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Nicht Funktion und Gebrauch zeichnen das Bauhaus aus, sondern Symbolik. Ob Quadrat, Dreieck oder Kreis, ob Wagenfeld-Lampe, Schlemmer-Kopf oder weisse Kuben mit Flachdach: Das Bauhaus hat ikonische Bildzeichen und einen Stil kreiert, der weder funktional noch sozial ist, aber visuell prägnant.Bauhaus-Gründer Walter Gropius zielte von Anfang an darauf, aus dem Bauhaus eine Marke zu entwickeln - mit Erfolg. Sei es in Konsum, Politik oder Kultur: Mehr als achtzig Jahre nach seiner Schliessung ist das Bauhaus präsenter als je zuvor. Es ist inzwischen zu einer partizipativen Marke geworden, die…mehr

Produktbeschreibung
Nicht Funktion und Gebrauch zeichnen das Bauhaus aus, sondern Symbolik. Ob Quadrat, Dreieck oder Kreis, ob Wagenfeld-Lampe, Schlemmer-Kopf oder weisse Kuben mit Flachdach: Das Bauhaus hat ikonische Bildzeichen und einen Stil kreiert, der weder funktional noch sozial ist, aber visuell prägnant.Bauhaus-Gründer Walter Gropius zielte von Anfang an darauf, aus dem Bauhaus eine Marke zu entwickeln - mit Erfolg. Sei es in Konsum, Politik oder Kultur: Mehr als achtzig Jahre nach seiner Schliessung ist das Bauhaus präsenter als je zuvor. Es ist inzwischen zu einer partizipativen Marke geworden, die nicht mehr zentral gesteuert werden kann, sondern an der unzählige Produzenten und Konsumenten mitgeschrieben haben. Das einstige Verspechen nach Funktionalität und sozialer Verpflichtung bleibt dabei allerdings uneingelöst. Das Buch von Philipp Oswalt, ehemaliger Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, widmet sich anhand zahlreicher Bildbeispiele und gehaltvoller Texte dieser prominenten Markenbildung und -verwendung.
Autorenporträt
Philipp Oswalt war von 2009-2014 Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau und ist Mitbegründer des Projekt Bauhaus. Seit 2006 ist er Professor für Architekturtheorie und Entwurf an der Universität Kassel.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensent Ronald Berg empfiehlt das Buch des Architekturtheoretikers und langjährigen Direktors der Bauhausstiftung Philipp Oswalt als Korrektiv gegen ein allzu leichtfertig übernommenes Bild des Bauhauses, wie es durch massives Marketing entstanden ist. Wie hohl und beliebig und fern vom historischen Bauhaus dieses Bild ist, vermittelt der Autor laut Berg gerade recht am Ende des Jubijahres, zielsicher und gespickt mit Insiderwissen. Es geht um Distinktionsgewinne, Image und die staatliche geförderte "Touristifizierung" der Marke Bauhaus, erläutert Berg. Für den Rezensenten ganz offenbar ein heilsame Ernüchterung.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.02.2020

Gütesiegel der Sekundärtugenden
Wie konnte der Weimarer Künstlerklub zum Weltwunder der Fortschrittskompetenz werden?
Philipp Oswalt untersucht den Aufstieg der Bauhaus-Kunstschule zum internationalen Markenprodukt
VON MICHAEL MÖNNINGER
Gerade gehen die Geburtstagsfeiern zum 100-jährigen Bestehen des Bauhauses zu Ende, da platzt eine Spaßbremse in die Versammlung, die allen Gratulanten die Festlaune verderben möchte. Mit seiner 1919 in Weimar gegründeten Kunstschule, so der Kasseler Architekturprofessor Philipp Oswalt, startete der Architekt Walter Gropius nicht den Urknall der modernen Kunstrevolution, sondern nur den erfolgreichsten Markenartikel des deutschen Design-, Kultur- und Bildungsbetriebs. So war Gropius kein Schöpfer, sondern nur Nachahmer radikaler europäischer Künstlergruppen, stellte nur funktionsschwachen, aber teuren Einrichtungsnippes her, konnte seine subventionierten Werkstättenprodukte nie kostendeckend fabrizieren, baute Siedlungen mit fatalen Mängeln und war allein auf einem Gebiet genial: der Eigenwerbung.
Und weiter: Ohne die Brutalität der Nazi-Moderne wäre die ästhetisch depravierte Bauhaus-Ästhetik nie so verlockend gewesen, ohne die Emigration der Bauhaus-Meister hätte die Bundesrepublik nach 1949 keine Helden für das künstlerische Großreinemachen gehabt, ohne die Wiederentdeckung des Bauhauses als Teil der „sozialistischen Nationalkultur“ nach 1960 hätte auch die abgeschlagene DDR den Moderne-Anschluss verpasst. Und selbst in Israel nutzten die fortschrittlichen Kräfte in Tel Aviv ihre eingebildeten Bauhaus-Traditionen nur, um im politischen Kampf mit den religiösen Konservativen in Jerusalem zu bestehen. Der jakobinische Enthüllungseifer dieses missvergnügten Autors würde an reine Lektürequälerei grenzen, wenn das Buch „Marke Bauhaus 1919 – 2019“ nicht so gründlich recherchiert und sachlich kühl geschrieben wäre. Im Gegensatz zu anderen Schmäh-schriften, etwa Bernd Polsters Gropius-Biografie (SZ vom 18.3.2019), möchte Oswalt seinen Gegenstand weniger diskreditieren als entzaubern. Denn er fragt nach den Ursachen, wie der Weimarer Künstlerklub zum Weltwunder der Gestaltungskraft und Fortschrittskompetenz aufsteigen konnte. Wenn man Wunder als Übermaß der Wirkung über die Ursache definiert, dann leistet Oswalts Buch beste aufklärerische Ursachenforschung über die Wirkungsmacht von künstlerischen Hoffnungsträgern, die den Hunger nach Heilsversprechen stillen.
Der Jungarchitekt Gropius findet bei Philipp Oswalt nicht einmal Lob für seine berühmten Musterfabriken für die Fagus-Werke und die Kölner Werkbundausstellung vor dem Ersten Weltkrieg, die „keine funktionsfähigen Industrieanlagen, sondern reklamewirksame Schauarchitektur“ waren. Anstelle von bahnbrechenden neuen Ideen habe Gropius einzig ein außerordentliches Gespür für bereits kursierende Innovationen und deren Umsetzung entwickelt. Freilich hatte auch Edison weder Elektrizität noch Glühlampe erfunden und trotzdem die zweite industrielle Revolution angeschoben.
Derlei Kritik dient dazu, Gropius’ Nachfolger in Dessau zur Lichtgestalt aufzuwerten. 1928 wandelte der Schweizer Architekturstalinist Hannes Meyer die Kunstschule in eine Bau- und Technik-Schmiede um, die fortan für den „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ arbeitete. Immerhin hatte Gropius mit seinen großbürgerlichen Dessauer Meisterhäusern strahlende Markenzeichen geschaffen. Das kann man von den Bauhaus-Schülern Carl Fieger und Richard Paulick, den späteren Erfindern der sozialistischen Großplatte in der DDR, weniger sagen.
Spannend ist die Wirkungs- und Wahrnehmungsgeschichte des Bauhauses in der jungen Bundesrepublik und DDR. Im Westen diente die Kunstschule laut Oswalt dem „moral white washing“ für den kulturellen und politischen Neubeginn und später im Osten dem Systemkonkurrenzdenken. Es folgten die Wiederauftritte ehemaliger Bauhaus-Künstler auf der ersten Documenta 1955, große Monografien von moderne-gläubigen Kunsthistorikern und schließlich die weltweit wandernde Ausstellung „50 Jahre Bauhaus“, in der Walter Gropius und seine Verbündeten ihre Selbstmythologisierung betrieben.
Alles diente laut Oswalt nur dazu, die gesamte Moderne auf ihren singulären Ursprung im Bauhaus zu reduzieren, gleichsam als „quasireligiöse Initiation eines magischen Moments“. Daran wirken bis zum jüngsten Jubiläum die Kultur- und Tourismus-Agenturen in Berlin, Weimar und Dessau mitsamt den Bauhaus-Museen mit, die zum Ärger des Autors mehr Lifestyle- und Event-Marketing als künstlerisch-emanzipatorische Bildungsarbeit betreiben.
Vor allem die nach der Wende gegründete Stiftung Bauhaus in Dessau kommt nicht gut weg, die Philipp Oswalt fünf Jahre leitete, bis er 2014 vom Kultusministerium in Sachsen-Anhalt wegen Insubordination entlassen wurde. Zuvor habe die Stiftung an aktuellen sozialökologischen Konflikten im deindustrialisierten Osten gearbeitet, so rühmt der Autor die eigene Rolle, während sie heute nur noch museal-unpolitische Erbschaftspflege betreibe.
Doch solches Selbstlob ist verkraftbar angesichts der Hauptleistung dieses Buches: die opulente Augenweide der Bilddokumente über die Vermarktung des Namens und der Produkte des Bauhauses. An diesem Katalog wandernder Symbole hätte Aby Warburg mit seinem Konzept der Bilderfahrzeuge seine Freude.
Mangels eindeutigem Copyright schmückt die Dessauer Kultadresse weltweit über hundert Markenartikel, darunter Biersorten, Sportschuhe, Friseursalons, Restaurants, Brillen, Uhren, Rockbands, Partnervermittlungen und sogar Saunaklubs. Einer der frühesten Verwerter, der Mannheimer Schreiner Heinz-Georg Baus, der 1960 die erste Filiale seiner „Bauhaus“-Heimwerkermärkte eröffnete, ahnte zu Recht, dass dieser Künstlerklub mit seiner spröden protestantischen Ästhetik endlich einmal für deutsche Sekundärtugenden steht, mit denen man sich gern in der Welt sehen lässt.
Philipp Oswalt: Marke Bauhaus 1919 – 2019. Der Sieg der ikonischen Form über den Gebrauch. Verlag Scheidegger & Spiess. 336 Seiten, 950 Abbildungen, 38 Euro.
Gropius besaß ein großes Gespür
für bereits kursierende
Innovationen
Blick auf das Direktorenzimmer von Walter Gropius in Weimar 2019. Unten: Oskar Schlemmer, Bauhausstempel von 1921.
Fotos: Candy Welz / Sammlung Marzona, Gerd Fleischmann
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