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"Als ich Frau Kugelmann das erste Mal sah, dachte ich, sie könnte gar nicht anders als Frau Kegel oder Frau Kugelmann heißen. Alles an ihr war rund, kugelrund, Augen und Ohren, Kopf, Hüfte, Beine, Bauch. Gerade so, als hätte man Kugeln aneinandergesetzt, kleine und große für Kopf und Körper und ein paar langgezogene für Arme und Beine. Einzig die Falten in Frau Kugelmanns Gesicht rebellieren gegen die rundliche Ordnung. Sie gehen eigene Wege und graben tiefe Furchen, wo immer sie wollen. Ja, und ihre Schuhe haben auch eine andere Form, es sind große ovale Schalen mit Riemchen, orthopädische…mehr

Produktbeschreibung
"Als ich Frau Kugelmann das erste Mal sah, dachte ich, sie könnte gar nicht anders als Frau Kegel oder Frau Kugelmann heißen. Alles an ihr war rund, kugelrund, Augen und Ohren, Kopf, Hüfte, Beine, Bauch. Gerade so, als hätte man Kugeln aneinandergesetzt, kleine und große für Kopf und Körper und ein paar langgezogene für Arme und Beine. Einzig die Falten in Frau Kugelmanns Gesicht rebellieren gegen die rundliche Ordnung. Sie gehen eigene Wege und graben tiefe Furchen, wo immer sie wollen. Ja, und ihre Schuhe haben auch eine andere Form, es sind große ovale Schalen mit Riemchen, orthopädische Sandalen, die aus irgendeiner deutschen Schuhfabrik stammen, weil ältere Damen in Israel auf orthopädische Schuhe aus Deutschland schwören."
Überraschend erhält Zippi die Nachricht, daß ihre kürzlich verstorbene Tante Halina ihr ein altes Fischbesteck vererbt hat. Sie reist nach Tel Aviv, um ihr Erbe selbst in Empfang zu nehmen. Kaum angekommen, da klopft es an der Tür ihres Hotelzimmers: Eine
freundliche, ältere, vor allem sehr dicke Dame bittet darum, eingelassen zu werden. Bella Kugelmann, so stellt sie sich vor. Zippis ungeduldiger Versuch, sie abzuwimmeln, schlägt fehl. Aber dann beginnt Frau Kugelmann zu erzählen: von ihrer Jugend im polnischen Bedzin, von Eltern und Verwandten, Schulfreunden, dem schönen Adam und der stolzen Polin, von Fettauge, von Gonna und Kotek, dem Kätzchen, vom noblen jüdischen Fürstenberg-Gymnasium, von dem trickreichen Mantelverkäufer Teitelbaum, den starken Bachmanns. Es herrscht ein pulsierendes, sorgloses, scheinbar völlig unbeschwertes und fröhliches Leben in dieser Kleinstadt, so kurz bevor die Deutschen Polen überfielen und das Grauen begann. Frau Kugelmann erzählt wunderbare Geschichten von einer längst vergangenen Zeit, denen sich die junge Deutsche nicht entziehen kann. Und als Frau Kugelmann plötzlich ein altes Fischbesteck erwähnt, begreift Zippi, daß es sich hier um ihre eigene Familiengeschichte handelt.
Minka Pradelski, se
Autorenporträt
Minka Pradelski, selbst Kind Überlebender, hat einen anrührenden, aber auch humorvollen Roman über eine fast vergessen Zeit und über das Schweigen zwischen den Generationen geschrieben. »Und da kam Frau Kugelmann« ist der erste Roman der studierten Soziologin und Dokumentarfilmerin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.2006

Dem Vergessen entrissen
Pradelski, Lustiger und Bendzin

Die Zeit auf dem Fürstenberg-Gymnasium begann vielversprechend für Arno Lustiger. Im polnischen Bendzin kaufte seine Mutter ihm vor 70 Jahren seine erste Schuluniform. Er lernte Latein und Hebräisch auf der jüdischen Eliteschule, spielte Trompete im Blasorchester, schloß Freundschaften. Dann, im September 1939, kamen die Nazis in die Stadt. Es ist seine Jugend, über die der Historiker Arno Lustiger im Wiesbadener Ministerium für Wissenschaft und Kunst spricht. Die Jahre in seiner Heimatstadt Bendzin endeten für ihn 1943 mit der Deportation nach Auschwitz. Bis heute sei die Schoa in Oberschlesien von den Historikern nicht ausreichend erforscht, bedauert Lustiger. Um so mehr freut es ihn, daß nun ein Buch seiner Heimat zu Aufmerksamkeit verhilft: Minka Pradelskis erster Roman "Und da kam Frau Kugelmann". Er ist ihm, Arno Lustiger, gewidmet, und Bendzin und das Fürstenberg-Gymnasium spielen eine wichtige Rolle darin.

Die Autorin kennt der in Frankfurt lebende Historiker schon, "seit ihre Mama sie im Kinderwagen herumschob". Inzwischen ist die Frankfurterin als Soziologin und Dokumentarfilmerin bekannt, hat lange für Steven Spielbergs Shoah Foundation gearbeitet. Und nun einen Roman geschrieben über die Großstadtneurotikerin Zippy, die aus Frankfurt nach Tel Aviv reist, um ein geerbtes Fischbesteck in Empfang zu nehmen, und dort die dicke Frau Kugelmann trifft. Die erzählt von ihrer Jugend in Bendzin, und aus diesen Geschichten liest Minka Pradelski nach Arno Lustigers Einführung.

Es sind humorvolle Erinnerungen, die Zippy in Israel zu hören bekommt. Aber Frau Kugelmann erzählt auch bedrückende Erlebnisse, die zeigen, wie schwer die Bewohner Bendzins unter dem Nazi-Terror litten. Eine Passage liegt Pradelski besonders am Herzen. Ganz zum Schluß liest sie sie vor. Zippy, die von den vielen Anekdoten ihrer Gesprächspartnerin ermüdet ist, fragt entnervt: "Haben Sie denn schon irgendwann irgend jemand mal damit verschont?" Die Antwort: "Meine Kinder." Und sie gesteht, daß sie ihren zwei Söhnen gegenüber das Wort "Bendzin" nie in den Mund genommen, ihnen nicht das geringste von ihrem Leben in Polen erzählt habe. "Ich wollte nicht, daß sie mit dem Gedanken an Tod und Verwüstung groß werden." Und: "Ich wäre an meinen eigenen Worten zerbrochen." Dieses Schweigen ist es, das Minka Pradelski brechen möchte mit ihrem Roman. Die Vergangenheit "dem Vergessen zu entreißen" ist ihr und Arno Lustiger, der das Buch lektoriert hat, ein Bedürfnis. Es ist ihnen auf beeindruckende Weise gelungen.

FRIEDERIKE HAUPT

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Mit viel Sinn für Komik erzähle Minka Pradelski ihre Geschichte vom unmerklichen Schatten der Vergangenheit, der junge wie alte Juden verfolgt. Vor allem gelinge es ihr, lobt Rezensentin Andrea Lüthi, die Spannung von jetzt und damals bis zuletzt aufrechtzuerhalten. Die Erzählerin mit ihrer Sucht nach Tiefkühlgemüse, referiert die Rezensentin, sei von Anfang an eine merkwürdige Figur, die sich erst durch die Begegnung mit Frau Kugelmann und ihren Erzählungen von einer idyllischen Kindheit in Polen nach und nach in ihrer Problematik für den Leser entschlüsselt. Im Gegensatz zu Frau Kugelmann gehöre sie zur Generation nach dem Holocaust, die gleichwohl bis in groteske Verhaltensweisen hinein von der Vergangenheit bestimmt ist. Die Autorin, so die Rezensentin, zeichne die Geschichte einer "therapeutischen" Begegnung auf "einfühlsame" Weise nach und vermittle über den Umweg der Frau Kugelmann ein Bild der jüdischen Gesellschaft in Polen vor dem Zweiten Weltkrieg.

© Perlentaucher Medien GmbH