein, der sich voll Ironie selbst die Berufsbezeichnung "Ruinologe" gibt. Denn um den künstlichen Kriegszustand zu legitimieren, der mit Warnungen vor einer amerikanischen Invasion seit einem halben Jahrhundert aufrechterhalten wird, müsse die Stadt, so Ponte, aussehen, als wäre sie bereits bombardiert worden. Schließlich stößt der Erzähler auf einen Satz seines vorrevolutionären Alter Ego, der die scherenschnitthafte Analogie von Sozialismus und Ruinenbau selbst subvertiert: "Es war an der Zeit, dachte Wormold, seine Sachen zu packen und die Ruinen Havannas zu verlassen."

Vielleicht war es Ponte beim Schreiben nicht bewusst, dass er sich damit das Stichwort für seine eigene Zukunft gab. Wenige Monate nach dem Fertigstellen ausgerechnet des Manuskripts, das sein Bleiben in Kuba zu ergründen versuchte, verließ auch er die Ruinen Havannas. "Für immer", wie offizielle Stellen das zu nennen pflegen. Doch als Erbe der Ruinologen früherer Epochen besitzt Ponte wohl zumindest die Zuversicht, dass ein vom Menschen gebautes "Immer" nur von beschränkter Dauer ist. Oder, wie sein barocker Ahne es ausdrückte: "Nichts ist / das ewig sey / kein Ertz / kein Marmorstein."

FLORIAN BORCHMEYER

Antonio José Ponte: "Der Ruinenwächter von Havanna". Aus dem kubanischen Spanisch übersetzt von Sabine Giersberg. Verlag Antje Kunstmann, München 2008. 234 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.04.2008

Die Zähmung der Großmutter
Ein Buch des Abschieds: António José Pontes „Der Ruinenwächter von Havanna”
Jedes Mal, wenn António José Ponte gefragt wurde, warum er von einer Auslandsreise nach Kuba zurückgekehrt sei, erzählte er die Geschichte von Maupassant und dem Eiffelturm. Maupassant mochte ihn nicht. „Pompöser Schrott” sagte er, und verließ die Stadt in Richtung Côte, um das in Bau befindliche Zeug auf seiner Yacht „Bel Ami” zu vergessen. Als Maupassant nach der Rückkehr ab und an im Restaurant des Turms gesehen wurde, bestritt er, dass seine Haltung inkonsequent sei. Der Turm habe einen Vorteil. Er sei der einzige Ort in Paris, an dem man ihn nicht sehe.
Man kann nicht behaupten, dass Ponte Havanna hasst, aber was sich hinter seinem Buch „Der Ruinenwächter von Havanna” verbirgt, ist doch etwas angenehm anderes, als das Buena-Vista-Melancholie-Gesumm, das in Castros Wendekreis heute die Regel zu sein scheint. Der 1964 geborene Lyriker Ponte, dem man in Florian Borchmeyers Dokumentar-Film „Havanna – die neue Kunst, Ruinen zu bauen” beim Rezitieren zusehen kann, ist ein bissiger Intellektueller. Keine Rede davon, dass er Havanna in Havanna nicht gesehen hätte. Er hat so genau hingeschaut, wie kaum einer in der letzten Zeit. Das zahlt sich aus.
Seit 2005 lebt der 1964 geborene António José Ponte in Spanien. „Der Ruinenwächter” ist ein Erinnerungsbuch, das ihn mit Sicherheit aus dem Land katapultiert hätte, wenn das nicht schon geschehen wäre. Ponte erzählt vom Altern auf Kuba, von seiner Oma und der Tante eines Bekannten. Sie hatten mit Castro nie etwas am Hut, verließen das Haus nicht mehr. Die Tante des Bekannten verbannte den Leader ganz. Sie verbot das Fernsehen, Zeitungen kamen nicht ins Haus. Sie lebte von Illustrierten, die eine Auslands-Stewardess mitbrachte, zog sich damit in die Toilette zurück. Nur einmal schrie sie plötzlich auf. Castro hatte sich in eines ihrer Blättchen geschlichen.
Von dieser netten kleinen Geschichte, geht es sofort einen Schritt weiter. Ponte berichtet von wirklicher Altenpflege, wie seine ebenfalls vergangenheitssüchtige Oma das Gedächtnis zu verlieren begann, wie sie keinen Moment aus den Augen gelassen werden konnte. Wie man ihr die Windeln wechselte. Als die Familie die Großmutter nach dem vierzehnten Herzinfarkt schließlich ins Altersheim gab, schämten sich alle. Es war klar, dass ihr das, was sie hatte, gestohlen werden würde; es war klar, dass sie hier nur sterben konnte. Alles wurde gestohlen und die Großmutter von einer anderen Patientin geschlagen, nach kurzer Zeit holte man sie wieder heraus. Vor der Einlieferung war die Oma schwierig gewesen, ungnädig. Jetzt war ihr alles recht, die Errungenschaften der Revolution hatten sie „gezähmt”.
Langsam tastet sich Ponte an sein Thema heran, an das Altern der Stadt, und dieses Altern bedeutet in Havanna Zerfall. Dessen Zwischenstation, die Ruine, übt auf den Autor eine seltsame Faszination aus. Ponte zitiert Marc Augé, der meint, „in dem Augenblick, in dem sich alles verschwört, um uns glauben zu machen, die Geschichte sei am Ende”, verhelfen uns die Ruinen wieder dazu, an sie zu glauben.
Schon Heinrich Böll, meint Ponte, habe in den ruinenübersäten Nachkriegs-Städten Deutschlands „etwas Friedvolles, die Verheißung eines Neuanfangs” gesehen. Allerdings, ergänzt Ponte mit Siegfried Giedion, erhalten Ruinen vom melancholisch-hoffnungsfreudigen Betrachter schnell einen sakralen Status zugesprochen, der nicht gestört werden darf. Als Ponte wieder einmal in den Ruinen Havannas herumsteigt, öffnet er eine Tür. Dahinter wohnt ein Mensch, der ihn anschnauzt, er sei wohl Tourist! Der gestörte Tourist, merkt Ponte, möchte seine Ruinen für sich. So wie der Bewohner sein Zimmer ohne Dach.
Für das kubanische Regime sind die Ruinen ein Schandfleck, der das revolutionäre Bestreben, Wohnraum zu schaffen und zu erhalten, verspottet. Wenn aber Proteste laut werden, die Ruinen seien ein Produkt kommunistischer Misswirtschaft, so erzählt die Parole hier offensichtlich nur die halbe Geschichte. Zwei Jahre vor der Revolution gab es den Plan, einen großen Teil der historischen Innenstadt Havannas abzureißen und neu aufbauen zu lassen. Es gab schon den Entwurf eines amerikanischen Architekturbüros. Nur die Revolution, die in vielerlei Hinsicht die Zeit angehalten hat, hat dafür gesorgt, dass in vielen Gebieten der Innenstadt überhaupt noch Sanierbares da ist.
Ein guter Einfall Pontes ist es, sein Buch mit den Sätzen eines Alter Ego zu durchsetzen und dabei wieder einmal merken zu lassen, wie gut Graham Greenes „Mann in Havanna” ist. Der Staubsaugervertreter Wormold, der zum Agenten wird, um seiner 17-jährigen Tochter, die mit dem Folter-Chef der kubanischen Geheimpolizei ein Techtelmechtel hat, die Ausbildung in einem katholischen Institut zu ermöglichen, wirkt heute wie ein grotesker Vorläufer der manchmal beinahe post-revolutionär wirkenden Gegenwart. Ponte erzählt, wie die jineteras und jineteros die spärliche Beleuchtung der revolutionären „Black Box” Havanna nutzten, um sich in den neunziger Jahren in die Nähe der großen Hotels zu schleichen, die „Fiesta” auf ihre Weise zurück zu bringen. Vielleicht idealisiert Ponte diese Gelegenheits-Lustspender, doch das Detail, das die ausländischen Kunden verwirrte – dass die ersten jineteras nicht gingen, wenn die Arbeit getan war, dass es ihnen gefiel, im Licht der Hotels zu bleiben, dass sie den Kunden damit ihre Zeit schenkten –, ist gut gewählt.
Doch Pontes „Ruinenwächter” ist nicht elegisch, seine Stimmung hat sehr viel mehr mit Wut zu tun. Das Regime und seine Kollaborierenden werden böse karikiert. Das Treffen, auf dem zwei der Spitzen des Schriftstellerverbands Ponte so besorgt wie larmoyant mitteilen, er werde in Zukunft keine Publikationsmöglichkeiten mehr haben, spricht für sich. Wichtig ist, so Ponte, dass von solchen Treffen nichts Geschriebenes bleibt.HANS-PETER KUNISCH
ANTÓNIO JOSÉ PONTE: Der Ruinenwächter von Havanna. Aus dem Spanischen von Susanne Giersberg. Verlag Antje Kunstmann, München 2008. 234 Seiten, 19,90 Euro.
Oma liest ausländische Illustrierte. Sie will das verfallende Havana nicht mehr sehen. Foto: mauritius images
Wütend, nicht elegisch: Der Autor António José Ponte Foto: Anna Weise
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nicht Hass, aber Wut, nicht Elegisches noch Melancholie, aber genaue Erinnerung mit Biss konnte Hans-Peter Kunisch in diesem etwas anderen Kuba-Buch ausmachen. So regimekritisch wie Antonio Jose Ponte das Altern und den Zerfall in Havanna thematisiert, wundert es den Rezensenten wenig, dass der Autor in seiner Heimat keine Publikationsmöglichkeiten mehr hat. Für Kunisch jedoch war die Lektüre allemal angenehmer als das vorherrschende  "Buena-Vista-Melancholie-Gesumm, das in Castros Wendekreis heute die Regel zu sein scheint":

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