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Die im vorliegenden Band dokumentierte Tagung hatte es sich zum Ziel gesetzt, eine genauso internationale wie interdisziplinäre Forschergruppe zum Thema "Soziale Kontrolle" zu befragen. Wenngleich mit Athen und Rom die antike mediterrane Welt im Vordergrund stand, war der kulturelle und historische Bezugsrahmen großzügig bemessen, so dass aktuelle theoretische Modelle, begriffsgeschichtliche Diskurse und komparative Perspektiven Eingang finden konnten. Die Autor(inn)en nutzten die ganze Bandbreite der Untersuchungsfelder und spürten Formen sozialer Kontrolle in Glaube und Aberglaube, in…mehr

Produktbeschreibung
Die im vorliegenden Band dokumentierte Tagung hatte es sich zum Ziel gesetzt, eine genauso internationale wie interdisziplinäre Forschergruppe zum Thema "Soziale Kontrolle" zu befragen. Wenngleich mit Athen und Rom die antike mediterrane Welt im Vordergrund stand, war der kulturelle und historische Bezugsrahmen großzügig bemessen, so dass aktuelle theoretische Modelle, begriffsgeschichtliche Diskurse und komparative Perspektiven Eingang finden konnten. Die Autor(inn)en nutzten die ganze Bandbreite der Untersuchungsfelder und spürten Formen sozialer Kontrolle in Glaube und Aberglaube, in gesellschaftlichen und sozialen Ge- und Verboten, in Familientraditionen, geschlechtsspezifischen Rollenverständnissen, wirtschaftlichen Netzwerken und nicht zuletzt in politischen Interaktionen auf. Im Ergebnis waren sich alle Forscher(innen) einig: Soziale Kontrolle wird in Staat und Gesellschaft ständig neu erfunden, sie ist nicht starr und endgültig, sondern wandelbar und anpassungsfähig.
Autorenporträt
Lothar Gall ist Professor für Neuere Geschichte am Historischen Seminar der Universität Frankfurt a.M. Neben seiner Autorenschaft ist er Herausgeber verschiedener Reihen und Herausgeber der Historischen Zeitschrift.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.02.2003

Feigheit vor dem Feind
Soziale Kontrolle im klassischen Athen und anderswo: Neues von den unerschütterlichen Gesetzen der Götter
David Cohen, der insbesondere durch seine Monographie „Law, Violence and Community in Classical Athens” (1995) starke Beachtung fand, bereitete im Rahmen seiner Verpflichtungen als Stipendiat des historischen Kollegs in München ein internationales und interdisziplinäres wissenschaftliches Kolloquium zum Thema „Demokratie, Recht und soziale Kontrolle im klassischen Athen” vor, dessen Beiträge nun in den Schriften des Kollegs veröffentlicht wurden.
Der Leiter der Veranstaltung hatte den Bogen der Diskussionen weit gespannt und den Mitwirkenden große Freiheit in der Wahl ihrer Beiträge gelassen. Juristen, Altertumswissenschaftler, Historiker, Anthropologen und Sozialtheoretiker sollten die konkreten Formen sozialer Kontrolle auf Grund der Überlieferung ebenso analysieren wie die modernen Definitionsprobleme; sie sollten theoretische Modelle, vor allem aber auch komparatistische Aspekte erörtern.
Der Band beeindruckt daher schon durch die ungewöhnliche Vielfalt der Referate. Neben akribischen Interpretationen einzelner Quellenkategorien, so der Fluchtafeln, an Götter gerichtete Bekenntnisse, Bitten und Eide, vor allem epigraphischer Materialien, stehen Auswertungen einzelner Autoren (Platon, Plutarch) und Studien über konkrete Regelungen wie die Bestattung im demokratischen Athen.
Aus dem bunten Strauß seien zwei Themenkreise herausgestellt: Die Problematik des ersten, die William Ian Miller erörtert, dürfte in diesem Zusammenhang zunächst überraschen. Denn in seinem Referat „Weak Legs: Misbehavior before the Enemy” behandelt Miller die Phänomene sozialer Kontrolle im Sektor der Militärjustiz. Er geht dabei von einer kritischen Würdigung jener Bestimmungen des Militärstrafgesetzbuches der Vereinigten Staaten aus dem Jahr 1950 aus, welche für das Verhalten vor dem Feind Normen setzten.
Näher werden dabei das unerlaubte Verlassen des Schlachtfeldes, Feigheit vor dem Feinde, Fehlverhalten in Offensive wie Defensive, in einem Vergleich mit den berühmten Versen des Archilochos auch das Wegwerfen der Waffen und ähnliche Tatbestände besprochen. Die Dialektik zwischen den Reaktionen des Körpers in extremen Situationen, Willen und sozialer Norm im Felde ist konkret aufgezeigt; die Verbindung von Einfühlung, Logik und Mut zur Wertung, die der Verfasser hier beweist, imponiert. sein Resultat, dass das Militärstrafrecht der führenden Industrienation der Welt in seiner Kodifikation von 1950 teilweise frühmittelalterlichen Gesetzen und Normen entspricht, wirkt bestürzend.
König Kreons Weisung
In einem der wertvollsten Beiträge des Bandes, der Studie über „Nomos, Thesmos und Verwandtes”, schlägt der Kölner Althistoriker Karl-Joachim Hölkeskamp die Brücke zwischen Begriffsgeschichte und komplexer Gesellschaftsgeschichte. Aus der Erörterung des gesamten Begriffsspektrums für „Gesetz” skizziert er die Entwicklung zur Schriftlichkeit in einer oral geprägten Gesellschaft.
Ausgehend von der berühmten Schlüsselstelle, den Worten der sophokleischen Antigone über die Polarisierung der „ungeschriebenen und unerschütterlichen Gesetze der Götter” hier und den von König Kreon erlassenen Gesetzen der Polis dort, dem Nebeneinander von ungeschriebenem Recht und schriftlich fixierten Satzungen, wird der Weg zur „Konzeptualisierung geschriebenen Rechts im klassischen Griechenland” aufgezeigt. Es ist jener Weg, der zum Publikationszwang der Texte, ihrer Präsenz, der Monumentalisierung der Gesetze in der Demokratie führte, aber auch dahin, dass die Gesetze schließlich in Athen als Fundament der Gleichheit verstanden wurden. All dies wurde umfassend dokumentiert und in Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Spezialforschung überzeugend dargelegt.
Das von David Cohen geleitete Kolloquium gab wichtige Impulse; die Initiative erwies sich als ertragreich. Wie Cohen selbst konstatierte, ist es jedoch bedauerlich, dass durch die soziale Kontrolle in besonderer Weise betroffene Gruppen wie Frauen und Sklaven nicht berücksichtigt werden konnten. Bedauerlich ist ferner, dass die „unschätzbaren” Äußerungen jener Gelehrter, die kein Referat übernehmen konnten, für den Leserkreis nicht zu vermitteln waren, endlich, dass auf ein Register verzichtet wurde.
KARL CHRIST
DAVID COHEN (Hrsg.): Demokratie, Recht und soziale Kontrolle im klassischen Athen. Oldenbourg Verlag, München 2002. 212 Seiten, 44,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Großes Lob spendet Karl Christ dem von David Cohen herausgegeben Sammelband, der die Beiträge eines interdisziplinären Kolloquiums zum Thema "Demokratie, Recht und soziale Kontrolle im klassischen Athen" versammelt. Beeindruckt hat den Rezensenten dabei nicht nur die Vielfältigkeit der Referate, sondern vor allem ihre akribischen Interpretationen. Besonders wertvoll findet er zwei Beiträge: Zum einen William Ian Millers Erörterung der sozialen Kontrolle im Sektor der Militärjustiz, also solcher Phänomene wie das "unerlaubte Verlassen des Schlachtfeldes" oder die "Feigheit vor dem Feind". Hier sei bestürzend, findet Christ, wie Miller darlegen könne, dass das heute gültige Militärstrafrecht der führenden Industrienationen frühmittelalterlichen Normen entspricht. Zum anderen stellt der Rezensent Karl-Joachim Hölkeskamps Referat heraus, in dem der Althistoriker das gesamte Spektrum des Begriffs "Gesetz" behandelt und eine Brücke zwischen Begriffsgeschichte und komplexer Gesellschaftsgeschichte zu schlagen vermag. Bedauerlich findet Christ allein, dass die von sozialer Kontrolle besonders betroffenen Gruppen - Frauen und Sklaven - nicht explizit berücksichtigt wurden.

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