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Ein Winter in den Bündner Bergen. Was tun, wenn der grosse Schnee ausbleibt - und mit ihm die Gäste? Paul und Georg stehen wie jedes Jahr an ihrem alten Schlepplift, so schnell bringt den ordentlichen Georg nichts aus der Ruhe und den grossen Fabulierer Paul nichts zum Schweigen. Zu allem fällt ihm eine Geschichte ein, um das grosse Verschwinden aufzuhalten und die verkehrte Welt wieder ins Lot zu bringen. Er redet über die Kapriolen des Wetters und über das Glück des Lebens, er spricht über seine grosse Liebe Claire und über den Sohn, der macht, was er will. Er erzählt vom Leben in den…mehr

Produktbeschreibung
Ein Winter in den Bündner Bergen. Was tun, wenn der grosse Schnee ausbleibt - und mit ihm die Gäste? Paul und Georg stehen wie jedes Jahr an ihrem alten Schlepplift, so schnell bringt den ordentlichen Georg nichts aus der Ruhe und den grossen Fabulierer Paul nichts zum Schweigen. Zu allem fällt ihm eine Geschichte ein, um das grosse Verschwinden aufzuhalten und die verkehrte Welt wieder ins Lot zu bringen. Er redet über die Kapriolen des Wetters und über das Glück des Lebens, er spricht über seine grosse Liebe Claire und über den Sohn, der macht, was er will. Er erzählt vom Leben in den Bergen, von Vorfahren und Vorbildern, von Sieg und Niederlage, Schule und Erziehung, und räsonniert über die zeitlosen Fragen nach Herkunft und Zukunft. Arno Camenisch beschreibt auf seine unverkennbar eigenwillige Art bildstark und präzise vom Ende und Verschwinden in einem Tal im Wandel der Zeit, während der Schlepplift im Hintergrund regelmässig rattert wie der Lauf der Welt.
Autorenporträt
Arno Camenisch (* 1. Februar 1978 in Danis-Tavanasa) ist ein Schweizer Schriftsteller aus Graubünden, der auf Rätoromanisch und Deutsch schreibt.Aufgewachsen ist Arno Camenisch in Tavanasa, einem Teil der Gemeinde Breil/Brigels, wo er die Primar- und Sekundarschule besuchte. Er absolvierte das Lehrerseminar in Chur und unternahm danach mehrere grosse Reisen durch Europa, Australien und Südamerika. Von 2004 bis 2007 lebte er in Madrid. Ab 2007 studierte er am Schweizerischen Literaturinstitut (HKB) in Biel, wo er auch lebt. Er war Mitglied des Spoken-Word-Ensembles Bern ist überall. Camenisch schreibt Prosa, Lyrik und Bühnenstücke. Überregional bekannt wurde er durch sein mehrfach ausgezeichnetes Buch Sez Ner. In Sursilvan und Deutsch beschreibt er darin das Leben aus der Sicht der Älpler. Zusammen mit den beiden folgenden Büchern Hinter dem Bahnhof und Ustrinkata bildet es eine abgeschlossene Trilogie. Der Roman "Die Kur" wird gerade verfilmt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.2018

Sisyphus fährt Ski
Den Schweizern aufs Maul geschaut: Arno Camenischs "Der letzte Schnee"

Vom Fernsehen ist immer als Farbfernsehen die Rede. Es ist der präziseste Hinweis auf die Zeit, in der dieses Buch weitgehend ohne Handlung spielt und der Farbfernseher den Schwarzweiß-Empfänger ablöste. Internet und Handy waren noch lange nicht von dieser Welt. Wer die genaue Zeit wissen will, ruft - auf dem Festnetz - die sprechende Uhr an: Nummer 161. Aber der ewige Schnee ist nicht mehr unbefleckt weiß, die Gletscher schmelzen und sind verschmutzt. Die Klimakatastrophe hat begonnen, und immer öfter fehlt es an frischem Schnee. Die Klage darüber ist allerdings noch älter und im Wintertourismusparadies das "weiße Gold" der einzige Rohstoff. Ihm hat der Schweizer Schriftsteller Arno Camenisch sein neues Buch gewidmet: "Der letzte Schnee" ist von gestern und das Buch ein ziemlich geniales, jedenfalls gelungenes und hochliterarisches Porträt der Schweiz, ihrer Sprache und ihres Alltags.

Seine Protagonisten sind "der Georg" und "der Paul". Sie warten auf den ersten Schnee, um den Skilift in Betrieb zu nehmen. Es ist ein Bügellift - der erste der Welt war 1934 in Davos eröffnet worden, an Weihnachten. Sagt der Paul. Wogegen der Georg einwendet, im Schneckenhof hinten im Schwarzwald seien sie wohl etwas früher dran gewesen. Aber da "gibt es doch schon lange keinen Schnee mehr, warum die einen Skilift haben sollten, wüßte ich doch gerne". Ihr helvetisches Modell "ist immer noch die ehrlichste Form, den Berg hoch zu kommen", sagt der Paul. Der Georg rührt im Kaffee, der Zucker, der sich bekanntlich auflöst, wird zur Metapher für den Schnee, "und sollte ihn Petrus uns nicht entziehen, wird das noch lange so weitergehen, aber eben".

Der Skilift ist der Horizont dieser Welt und das "Hüttli", das neben ihm steht, ihr Nabel. Es geht rauf und runter, Sisyphus fährt Ski und nimmt den ehrlichsten Lift. Schluss ist um halb vier, "das war es doch gestern schon mal". Das Geschehen ist auf ein Minimum reduziert, Paul und Georg bleiben stets am Ort: vor, im, neben, hinter oder auch schon mal auf dem "Hüttli". Sie rauchen Zigaretten, essen ein "Kägifred", trinken gelegentlich einen Schnaps und reparieren den Lift. Das, was sie sich erzählen, sind Erinnerungen an früher und Geschichten vom Hörensagen - mit sehr viel Lebensweisheit.

Der Minimalismus der Handlung wird durch die Sprache kompensiert. Arno Camenisch spickt seine Literatur mit Mundart, wo es nur geht. Er konstruiert auf diese Weise ein Spannungsgefälle zwischen den Sprachebenen, das für sehr viel Komik sorgt. Doch es geht nicht nur um diese Effekte: Mit seinen helvetischen Sprachfetzen zeichnet Camenisch ein liebevolles Porträt der kauzigen Schweiz, in dem sie sich erkennt wie kaum je in einem Buch. Ähnliches hat nur der Kabarettist Emil erreicht. Bei seinen Landsleuten ist Arno Camenisch ein großer Star mit hohen Auflagen - ein Volksschriftsteller. In den höchsten Tönen hat Elke Heidenreich im "Literaturclub" des Schweizer Fernsehens von Arno Camenischs "Meisterwerk" geschwärmt: man kann es ganz offensichtlich auch deutschen Lesern wärmstens empfehlen und ohne dass sie permanent zum Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache greifen müssen, dem "Idiotikon".

Der Lift steht für den Leerlauf der Welt, Arno Camenischs Erzählung ist absurde Literatur. "Godo kommt nicht mehr, sagt der Georg und schaut in den Himmel", liest man auf der zweitletzten Seite. Dass der Klassiker Godot, auf den die beiden Protagonisten bei Samuel Beckett warten, in das Idiom der Schweizer Einzug gehalten hat, ist wenig wahrscheinlich. Die Anspielung ist wohl eher eine kühne, aber keineswegs vermessene Standortbestimmung des Verfassers. Die Konzentration auf das Lokale, die Reduktion auf das scheinbar Banale vermittelt der Handlung eine universelle Dimension. Nur die Beschleunigung und spektakuläre Dramatisierung zum Schluss - mit einem Selbstmord - nimmt dem Buch etwas von seiner Genialität.

Aber ein guter Schriftsteller kann ja nicht einfach den Skilift abstellen. Und "der Georg" wartet auch keineswegs auf Godo. Sein verzweifelter Blick in den Himmel sucht Petrus und fleht um den ausbleibenden Schnee. Denn ist der Winter erst einmal abgeschafft, weiß Gott "was der Herrgott im Himmel" dann in seinem Drehbuch vorgesehen hat: "Vermutlich lässt er die Berge ins Tal stürzen und macht uns alle zu Staub." Aber dazu braucht es in der Schweiz keine Steinlawinen. Und gegen die Klimakatastrophe wehrt man sich hier mit Schneekanonen.

JÜRG ALTWEGG

Arno Camenisch:

"Der letzte Schnee".

Engeler Verlag. Schupfart 2018. 102 S., geb., 19,- [Euro]

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der Schweizer Autor Arno Camenisch erscheint Rezensent Paul Jandl in seinem neuen Roman "Der letzte Schnee" wie ein "Beckett touristischer Nachsaison". Amüsiert folgt er hier zwei herrlich närrischen Liftwarten, die zwischen "epikureischer Sanftmut" und rätoromanischen Schimpftiraden tagelang an ihrer Hütte stehen, die Monotonie und Ereignislosigkeit des Alltags beobachten und auf einen mysteriösen Godo warten. Wie Camenisch kleinste Dinge zusammenschnurren und sie zugleich symbolisch groß werden lässt, hat den Rezensenten beeindruckt. Ein in Bild und Wort feinsinniger Roman über das "allmähliche Verschwinden", schwärmt er.

© Perlentaucher Medien GmbH