Marktplatzangebote
11 Angebote ab € 1,50 €
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Die Geister von Berlin.
Eine junge amerikanische Künstlerin sieht Blutflecken am Boden, die spurlos verschwinden. Ein Kreuzberger Hipster ahnt, dass mit seiner Wohnung etwas nicht stimmt. Den Manager eines Start-ups plagt ein Fiebertraum, der sich gespenstisch mit vergangenen Begebenheiten deckt. Nichts in Truggestalten ist so, wie es zu sein scheint.
An der Oberfläche sieht das Berlin der Gegenwart aus wie der Inbegriff der modernen Metropole. Es ist eine Stadt der Neuankömmlinge, Investoren, Partyhungrigen, in der sich Gruppen vermischen, aber auch gegenseitig verdrängen. Doch zugleich
…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Die Geister von Berlin.

Eine junge amerikanische Künstlerin sieht Blutflecken am Boden, die spurlos verschwinden. Ein Kreuzberger Hipster ahnt, dass mit seiner Wohnung etwas nicht stimmt. Den Manager eines Start-ups plagt ein Fiebertraum, der sich gespenstisch mit vergangenen Begebenheiten deckt. Nichts in Truggestalten ist so, wie es zu sein scheint.

An der Oberfläche sieht das Berlin der Gegenwart aus wie der Inbegriff der modernen Metropole. Es ist eine Stadt der Neuankömmlinge, Investoren, Partyhungrigen, in der sich Gruppen vermischen, aber auch gegenseitig verdrängen. Doch zugleich ist dies geschichtsträchtiger Boden; die Stadt stand im Zentrum großer historischer Bewegungen - von den gesellschaftlichen Umbrüchen der Kaiserzeit bis zu den Schrecken des »Dritten Reichs« und den Verwerfungen des Kalten Kriegs.

In sieben Episoden, die sich gegenseitig kommentieren und vervollständigen, werden Menschen des neuen Berlin von der Vergangenheit der Stadt eingeholt. Sie spüren ein unheimliches Nachwirken, ein Flackern auf der Retina, das sich nicht heilen lässt.

Mit Truggestalten legt der Filmregisseur und Sachbuchautor Rudolph Herzog sein erstes belletristisches Werk vor, ein Berlin-Buch voller Winkelzüge, Absurditäten und düsterer Überraschungen.

»Ingo Schulzes Simple Storys ist immer noch eine der besten literarischen Quellen für die Atmosphäre jener Jahre. Und nun kommt mit Truggestalten ein Buch, das vielleicht irgendwann eine vergleichbare Funktion für das neue Berlin der Investoren, der Expats und der Modernisierungsverlierer bekommen wird.« Bert Rebhandl, der Standard

»Abgründig, raffiniert und unterhaltsam ...Gibt's noch mehr davon?« Eva Mattes

»Rudolph Herzog belebt ein hierzulande unterschätztes Genre, die Schauergeschichte. Das Übersinnliche, Unterschwellige und Doppelbödige der Großstadt kommt in seinen Berliner Erzählungen als zarter, aber eiskalter Lufthauch daher.« Christoph Poschenrieder
Autorenporträt
Herzog, RudolphRudolph Herzog ist Autor und Regisseur und machte sich mit seiner Serie The Heist (2004) international einen Namen. Seither drehte er über ein Dutzend Dokumentarfilme für ARD, ZDF, arte, National Geographic und BBC. Die von ihm entwickelte Dokumentation The White Diamond wurde von seinem Vater Werner Herzog realisiert und von Time zum Film des Jahres gekürt. Bei Galiani Berlin erschienen sein Sachbuch Der verstrahlte Westernheld und anderer Irrsinn aus dem Atomzeitalter (2012) und der Erzählband Truggestalten (2017). Außerdem legte Kiepenheuer & Witsch 2018 seinen internationalen Bestseller Heil Hitler, das Schwein ist tot! als Taschenbuch neu auf.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.04.2017

Ich schwör
Ob im Kindergartenkiez, unter Managern
oder in Hochhausschluchten – Berlin braucht
neue Geschichten: Hier sind sie
FELIX LOBRECHT
VON JENS BISKY
Der Kerl ist schon so lange antriebslos, dass ihn kein Gezicke und Gemecker dazu bewegen wird, „von seinem inneren Sofa“ herunterzusteigen. Warum auch sollte er, Till, das tun, es läuft doch nicht schlecht. Seine Marlies verdient mit ihren Artikeln für ein Familienblatt leidlich, er kümmert sich morgens um Tochter und Sohn und haut sich dann aufs Sofa, bis er abends als Auswechselgitarrist in einem Musical-Theater zum Einsatz kommt. Marlies freilich vermisst Leben, Intensität, Abenteuer.
Eva Sichelschmidt lässt das Paar in ihrem ersten Roman –„Die Ruhe weg“ – das ganze Missvergnügen der mittleren Jahre durchleben und einige kleine Fluchten erproben, eine Affäre mit dem Yoga-Lehrer und einen neuen Job im Ausland, Psychotherapie, Angeln. Freundinnen werden zugetextet, Freunde schimpfen, man verliert auch mal die Kinder aus den Augen. Das sind sehr bewährte Formen der Krisenbewältigung, die aber, wie Sichelschmidt gekonnt und witzig vorführt, immer neue und sehr viel dramatischere Krisen heraufbeschwören.
Die Grundenttäuschung lässt sich nicht wegreden. Marlies findet ihren Till trotz grauer Strähnen, Bauchansatz und Fältchen um die Augen zwar noch hübsch, aber nicht mehr sexy. Nur manchmal und nur bei genauem Hinsehen ist in dem ein Meter neunzig hohen Schlaffi noch der Rockgitarrist von einst zu erkennen.
So denken derzeit viele Berliner über den Zustand, in dem sie halb begeistert, halb enttäuscht hausen: sieht noch aus wie Berlin, ist nett hier, aber sexy wirkt die Stadt in aller aufgedrehten Antriebslosigkeit beim besten Willen nicht.
Die Midlife-Crisis des Paares spielt im Milieu des Neu-Berliner Kreativ-Kleinbürgertums. Einen Großteil ihrer treffenden Pointen gewinnt Eva Sichelschmidt aus dem Problem, das die lebenshungrige Marlies mit der Stadt hat. Im Kiez, in dem die beiden mit dem Geld der Eltern ein kleines, modern ausgebautes Dachgeschoss kaufen konnten, hat „ältliche Jugend“ die Hoheit übernommen, die „Generation Stiftung Warentest“. „Okay“, weiß Marlies, „der Rock’n’Roll war schon länger tot, auch sie hatte ihn nur noch von hinten gesehen, aber dass es diesen Nachgeborenen gelingen würde, auch noch in rasanter Geschwindigkeit sein Grab aufzulösen, das überraschte sie dann doch.“
In den fernen Neunzigern, als der Hauptstadtumzug bevorstand und die ersten Pioniere der wilden Jahre nach dem Mauerfall anfingen, Veteranengeschichten zu erzählen, hofften manche auf einen neuen Balzac, der die Geschäfte und Seilschaften, die Illusionen und Karrieren schildern, die Generation Berlin in Gesellschaftsromanen auftreten lassen würde. Daraus ist nicht viel geworden. Die Gründe dafür liegen auch in der Eigenart der Stadt. Wo hätte ein Nachfolger Balzacs seine Rastignacs hernehmen sollen, die Genies des Ehrgeizes und der Rücksichtslosigkeit? Die meisten kamen doch, um weniger Konkurrenz, weniger Stress zu spüren, um auch mal Ruhe zu haben. Das klassische Berliner Karrieremuster hat wenig mit sozialem Aufstieg zu tun. Und für den Berliner Alltag sind Vorstellungen von so etwas wie Gesellschaft nicht besonders relevant. Stress, Konflikte und damit Geschichten entstehen manchmal aus dem Zusammentreffen verschiedener Milieus, meist aber innerhalb derselben. Sie wandeln sich sehr schnell und versprechen keine Geborgenheit. Das kann nicht verwundern, jeder Zweite ist neu in der Stadt, erst nach dem Mauerfall hergezogen.
Im vergangenen Jahr hat Gerhard Falkner mit „Apollokalypse“ noch einmal das Ganze der Stadt vergegenwärtigt. Das setzte die für alle mehr oder weniger prägende Ordnung des Kalten Krieges voraus. Die interessanten Berlin-Geschichten der Gegenwart zielen nicht aufs Totale, sondern erkunden ein Milieu oder einen Kiez, wie zuletzt Johannes Ehrmann den Wedding in „Großer Bruder Zorn“.
Eva Sichelschmidt betreibt in Berlin das Geschäft „Whisky & Cigars“, sie ist Repräsentantin des Auktionshauses Grisebach und, wie der Klappentext mitteilt, mit dem Dichter Durs Grünbein verheiratet. Wer „Die Ruhe weg“ gelesen hat, wird danach beim Gang durch die „Kindergartenkieze“ des Prenzlauer Berg stets an Midlife-Crisis denken, in den Hausfluren und Dachgeschossen intelligente Frauen vermuten, die sich mit der Bequemlichkeit der Familienväter nicht abfinden wollen und doch dem elenden Komfort nicht entkommen können, ohne mehr zu zerstören als ihnen lieb ist. So anstrengend ist es also, wenn man nichts weiter vorhat, als das Leben optimal zu genießen. Für einen Neunanfang reist Marlies mit Tochter nach Rom, sie hätte auch einfach den Kiez wechseln können. Aber im Bötzowviertel liegt Italien viel näher als etwa die Gropiusstadt, die Neuköllner Großsiedlung, in der Imbisse und Dönerläden mit dem Namen des Bauhausarchitekten werben. Christiane F. ist dort aufgewachsen, in „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ berichtet sie über das Ineinander von Tristesse und familiärer Gewalt.
Beides findet sich wieder in „Sonne und Beton“ von Felix Lobrecht. Vier Jungs, die eine Art Freundschaft verbindet, trinken, rauchen, werden geschlagen und prügeln sich. Ein Bruch in der Schule, die gerade mit neuen Computern ausgestattet wurde, verheißt ein paar tausend Euro für jeden.
Felix Lobrecht ist ein erfolgreicher Stand-up-Comedian. Er kann auf der Bühne berlinern, ohne Mario-Barth-artig peinlich zu wirken. Und er hat es geschafft, das Berlinische, dem man immer Schnelligkeit, Schlagfertigkeit nachgesagt hat, besonders langsam zu sprechen, als wolle er mit den Worten geizen. Lobrecht ist in Neukölln groß geworden. In einem Gespräch mit der Bezirksbürgermeisterin, Franziska Giffey, die „Sonne und Beton“ „echt, wahrhaftig, authentisch“ findet, erzählt er, dass sein Vater Christiane F. gekannt habe. Sein Roman einer Gropiusstadt-Jugend lebt vom Slang, einem jugendfreien Beton-Rap, dem die Jungs ihre lebensstabilisierenden Floskeln entnehmen: Ja, Dings, was geht; Schnauze, ja, Dings; ich schwör. „Du Opfer, ja. Guck mich an und kämpf wie ein Mann jetzt!“ „Alter Lukas, ey. Ich fick so was, ja … “
Vieles kommt vor: Gewalt, die Furcht, zum Opfer gemacht zu werden, Rassismus, Sprachlosigkeit. Eine Vorstellung vom Sozialen, von politisch adressierbaren Problemen ist damit nicht verbunden. Die Vier hängen fest in der Hölle der Immanenz, und wenn sie Geld haben, kaufen sie Kieztypisches. Ihr Schicksal scheint ein Naturereignis. Ist eben so.
Neben dem Kiez-Deutsch wirkt die Erzählerstimme des jungen Lukas bieder, daher wird es zwischen der eindrucksvollen Exposition und dem furiosen Finale etwas zäh. Aber dafür entschädigen Szenen wie die Aussprache mit dem Direktor, der mit Verachtung für „die ganzen Schwarzköpfe hier“ um das Vertrauen seines Schülers wirbt: „Dass hinter dem Einbruch irgendwelche Alis stecken, wissen wir beide, aber die werden nichts verraten, die halten zusammen. Und genauso müssen wir Deutschen auch zusammenhalten.“
Lobrecht befriedigt sogar das Leserbedürfnis nach Gerechtigkeit, und er tut dies gleich zweifach, einmal im Roman und dann mittels angehängter Zeitungsmeldung. Moral: Unrecht Gut gedeihet nicht.
Große Städte haben, schon aufgrund ihrer Undurchschaubarkeit, eine enge Beziehung zum Unheimlichen. Berliner Gespenstergeschichten erzählt der Dokumentarfilmregisseur Rudolph Herzog in seinem literarischen Debüt „Truggestalten“. Die sieben lose verknüpften, einander kommentierenden Geschichten spielen unter Hipstern und Managern, Künstlern und Sprachschülern, unter kosmopolitischen Existenzen und solchen, die sich frei wähnen. Aber dann belebt sich die Kreuzberger Wohnung, als wolle sie den Mieter vertreiben, oder Blutflecken tauchen auf oder eine abgehärmte, hagere Frau erteilt der Tochter eines sehr ambitionierten Geschäftsmannes Anweisungen. Die Helden dieser Geschichten fliegen um die ganze Welt. Sie könnten das Gefühl der Ungebundenheit genießen, wären da nicht die Gespenster der Vergangenheit, Leichen im Keller, Wiedergänger, Untote.
„Berlin war ein Tummelplatz von Ideologen mit Baukellen“: Herzog arbeitet topografisch genau, das Lesevergnügen verdoppelt sich, kennt man die Spuk-Straßen und ihr Image, verfolgt man die Bahnen seiner Helden auf dem Stadtplan. Das „Künstlerisch-Verruchte an Berlin“ und das architektonische Elend flackern im Zwielicht. Großstadtbewohner brauchen, wenn sie nicht urbanem Trug verfallen wollen, Gespenster-Kompetenz. Hier lernen sie, warum, wo einmal Gespenster waren, Normalität zum Ausnahmefall wird.
Dieser wo nötig effektbewusste, meist zurückhaltende Erzähler vermag sogar, was bisher weder Ingenieuren noch Reportern gelang. Er kann erklären, warum der Hauptstadt-Flughafen nicht fertig wird – und wohl nie fertig werden wird.
Okay, wo sind die
scheiß Computer?“,
sagt Sanchez.
„Nur Bücher, Bücher,
Bücher … Wozu
stehen hier so viele
Bücher, Alter?“
Eva Sichelschmidt:
Die Ruhe weg. Roman. Albrecht Knaus Verlag, München 2017. 320
Seiten, 19,99 Euro.
E-Book 15,99 Euro.
Der eine Ort, wo sich alle begegnen: Enttäuschte, Ehrgeizige, Abgehängte. Vielleicht auch Gespenster: Blick in die Berliner U-Bahn.
Foto: Regina Schmeken
Felix Lobrecht: Sonne
und Beton. Roman.
Ullstein Verlag, Berlin 2017. 224 Seiten, 18 Euro. E-Book 14,99 Euro.
Rudolph Herzog:
Truggestalten. Galiani
Verlag, Berlin 2017.
256 Seiten, 20 Euro.
E-Book 16,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
Herzog arbeitet topographisch genau, das Lesevergnügen verdoppelt sich, kennt man die Spuk-Straßen und ihr Image, verfolgt man die Bahnen seiner Helden auf dem Stadtplan. Das "Künstlerisch-Verruchte an Berlin" und das architektonische Elend flackern im Zwielicht. Großstadtbewohner brauchen, wenn sie nicht urbanem Trug verfallen wollen, Gespenster-Kompetenz. Hier lernen sie, warum, wo einmal Gespenster waren, Normalität zum Ausnahmefall wird. Dieser wo nötig effektbewusste, meist zurückhaltende Erzähler vermag sogar, was bisher weder Ingenieuren noch Reportern gelang: Er kann erklären, warum der Hauptstadt-Flughafen nicht fertig wird - und wohl nie fertig werden wird. Jens Bisky Süddeutsche Zeitung 20170408